Ski alpin:Das vorletzte Betriebsgeheimnis

2017 Audi FIS Ski World Cup Finals - Ladies' & Mens' Downhill

Gesamtsieger ohne Einzelerfolg: Der Italiener Peter Fill mit der Kristallkugel für den besten Abfahrer dieses Winters.

(Foto: Sean M. Haffey/Getty)

Der Italiener Peter Fill sichert sich zum zweiten Mal die Weltcup-Wertung in der Abfahrt - ohne in diesem Winter eine Abfahrt gewonnen zu haben.

Von Johannes Knuth, Aspen/München

Die Frage ereilt früher oder später jeden Sportler, der viele Dinge richtig macht, sie hat also neulich auch den Skirennfahrer Peter Fill erreicht: die Frage nach dem Erfolgsgeheimnis, klar. Die Auskünfte darauf sind oft heiter bis wolkig, kein Athlet veröffentlich sein Betriebsgeheimnis, er verrät bestenfalls vorletzte Erkenntnisse. Aber manchmal ist ja auch die vorletzte Wahrheit interessant.

Fill erzählte vor ein paar Wochen also von seiner Saison, die es gut mit ihm gemeint hatte und bald noch besser mit ihm meinen würde. Er erzählte vom ehemaligen Edelabfahrer Lasse Kjus, sein "großes Vorbild", das er oft plagiiere. "Ich versuche, auch so zu fahren, sehr geschlossen", sagte Fill, ohne hektische Lenkmanöver. "Das schaut meistens nicht nach vollem Angriff aus, fast gemütlich", aber das mache nichts, die Fahrweise sei ja auch so gewinnbringend. Fill sagte: "Das ist schnell."

Peter Fill aus Kastelruth in Südtirol war im vergangenen Winter der beste Abfahrer, und so war es mäßig überraschend, als der 34-Jährige sich beim Weltcupfinale in Aspen jetzt erneut die Disziplinwertung der Schnellfahrer sicherte. Was Fills Triumph freilich nichts an Wert nahm. Zum einen war es ein spannendes Finale gewesen, Fill war mit 33 Punkten Hypothek auf Kjetil Jansrud gestartet - dann wehte es Jansrud auf Rang elf zurück, Fill wurde Zweiter, entwendete dem Norweger den Gesamtsieg. Andreas Sander, als Sechster bester Deutscher, trug sein bislang bestes Abfahrtsergebnis in die Wertung. Zum anderen stammten die besten Abfahrer seit Erfindung der Abfahrten meistens aus Österreich und der Schweiz; die Italiener (oder Südtiroler), wie Gustav Thöni oder Alberto Tomba, reüssierten in den Technik-Wettbewerben. Bis Fill 2016 in einem tränengetränkten Finale die Abfahrtswertung gewann, an die er nun einen zweiten Gesamtsieg knüpfte. Obwohl er in diesem Winter zwar einen Super-G, dafür keine Abfahrt gewonnen hatte; er wurde viermal Zweiter, einmal Dritter. Na und?

"Keine Ahnung", sagte Fill am Mittwochabend in Aspen auf die Frage, warum ihm ein Einzelsieg in der Königsdisziplin diesmal verwehrt geblieben war. Ich bin ein guter Skirennfahrer", er lachte, "nur nicht gut genug, um zu gewinnen."

Das erzählte freilich schon eine Menge über Fills Kernkompetenz: die Konstanz. Er ist keiner wie Hermann Maier, der sich vor Abfahrten in einen Zustand des Animalischen trieb, keiner wie Bode Miller, dessen Fahrten sich niemand entgehen ließ, weil alle wissen wollten, was Miller diesmal anstellen würde - auf einem Ski, zwei oder gar keinem, wenn es den Amerikaner wieder abwarf. Fill fährt eher wie Kjus, er kommt mittlerweile nicht mehr nur gut um die Kurven, er hat sich auch passable Gleitfähigkeiten antrainiert. Das sieht halt nicht immer spektakulär aus, aber manchmal liegt das Besondere auf den zehrenden Eisautobahnen der Abfahrer ja darin, nicht allzu viel Besonderes anzustellen.

Fill hat ein wenig gebraucht, um sich an die Spitze zu tasten. Er brachte es nach einer Lehre zum Karosseriespengler zu kleinem Ruhm, Gold bei der Junioren-WM 2002 im Super-G, im November 2008 der erste Sieg in der Abfahrt von Lake Louise. Bis zu seinem zweiten Sieg vergingen acht Jahre. Dazwischen steckte fast alles, was in ein Skirennfahrerleben passt: WM-Silber 2009 im Super-G, Sehnenriss, Comeback, Sturz bei Olympia 2010, WM-Bronze in Garmisch in der Kombination, der nächste Sturz. Irgendwann beschloss Fill, sich nicht mehr mit Plätzen im Mittelfeld zufriedenzugeben. Manche, die ihn kennen, verorten diesen Moment bei der Geburt seines Sohnes vor drei Jahren. Der Abstand zu seinem Beruf scheint ihn tatsächlich näher an den Erfolg gerückt zu haben. "Meine Familie gibt mir sehr viel Kraft", sagt Fill.

Ein paar Rennen will Fill schon noch gewinnen, er sei eben ein Spätzünder, hat er neulich gesagt. Das Projekt Gesamtweltcup hat er allerdings stillgelegt, das zusätzliche Personal, das man einem Fahrer dafür beschaffen müsste, kann sich der italienische Verband nicht leisten. Die schweren Tage sind vorbei, als manche Hotels Fill und seine Kollegen nicht aufnahmen, weil sie befürchteten, der Verband könnte die Rechnung nicht bezahlen. Aber sparen müssen sie halt noch immer. Fill will jetzt jedenfalls erst einmal den Sommer genießen, nach seinem Gesamtsieg im Vorjahr absolvierte er viele Termine, diesmal will er mit der Familie urlauben. Vielleicht als erstes Erfolgsgeheimnis für den kommenden Winter.

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