Ski alpin:Auch ein Bänderriss hält Mikaela Shiffrin nicht auf

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"Ich war nicht der beste Patient", sagte Mikaela Shiffrin über ihre zweimonatige Verletzungspause. (Foto: AP)
  • Mikaela Shiffrin gewinnt gleich das erste Weltcup-Slalom-Rennen nach ihrer zweimonatiger Verletzungspause.
  • Dabei dachte Shiffrin, dass der Bänderriss im rechten Knie ihre Saison vorzeitig beenden würde.
  • Weswegen die US-Amerikanerin auch zugibt: "Ich war nicht der beste Patient".

Von Johannes Knuth, Crans-Montana/München

Mikaela Shiffrin wirkte gefasst, beinahe ein wenig verloren, wie ein Tourist, der sich im kleinen Zielraum von Crans-Montana verirrt hatte. Machte ihr noch der zweite Durchgang zu schaffen? Ein Lauf, der sich "wie ein Rodeo" angefühlt hatte, wie Shiffrin später sagen würde? Vielleicht war es auch die weiche, zerfurchte Piste. Es gibt leichtere Bedingungen für den ersten Arbeitstag nach einer längeren Krankmeldung. "In so etwas bin ich noch nicht gefahren, das war hart", gestand Shiffrin.

Vielleicht war es aber auch einfach nur jene Reaktion, die die Amerikanerin für gewöhnlich unmittelbar nach ihren Siegen zeigt: ruhig, kontrolliert, ausbalanciert, so wie sie ihre Rennen fährt. Am Ende erinnerte dieser Slalom am Montag ja schon wieder frappierend an den Beginn der Saison: An ein Rennen, das Mikaela Pauline Shiffrin, 20, aus Avon/Colorado so sicher verwaltete, dass es phasenweise schon fast wieder kein richtiges Wettrennen mehr war.

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Mit 18 wurde die Amerikanerin Olympiasiegerin, und in Aspen hat sie nun mit drei Sekunden Vorsprung gewonnen. Das bodenständige Talent wird rasant erwachsen - jetzt will sie den Gesamtweltcup.

Von Johannes Knuth

Shiffrin hat sich bislang nie von Verletzungen aufhalten lassen

Shiffrins Erfolg im Schweizer Skiort, 0,45 Sekunden vor der Französin Nastasia Noens, war ihr erster nach 65 Tagen Verletzungspause. Es war ihre erste Auszeit überhaupt gewesen, nach fünf Dienstjahren im Weltcup. "Ich bin wirklich erleichtert", sagte Shiffrin nach dem ersten Lauf, "ich hatte bei meiner Fahrt keine Ahnung, wie ich im Vergleich mit den Konkurrentinnen stehe."

Shiffrin hat in ihrem Sportlerleben bislang Medaillen und Siege mit erstaunlicher Routine beschafft, zwei WM-Titel im Slalom, einen Olympiasieg, drei Erfolge im Disziplinen-Weltcup; man vergisst schnell, dass sie im kommenden Monat erst 21 wird. Allein: Wie man das Protokoll nach einer der branchenüblichen Verletzungen abarbeitet, das hatte sie bislang noch nicht erlebt. Ehe sie im vergangenen Dezember in Schweden stürzte. "Ich war nicht der beste Patient", gab sie zuletzt zu.

Shiffrin war zuvor nur einmal schwer verunfallt, hat sie einmal erzählt, mit elf Jahren. Sie raste in einem Geländepark auf einen Sprung zu, ohne zu bremsen ("Die Jungs haben sich das damals nicht getraut. Ich dachte, das sind alles Waschlappen."). Shiffrin prallte weit hinter der Landezone auf, sie brach sich das Handgelenk. Na und? Sie fuhr halt mit einer Schiene weiter.

Ihre Eltern übten schon damals oft mit ihr, am Schwung, an der Körperhaltung auf den Skiern, auch deshalb stürzte Shiffrin fortan nie schwer. Bis zum vergangenen Dezember. Sie fuhr sich vor dem Riesen- slalom in Åre warm, ein Flüchtigkeits- fehler, Bänderriss im rechten Knie. Das Saisonaus, dachte sie. Es ging ein wenig hin und her, vor einer Woche gab Shiffrin dann bekannt, dass sie in Crans-Montana mitmachen werde. Jeder Sturz hinterlässt ein paar Schrammen in einer Skifahrer-Psyche, einerseits. Andererseits: Shiffrin hatte die ersten Slaloms des Winters dominiert, in Aspen hatte sie 3,07 Sekunden zwischen sich und den Rest gelegt. 3,07 Sekunden.

Shiffrins erster Lauf am Montag war noch verhalten. Ihr Oberkörper, mit dem sie sich oft mutig Richtung Tal lehnt, geriet in Rücklage. Sie rutschte an jedem Tor ein wenig, verlor Halt und Zeit. Erst im unteren Teil fuhr sie besser, sie führte, knapp. Auch im zweiten Lauf holpert es bei den ersten Schwüngen.

Und dann fuhr da schon wieder die Shiffrin aus den frühen Wintertagen. Sie beendete ihre Schwünge früh, beschleunigte mit den Unterschenkeln an jedem Tor, so stabil und ausbalanciert, dass man kaum merkte, wie viel Kraft sie für diese Balance aufbringen muss. Es war Shiffrins 18. Weltcup-Sieg; Christina Geiger wurde als beste Deutsche 15., Lena Dürr 18..

Die Hoffnung auf ein wenig Spannung bei den restlichen Rennen dürfte sich damit bereits wieder zerschlagen haben. "Heute musste man mental stark sein", sagte Shiffrin am Montag, "ich bin froh, dass ich das schon wieder bin. Diese Komponente lässt sich am schwersten wiederherstellen." Die Slalomwertung kann sie nicht mehr gewinnen, sie kann sich dafür einstimmen für die WM-Saison 2017, auch für eine weitere Bewerbung für den Gesamtweltcup.

Die vergangenen Wochen waren nicht einfach, einmal, erzählte sie der Agentur AP, habe sie minutenlang ihre Eltern angeschrien: Sie sollten aufhören, über ihr Comeback zu reden. Bis ihre Mutter fragte: "Mikaela warum schreist du noch immer? Es sagt längst niemand mehr etwas."

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Sie habe immerhin gelernt, wie sehr ihr der Sport gefehlt habe, sagte Shiffrin; die 20-Jährige besitzt ja überhaupt eine Gabe dafür, aus (bislang meist kleinen) Rückschlägen zu lernen. Jeden Tag ein wenig besser werden, das war das Leitmotto, mit dem die Shiffrins die Karriere ihrer Tochter früh anschoben. Und manchmal drängt sich der Eindruck auf, als ziehe Shiffrin ihre Kraft tatsächlich weniger aus Erfolgen, sondern aus Fehlern und Niederlagen.

Sie habe auch einiges aus den Rückschlägen der anderen gelernt, hat Shiffrin vor einem Jahr gesagt, nach der schweren Verletzung samt Comeback von Teamkollegin Lindsey Vonn. "Es gibt Athleten", so Shiffrin, "die sind so gut, so stark, dass du sie nicht aufhalten kannst."

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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