Ski alpin:Der Eisberg schmilzt

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"Wenn es nicht läuft, dann läuft es eben nicht. So hat das oft aufeinander aufgebaut." Nach einer langen Schwächephase voller Enttäuschungen hat Lena Dürr, hier beim Rennen in Killington, zu alter Form zurückgefunden. (Foto: Charles Krupa/AP)

Lena Dürr vom SV Germering schafft in Killington das beste Resultat seit Februar 2015 für die arg gebeutelte deutsche Slalom-Abteilung der Frauen.

Von Johannes Knuth

Die Nachbereitung eines alpinen Skirennens ist ein behördlicher, weitgehend humorfreier Akt: ins Ziel kommen, die Skier abschnallen, aber erst in dem dafür vorgesehenen Areal im Zielraum, die Skier samt Sponsor der Kamera präsentieren, winken, lächeln, in die sogenannte Leaderbox trotten, wenn man die schnellste Zeit geschafft hat, Jacke anziehen, Mütze aufsetzen, aber bitte so, dass alle Sponsorenlogos im Bild sind, winken, lächeln, und so weiter. Das alles bei Minusgraden. Lena Dürr schien am vergangenen Wochenende, nach ihrem zweiten Lauf beim Slalom in Killington, allerdings jede behördliche Anordnung zu genießen. Wie auch die lange Rückreise am Tag darauf in die Heimat, nach München, "auf jeden Fall", sagt Dürr.

Dürr verpasste Sotschi und verlor kurzzeitig die Förderung

Sie hatte das ja lange nicht mehr erlebt: Nach einem zweiten Lauf die Führung an sich zu reißen, und oben warteten nur noch wenige Fahrerinnen, die besten.

Dürr ist in Killington dann Sechste geworden. Es war das beste Resultat seit Februar 2015 für die arg gebeutelte deutsche Slalom-Abteilung der Frauen; Dürr war damals beim Slalom in Maribor als Fünfte eingetroffen. "Schwer in Ordnung", fand Wolfgang Maier, Alpindirektor im Deutschen Skiverband (DSV), den Ertrag vom Wochenende. "Geht doch", assistierte Dürr nach dem Rennen. Was freilich implizierte, dass in den vergangenen Jahren nicht allzu viel gegangen war.

Lena Dürr, 25, vom SV Germering galt vor gar nicht allzu langer Zeit als Fahrerin, die den Slalom- und Riesenslalomsport in prägen würde, international, in Deutschland sowieso. Sie vertrat den DSV 2011 bei der WM in Garmisch im Slalom und Riesenslalom, im Januar 2013 sicherte sich die damals 21-Jährige in Moskau ihren ersten Sieg im Weltcup, es war ein kurzer Parallelslalom, aber immerhin. Doch statt weiter aufzusteigen, rutschte sie in ihr erstes Tief. Und kletterte bis zuletzt nicht so recht heraus. Sie kannte das halt nicht, dieses Gefühl, dass die Dinge plötzlich nicht mehr vorangehen.

Dürr stapelte fortan Misserfolg auf Misserfolg. "Wenn es nicht läuft, dann läuft es eben nicht. So hat das oft aufeinander aufgebaut", sagt sie. Die Spiele 2014 in Sotschi verpasste sie; sie verlor auch kurzzeitig die Förderung, musste ihre Vorbereitung im Sommer selbst zahlen. Bei der WM 2015 in Beaver Creek wurde sie 13. im Slalom, doch die zarten Blüten des Erfolgs verwelkten schnell. Nach dem Rücktritt von Maria Höfl-Riesch gab es im Slalom zudem keine Fahrerin mehr, die vom Abstand des DSV zur Weltspitze ablenken konnte. Dürr rutschte in den Weltranglisten nach hinten, trug immer höhere Startnummern, fuhr auf zerfurchten Pisten. Das schmolz das Selbstvertrauen; im Slalom aber ist kaum etwas wichtiger, als seinen Instinkten zu vertrauen - weil man durch einen Parcours fährt, in dem die Hindernisse viel zu schnell auf einen zufliegen, als dass man im Rennen dafür Lösungen erarbeiten kann. Dieses Vertrauen, die Sicherheit, "das hat einfach gefehlt", sagt Dürr. Sie forschte nach Ursachen, und manchmal stellte sie nach einer langen Vorbereitung fest, dass sie den ganzen Sommer gegen sich gearbeitet hatte, in einem durchwachsenen Trainingslager etwa. "Bis du kapierst, dass der Weg falsch ist", hat sie damals gesagt, "ist es oft schon zu spät."

Noch ist die neue Saison jung, aber allmählich glaubt Dürr, dass ihre lange Suche der Sicherheit bald ein Ende haben könnte. "Ich habe in der Vorbereitung etwas am Schuh verändert. Ansonsten haben wir so weitergemacht wie bisher, ganz in Ruhe", sagt sie. Vielleicht war das ja der Schlüssel, um die Dinge wieder ins Gute zu wenden: Dass sie nicht allzu viel veränderte.

Den Riesenslalom beim Auftakt in Sölden bestritt sie noch mit hoher Startnummer, sie schaffte es trotzdem in den zweiten Durchgang. Im Slalom, der es zuletzt besser mit ihr gemeint hatte, wurde sie Zwölfte in Levi, dann der sechste Platz in Killington, so früh hatte sie in den vergangenen Jahren selten in eine gute Form gefunden. "Weil man nie aufgehört hat, weiterhin zu kämpfen", sagt Dürr.

Sie findet zum dynamischeren, kürzeren Schwung zurück

So lange und hartnäckig ihr Eisberg an Zweifeln angewachsen war, so schnell kann er manchmal wieder schmelzen. Eigentlich, sagt Dürr, reiche es, zwei gute Läufe aneinanderzuknüpfen. Wie in Killington, wo sie, gestärkt von neuer Sicherheit, auch wieder einen kürzeren Schwung fuhr. Sprich: Sie wartete vor dem Tor wieder länger, bis sie zur Kurve ansetzte, dann kantete sie den Ski ganz kurz ins Eis und gab ihn wieder frei. "Jetzt hoffe ich, dass ich den schnellen Schwung nach Sestriere mitnehmen kann", sagt sie, für die Technik-Weltcups am übernächsten Wochenende. Und bis zur WM in St. Moritz im Februar, für die sie sich mit dem sechsten Platz in Killington qualifiziert hat. Der Slalom vom Wochenende soll nicht die letzte ausgiebigere Nachbereitung in diesem Winter gewesen sein.

© SZ vom 01.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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