Ski alpin:Aus dem Korsett

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Die Schweizerin Lara Gut kämpfte lange gegen hohe Erwartungen. Mittlerweile ist sie gereift - und duelliert sich mit der Amerikanerin Lindsey Vonn um den Gesamtweltcup.

Von Johannes Knuth, München

Die Skirennfahrerin Lara Gut hat vor ein paar Tagen ein Jubiläum zelebriert. Am Dienstag jährte sich ihr erstes Podium im alpinen Ski-Weltcup, Gut wurde damals Dritte in der Abfahrt von St. Moriz, acht Jahre ist das jetzt her. Gut hatte sich mit Startnummer 32 furchtlos auf die Piste geschoben, sie stürzte im Zielhang, kreiselte über die Ziellinie, aber weil sich ein Ski nicht aus der Bindung gelöst hatte, zählte ihre Zeit: Platz zwei, den später noch eine gewisse Tina Maze übertraf. Gut war damals übrigens 16 Jahre alt. Zum Jubiläum schickten ihr die Fans nun also Glückwunsch-Botschaften, per Twitter, so wie es sich heute gehört. Auf einer digitalen Grußkarte hatte der Absender ein Video von Guts Sturz angehängt. Darüber stand: " . . .und die ganze Schweiz verliebte sich in dieser Sekunde in Lara Gut."

Es könnte schlechter laufen in diesen Tagen für Lara Gut, 24. Vier Mal hat sie im aktuellen Winter einen Weltcup gewonnen. Sie trägt verlässlich Punkte in die Wertung, im Riesenslalom, Super-G und in der Abfahrt. Die Führung im Gesamtweltcup hat sie zwar nicht nach Garmisch-Partenkirchen mitgebracht, die ist vor Kurzem in den Besitz von Lindsey Vonn gewandert. Vonn gegen Gut, dieser Zweikampf wird aber den Weltcup in Garmisch prägen; 45 Punkte trennen die beiden vor Abfahrt (Samstag) und Super-G (Sonntag). Skifahren, hat Gut neulich gesagt, sei zu 90 Prozent eine Kopfsache, man kann ihr das mittlerweile als Vorteil auslegen. Früher war es eher eines ihrer größten Probleme.

Die Schweizerin Lara Gut im ersten Lauf beim Riesenslalom in Maribor, Slowenien. (Foto: Marco Trovati/dpa)

Wie es eben so ist in Beziehungen: Es gibt gute und weniger gute Zeiten, und im Fall von Gut und den Schweizern kann man durchaus sagen: Es war während der vergangenen acht Jahre kompliziert.

Gut war 16, als sie sich in St. Moritz unerwartet aufs Podium drängelte. Sie sprach fünf Sprachen, Italienisch, als Tessinerin ihre Muttersprache, Französisch, Deutsch, Schweizerdeutsch und Spanisch, weil sie als Kind mit der spanischen Skirennfahrerin Maria Rienda Contreras trainierte. Die Kombination aus Alter, Erfolg und Sprachgewandtheit führte zu Erwartungen, "Supertalent", dieses Etikett baumelte früh an ihrem Namen. Gut hatte so ihre Probleme damit, als Teenager auf der Weltcup-Bühne aufzuwachsen, ihr Leben ausleuchten zu lassen. Sie baute ihr eigenes Skiteam auf, gelenkt von Vater Pauli. Sie war erfolgreich, 16 Weltcup-Siege sind es mittlerweile, dazu eine olympische Bronzemedaille in der Abfahrt 2014, sie stritt sich aber auch mit Swiss Ski, dem Verband, vor allem um ihre Vermarktung. Gut forderte mehr Freiheiten für eigene Sponsoren im Korsett des Verbands. Als sie sich weigerte, die Verbandskleidung zu tragen, suspendierte sie Swiss Ski für zwei Rennen. Hinzu kamen Verletzungen, vor allem an der Hüfte. Irgendwann, erinnert sich Gut, habe dann die Hüfte entschieden: "Wir nehmen uns eine Auszeit. Dann habe ich ein paar Jahre mit mir selbst gekämpft."

Wenn man Gut heute über damals fragt, klingt Gelassenheit aus ihrer Stimme, nur eine Spur Unverständnis. "Ich hatte nie wirklich Zeit zu lernen, wie man mit den Erwartungen umgeht", sagt sie. Als 17-Jährige habe man ja genug Mühe, mit seinem Leben umzugehen, und plötzlich, erinnert sich Gut, "musst du ständig aufpassen, was du sagst. Weil gleich eine ganze Nation eine Meinung dazu hat." Sie gab nicht immer Auskunft, sie stritt sich mit Journalisten, das brachte ihr den Ruf ein, arrogant zu sein. Es war nun mal Lernprozess, verteidigt sie sich heute. Wobei Gut mildernde Umstände geltend macht: "Es ist nicht einfach, wenn du dich ständig wie eine 30-Jährige benehmen sollst. Ich musste immer erwachsen sein." Und jetzt?

"Ich habe gelernt, nur auf mich zu schauen:" Lara Gut, 24, ist nach frühen Erfolgen und schweren Jahren im Weltcup in diesem Winter so konstant wie selten zuvor. (Foto: Marco Trovati/AP)

Gut wird im kommenden April 25. Sie lässt die Erwartungen an sich abperlen, so hat es zumindest den Anschein. Fragen nach dem Gesamtweltcup zum Beispiel. "Ich habe gelernt, dass ich mein Ding mache und nur auf mich schauen", sagt sie, es ist eine Phrase, aber Gut nimmt man das ab. Ihr Vater ist noch immer der Chef, aber seit einer Weile beim Verband angestellt; Gut selbst ist mittlerweile im Frauen-Team integriert, phasenweise. Seit diesem Winter arbeitet sie mit diversen ehemaligen Skirennfahrern zusammen, mit Daniel Albrecht und Didier Cuche zum Beispiel; vom letzteren übernahm sie gleich noch den Servicemann, als sie im Sommer den Ausrüster wechselte. "Früher wäre ich wohl nicht reif genug gewesen, um links und rechts zuzuhören", sagte sie zuletzt dem Schweizer Fernsehen. Und jetzt? "Ich kann jetzt immer so fahren, wie ich das eigentlich kann. Nicht mehr einen Tag gut und dann wieder drei Tage schlecht."

Haben sie vielleicht die Erfolge irgendwann gelassener gemacht? "Ich selbst war eigentlich immer zufrieden mit mir", sagt Gut. Sie lacht.

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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