Schach-WM:Zum Remis mit einem isolierten Bauern

Magnus Carlsen, Vishwanathan Anand

Der amtierende Weltmeister Magnus Carlsen und sein Herausforderer Vishwanathan Anand bei der Schach-WM in Sotschi.

(Foto: AP)

Fünf Stunden Spielzeit und am Ende: unentschieden. Titelverteidiger Magnus Carlsen aus Norwegen und der Inder Viswanathan Anand lieferten sich bei der Schach-WM in Sotschi eine recht friedliche vierte Partie. Carlsen wollte keinen scharfen Kampf - und Anand zeigte, dass er dazugelernt hat.

Von Martin Breutigam

"Typisch Isolani" - mit diesen Worten fasste Viswanathan Anand, 44, das Grundthema der vierten Partie der Schach-WM in Sotschi zusammen. Der indische Herausforderer dachte gewiss nicht an den gefürchteten General Isolani aus dem Dreißigjährigen Krieg, zumal die vierte Partie gegen Weltmeister Magnus Carlsen, 23, verglichen mit den spektakulären Runden zuvor recht friedlich verlief: Remis nach fünf Stunden Spielzeit.

Anand dachte an seinen Isolani in der Brettmitte. Isolani nennt man im Schach nämlich einen Bauern, auf dessen benachbarten Reihen keine eigenen Bauern mehr stehen, sodass der isolierte Bauer nur von höherwertigen Figuren geschützt werden kann. Der Isolani neigt daher zur Schwäche, er kann aber auch zur Stärke werden, wenn eigene Figuren die vom Isolani kontrollierten Felder als Stützpunkte nutzen können. Und genau dies schien Anand zu gelingen, als er im 19. Zug einen Läufer auf dem Feld e4 verankerte (siehe Notation).

Wie flexibel und lernfähig der Inder ist, zeigte er schon im ersten Zug, indem er komplett das System wechselte: Carlsen eröffnete wieder mit dem Königsbauern, aber Anand antwortete diesmal 1...c5 - Sizilianisch! In der zweiten WM-Partie hatte er 1...e5 erwidert - und verloren.

Carlsen zeigte am Tag nach seiner schweren Niederlage kein Interesse an einem scharfen Kampf und wählte seinem Stil getreu eine ruhige Nebenvariante. Als die Eröffnungsphase abgeschlossen war (nach 17...Tad8), glaubte Anand den Weg zur besten Verteidigung gefunden zu haben. "Alles, was ich brauchte, war den Läufer auf d5 und den Springer auf h7", sagte er nach der Partie. Tatsächlich standen diese beiden Leichtfiguren irgendwann auf den besagten Feldern und der Springer wurde plangemäß zu besseren Plätzen beordert (23...Sf8 und 27.Se6).

Bauernstruktur mit gesundem Eindruck

Trotzdem schien Anand noch nicht ganz auf der sicheren Seite zu sein, Carlsens Bauernstruktur machte immer noch den etwas gesünderen Eindruck. Im 32. Zug war schließlich ein kritischer Moment erreicht: An guten Tagen hätte Carlsen wohl seine Dame aufs Feld e5 geschoben und Anand damit vor eine unangenehme Wahl gestellt: Entweder Damen tauschen und versuchen, ein schwieriges Springerendspiel zu verteidigen, oder lieber die Dame in eine passive Stellung zurückziehen. Auf diese Weise hätte der Norweger zumindest noch ein bisschen Druck machen können.

Carlsen stellte aber nicht seine Dame, sondern den Springer aufs Feld e5. "Ich dachte, ich hätte ein bisschen Vorteil", sagte Carlsen hinterher, "aber dann habe ich den Trick mit Springer f4 übersehen." (Das zunächst geplante 33.Sc6 wäre ein Fehler gewesen, wegen 33...Sf4+ 34.gxf4 Dg6+ nebst 35...Dxc6.) Hinterher haderte Carlsen, sein Spiel habe in den Partien drei und vier "keine hohe Qualität" gehabt.

Immerhin, er bemerkte Anands Trick noch rechtzeitig. Der kleine Vorteil hatte sich aber verflüchtigt. Gegen Ende musste Anand nur noch einen Präzisionszug finden (41...Dd2), was ihm ohne große Mühe gelang. Damit steht es 2:2.

Nach einem Ruhetag wird Anand am Freitag die fünfte Partie mit Weiß eröffnen.

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