Ski alpin:Mal Sieg, mal Fangnetz

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Die US-Amerikanerin Lindsey Vonn liefert beim Weltcup in Bad Kleinkirchheim keine gute Leistung ab. Doch auch so sorgt sie für Dramatik und Debatten.

Von Johannes Knuth, Bad Kleinkirchheim

Eine Trainingsfahrt vor einem alpinen Wochenende ist eigentlich eine mäßig aufregende Sache, aber im Ski-Weltcup ist in diesen Tagen ja vieles nur bedingt mäßig oder gewöhnlich. Vor allem, wenn Lindsey Vonn mitwirkt.

Am Freitag zum Beispiel, vor dem Super-G und der Abfahrt in Bad Kleinkirchheim. Da absolvierten die Schnellfahrerinnen eine kurze Trainingsfahrt im oberen Streckenteil - im unteren schufteten die Helfer, um die zuvor vom Regen zerfurchte, zuckerweiche Piste irgendwie rennfertig zu bekommen. Die Fahrerinnen verließen den Hang deshalb nicht durch den Zielbereich, sondern über einen öffentlichen Parkplatz, das sprach sich schnell unter Fans und Reportern herum. Wobei die Fans flinker waren. Vonns Auto war bald umlagert, von Fotografen, Fans, die digitale Schnappschüsse von der Amerikanerin anfertigten, und von noch mehr Fans, die fotografierten, wie andere Fans sich und Vonn fotografierten. Ein Betreuer versuchte, Vonn abzuschirmen, mit mäßigem Erfolg. Wohl auch, weil er gleichzeitig Vonns Hund an der Leine führte.

Lindsey Vonn, 33, aus Vail in Colorado, ist eine der wenigen Überfiguren im olympischen Sport, sie braucht nicht viel, um ein Spektakel zu schaffen. Im Grunde reicht es, wenn sie einfach da ist.

Die Siege in Bad Kleinkirchheim? Ach ja, die wanderten in den Besitz der Italienerinnen. Federica Brignone gewann den Super-G; in der Abfahrt am Sonntag nahmen die Azzurri das Podium sogar ganz in Beschlag: Sofia Goggia vor Brignone und Nadia Fanchini. "Ich freue mich mehr für Nadia, sie hat so viel gelitten", sagte Goggia. Fanchini hatte am Freitag erfahren, dass ihre Schwester und Teamkollegin Elena an einem Tumor leidet, einem gutartigen immerhin. Vonn fügte sich im Ziel in die Rolle der Trostspenderin und Gratulantin. Sie war im Super-G Neunte geworden, in der Abfahrt 27., so weit hatte es sie zuletzt vor vier Jahren nach hinten geweht. Schlechte Zeiten sind keine guten Zeiten", befand sie, angemessen philosophisch. Aber dieses Wochenende in Kärnten sei eh nicht so wichtig. Die Piste war erst weich und ruppig, am Sonntag legte sich eine Decke aus Eis darüber, Nebel kroch über den Hang. Vonn wählte eine "konservative" Linie, sie wolle nichts riskieren auf dem Weg zu ihrem letzten Versuch, im Februar in Südkorea eine zweite olympische Goldmedaille zu erstehen. Die Spiele stehen in Amerika über allem; als Vonn vor vier Jahren vor Sotschi einen Kreuzbandriss erlitt, war das auch ein herber Schlag für den Olympiasender NBC, der sie als Werbegesicht brauchte. "Ich warte seit acht Jahren darauf", sagte Vonn mit Blick auf Olympia. "Das Wichtigste ist gerade, dass ich gesund bin."

Südkorea im Blick: Lindsey Vonn konzentriert sich auf Olympia. (Foto: Leonhard Foeger/Reuters)

Langweilig wird es mit ihr freilich schon jetzt nicht. Ihr bisheriger Winter war ein Abziehbild ihrer Karriere, eine Melange aus Kontroversen, publikumswirksamen Auftritten und Stürzen, die ihr die anschließenden Erfolge noch mehr versüßten. Vonn führte bei der ersten Abfahrt des Winters in Lake Louise, rauschte dann wild ins Fangnetz, das war es mit der Karriere, dachten nicht wenige. War es aber nicht; Vonn trug ein paar Schrammen davon. Es folgten: Ein kurzer, öffentlicher Meinungsaustausch mit Markus Waldner, dem Rennchef bei den Männern, der sich, nun ja, skeptisch über Vonns Vorhaben geäußert hatte, bei einer Männer-Abfahrt mitzuwirken ("Ist das fair, nur weil sich die Prinzessin exklusiv ins Rampenlicht setzen will?"). Vonn fand das "respektlos". Dann gab sie dem TV-Sender CNN ein Interview.

Frage: "Sie haben bislang bei drei Winterspielen unter zwei Präsidenten teilgenommen. Wie würde es sich anfühlen, in Südkorea für ein Land anzutreten, dessen Präsident Donald Trump ist?"

Vonn: "Ich hoffe, dass ich die USA repräsentieren kann, aber nicht den Präsidenten. Ich nehme Olympia sehr ernst und will unser Land gut vertreten. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit unserer Regierung das gerade tut."

Frage: "Würden Sie nach den Spielen das Weiße Haus besuchen, wenn sie mit anderen Athleten eingeladen werden?"

Vonn: "Absolut nicht. Nein."

Vonn spürte in den folgenden Tagen, wie vergiftet das Klima in ihrer Heimat ist. In den Sozialen Netzwerken schwappte ihr eine Welle an Schmähungen von Trumps Anhängern entgegen, der sie sich tapfer entgegenwarf. Sie stehe zu ihren Äußerungen, werde sich jetzt aber auf den Sport konzentrieren. Das klappte gut, trotz Rückenschmerzen, die sie in St. Moritz plagten. Vonn gewann kurz darauf den Super-G in Val d'Isère, es war ihr 78. Erfolg im Weltcup. Und nun? Sechs Rennen bleiben ihr, um sich für die Winterspiele warmzulaufen,in Cortina d'Ampezzo am kommenden Wochenende, Lenzerheide und Garmisch-Partenkirchen. Ihr geschundener Körper ächzt langsam doch allmählich; "ich muss immer härter arbeiten, um das gleiche Niveau der letzten Jahre zu erreichen", sagte Vonn in Bad Kleinkirchheim im österreichischen Fernsehen. Aber nach den Spielen wolle sie schon weitermachen, eine Saison mindestens. Ingemar Stenmarks 86 Weltcupsiege zu übertreffen, das wäre das passende Finale einer bewegten Karriere, so sieht Vonn das.

"Entweder ich beende ich meine Karriere mit dem Rekord", sagte sie in Bad Kleinkirchheim, "oder mein Körper geht nicht mehr."

© SZ vom 15.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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