Ski alpin:In Gedanken bei der Kämpferin

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Skirennläuferin Lindsey Vonn ging der schwere Sturz ihrer Kollegin Jacqueline Wiles nahe. (Foto: Stephan Jansen/dpa)
  • Lindsey Vonn gewinnt mit knappem Vorsprung vor Sofia Goggia die Abfahrt von Garmisch-Partenkirchen.
  • Der Sturz ihrer Kollegin Jacqueline Wiles trübt Vonns Freude.
  • Wiles erleidet einen Kreuzbandriss, einen Wadenbeinbruch und einen Bruch des Schienbeinkopfes.

Von Matthias Schmid, Garmisch-Partenkirchen

Als Lindsey Vonn auf die oberste Stufe des Podiums kletterte, lugte die Sonne hinter den dunklen und tiefhängenden Wolken hervor, aus denen es zuvor geschneit hatte. Es wirkte fast so, als würden sich die Sonnenstrahlen vor der Leistung der US-Amerikanerin verneigen wollen, die in Garmisch-Partenkirchen am Samstag ihr 80. Weltcuprennen gewann. Die 33-Jährige war im vorletzten alpinen Wettkampf vor Beginn der Olympischen Winterspiele im koreanischen Pyeongchang (9. bis 25. Februar) die schnellste auf der verkürzten Kandahar. Die 33-Jährige siegte in der Sprintabfahrt mit zwei Hundertstelsekunden vor der Italienerin Sofia Goggia und der Österreicherin Cornelia Hütter (0,13 Sekunden zurück).

"Das ist sehr wichtig für mich, vor Olympia in so guter Form zu sein, wunderschön", sagte Vonn. So ausgelassen wie man es von ihr gewohnt ist, feierte sie ihren dritten Abfahrtssieg in Garmisch in Serie aber nicht. Ihre Teamkollegin Jacqueline Wiles war schwer gestürzt, als Vonn schon unten im Zielraum stand. Vonn musste zusehen, wie Wiles verkantete, den Hang hinabrutschte und in den Fangzaun rauschte. "Ich kann mich deshalb nicht einhundert Prozent freuen", bekannte Vonn. Die schwere Verletzung - Wiles musste mit dem Helikopter ins Krankenhaus geflogen werden - ging ihr nahe, weil sie mit ihrer Stiftung dafür gesorgt hatte, dass Wiles überhaupt noch professionell Skirennen fahren kann. "Sie ist eine große Kämpferin", lobte Vonn ihre Mannschaftskollegin. Aber: "Sie ist gestürzt, weil sie kämpfen wollte. Ich selbst habe das oft gemacht, aber ich hoffe, sie trifft künftig klügere Entscheidungen." Am Abend wurde dann die Diagnose bekannt: Wiles erlitt einen Kreuzbandriss, einen Wadenbeinbruch und einen Bruch des Schienbeinkopfes. Die Olympischen Spiele wird sie verpassen.

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Viktoria Rebensburg ist im Ziel erleichtert, unversehrt zu sein

Die deutschen Rennläuferinnen bekamen Vonns Emotionen im Ziel nur aus der Ferne mit. Viktoria Rebensburg landete als beste Deutsche auf dem elften Rang, sie war 1,10 Sekunden langsamer als die Siegerin. Auch wenn sie mit dem Ausgang des Rennens nichts zu tun hatte, wirkte Rebensburg nicht unzufrieden mit sich, eher schon erleichtert, dass sie unversehrt im Ziel angekommen ist. Es war ihre erste Abfahrt seit fast zwei Monaten. Im Olympia-Winter liegt ihr Schwerpunkt auf dem Riesenslalom, ihre beste und bevorzugte Disziplin, wo sie in dieser Saison schon drei Rennen hat gewinnen können.

Die Abfahrt unterscheidet sich erheblich davon, die Radien, die Schwünge sind länger, ruhiger als im Riesentorlauf. "Da fehlt mir ein bisschen das Gefühl", sagte Rebensburg. Ihr erstes Rennen in Korea wird am 12. Februar der Riesenslalom sein, "das Programm ist wie für sie gemacht", sagte der deutsche Alpindirektor Wolfgang Maier. Sie hoffen beim Deutschen Ski-Verband (DSV), dass Rebensburg mit einer guten Platzierung, am besten mit einer Medaille, danach entspannter und selbstbewusster die schnellen Disziplinen angehen kann. Ihre Form stimmt, auch ihre Technik. "Ich bin gut drauf und kann schnell Ski fahren", sagte die Riesenslalom-Olympiasiegerin von 2010. Das letzte Risiko, speziell nach dem Sturz von Laurenne Ross vor ihr, hatte sie in der Abfahrt von Garmisch deshalb auch gescheut, ihre Fahrt war sehr kontrolliert. "Es kann schon sein", gab Rebensburg zu, "dass Olympia im Hinterkopf ein bisschen eine Rolle spielt."

Am Sonntag steht noch die Spezialabfahrt in Garmisch auf dem Programm, mit Start am Tröglhang. Sie wolle dann ihre Skier in den Schlüsselpassagen nicht mehr so häufig querstellen, wie Rebensburg hervorhob, "meine Skier müssen mehr nach unten zeigen, damit ich mehr Tempo aufbauen kann." Auch Lindsey Vonn will weniger Fehler machen, denn eigentlich liegt ihr die Kandahar gar nicht so sehr. "Es ist so dunkel und so kurvig hier", sagte die Amerikanerin. Vor allem ihre mehrfach reparierten Bänder und Sehnen in ihren Knien mögen das gar nicht. "Aber ich weiß ganz genau, in welchen Kurven ich sauber fahren muss, um die Geschwindigkeit mitnehmen zu können."

Ihr Vorsprung auf Goggia war der knappste Rennausgang in einer Frauen-Abfahrt seit acht Jahren, damals hieß die Siegerin: Lindsey Vonn. Eine Hundertstelsekunde war sie in Crans Montana schneller gewesen als die Südtirolerin Johanna Schnarf. Mit Goggia ist ihr nun eine Konkurrentin erwachsen, die bei den olympischen Testrennen in Jeongseon vor einem Jahr zweimal gegen Vonn gewann. Vonn will das bei Olympia unbedingt wieder in die richtige Richtung drehen, zu ihren Gunsten versteht sich. "Wir respektieren uns und pushen uns gegenseitig", sagte sie in Garmisch, aber Vonn sagte auch: "Ich habe nicht alle Karten auf den Tisch gelegt, ein paar Asse habe ich mir für Olympia aufgehoben." Dann lachte sie.

Die vergangenen Winterspiele vor vier Jahren in Sotschi hatte sie wegen eines Kreuzbandrisses verpasst. Sie fährt ja vor allem deshalb noch Skirennen, weil nicht nur die 86 Weltcupsiege von Ingemar Stenmark überbieten möchte, sondern weil sie eine weitere Goldmedaille bei Olympia gewinnen will. Bisher hat sie nur 2010 in der Abfahrt von Vancouver Gold gewonnen. Für ihre Maßstäbe ist das viel zu wenig.

© SZ vom 04.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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