Schiedsrichter:Ein Fall von verschärfter Rechthaberei

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Schiedsrichter Manuel Gräfe klagt die Missstände im eigenen Lager an. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die deutschen Schiedsrichter streiten sich und lassen die Zuschauer verwirrt zurück. Wer hat denn nun recht: Gräfe, Fandel oder ein ganz anderer Experte?

Kommentar von Philipp Selldorf

Die vielfältige Präsenz der Schiedsrichter im öffentlichen Fußball-Leben soll für mehr Durchsicht in Fragen der sportlichen Rechtsprechung sorgen, tatsächlich trägt sie aber eher zur Verwirrung der Zuschauer bei.

Es beginnt damit, dass viele Medienorgane, die sich der Bundesliga widmen, ihren eigenen emeritierten Schiedsrichter als Experten beschäftigen: Der eine heißt Peter Gagelmann, der andere Markus Merk, der dritte Bernd Heinemann, der vierte Thorsten Kinhöfer - und jeder der Herren sieht sich kraft seiner ehemaligen Amtsgewalt als Autorität mit Urteilsvermögen in allen Themen des Schiedsrichterwesens. Dies führt, wie oft in der Juristerei, zu einem Wettstreit der Meinungen, denn die Fußballregeln sind zwar einigermaßen eindeutig, das Spiel an sich ist aber sehr komplex.

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Es sollte ein Friedensgipfel sein - doch danach verstärkt Bundesliga-Referee Manuel Gräfe seine Kritik an zwei Schiedsrichter-Funktionären.

"Sehr unfein", öffentlich zu streiten

So kommt es vor, dass ein Fachmann im Live-Sender ein klares Foul des Spielers A am Spieler B feststellt, während der Fachmann im anderen Sender sagt, es sei Spieler B gewesen, der gefoult habe. Und so konträr, wie manchmal die Ansichten über dieselbe Szene ausfallen, so vieldeutig sind folgerichtig die Grundlagen des Videobeweises, der inmitten der fachlichen Kontroversen auf wackligem Boden installiert wurde. Doch darum geht es im aktuellen deutschen Schiedsrichterstreit nur am Rande.

Mit verschärfter Rechthaberei hat der Fall aber schon zu tun, was die Auseinandersetzung, die der rebellische Referee Manuel Gräfe in die Öffentlichkeit getragen hat, für Unbeteiligte besonders undurchsichtig macht. Involviert sind auf der Gegenseite die Funktionäre Hellmut Krug und Herbert Fandel sowie Gräfes Chef beim DFB, Lutz Michael Fröhlich, der sich in dem lange schwelenden, längst nicht mehr diskret geführten Konflikt um Schlichtung bemüht hatte und damit erst mal ziemlich gescheitert ist.

Trotz Friedensverhandlungen im DFB-Hauptquartier hält Gräfe die Behauptung aufrecht, dass Krug und Fandel im Rahmen ihrer vormaligen Tätigkeiten beim DFB ein System aus Begünstigung und Repression errichtet hätten und aus dem Dienst scheiden sollten.

Die TV-Experten walteten sogleich ihres Amtes und äußerten sich zur Affäre: Der eine (Gagelmann) nannte es "sehr unfein", öffentlich zu streiten, der andere (Merk) sagt dem Aufrührer Gräfe persönliche Motive nach ("da ist viel Frust dabei"). All das lässt sich, wenn man nicht gerade der Familie angehört, von außen kaum bewerten, es gibt keinen objektiven Beweis, der für oder gegen eine der beiden Parteien spricht. Aber wenn Gräfe von "unzulänglicher Handhabung des Videobeweises" spricht und diese dem zuständigen Projektleiter Krug anlastet, dann ist man als Laie sofort geneigt, sich auf seine Seite zu schlagen.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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