SC Freiburg:Der Mann, der sich furchtlos in Kuhfladen wirft

Lesezeit: 3 min

Ballmagnet: Auch dank der starken Saison von Torwart Alexander Schwolow steht der SC Freiburg auf einem einstelligen Bundesliga-Tabellenplatz. (Foto: Wittek/EPA)
  • Der Freiburger Alexander Scholow hat sich mit irren Paraden zu einem begehrten Torhüter in der Bundesliga entwickelt.
  • Sein Beispiel zeigt, dass man auch über den Umweg Dritte Liga sein großes Ziel noch erreichen kann.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen und zur Tabelle der Bundesliga.

Von Matthias Schmid, Freiburg/München

Wenn es stimmt, dass Linksaußen und Torhüter alle eine Macke oder eine Marotte haben, wie es der österreichische Fußball-Gelehrte Max Merkel einmal formuliert hat, dann muss man bei Alexander Schwolow lange nach so etwas suchen. Auf den ersten Blick findet man nichts. Der Keeper des SC Freiburg kommt so aufrichtig daher, dass man ihm jede noch so unnötig erscheinende Versicherungspolice abkaufen würde. Etwas stutzig wird man erst, wenn man erfährt, welchem Vorbild dieser Schwolow einst nacheiferte: Oliver Kahn. Dem früheren Bayern-Profi kann man ein gewisses Faible für Verrücktheiten und Skurrilitäten nicht absprechen. "Kahn und Buffon waren Torhüter, deren Skills ich mir abgeschaut und mit denen ich mitgefiebert habe", erzählt Schwolow.

Mittlerweile soll es immer mehr jugendliche Torhüter geben, auch außerhalb Freiburgs übrigens, die auf dem Rasen Schwolows Reflexe und Flugeinlagen nachspielen. Der 24-Jährige hat sich in seiner ersten Bundesligasaison als zweitjüngster Stammkeeper mit zwei gehaltenen Elfmetern und mehreren irren Paraden zu einem der prägenden Torhüter der Liga entwickelt. Mit ihm darf Aufsteiger Freiburg als Achter mit zwei Punkten Rückstand auf Rang sechs sogar von der Europa League träumen. Schwolow ist dabei ein gutes Beispiel, dass auch der Umweg über die dritte Liga mit etwas Verspätung noch zum großen Ziel führen kann. "Ich hatte in Bielefeld ein tolles Jahr", findet Schwolow im Rückblick.

Es dauerte aber einige Zeit, bis er das selbst geglaubt hat. Als ihn Freiburgs Cheftrainer Christian Streich im Sommer 2014 nach Bielefeld schickte, um zu lernen und vor allem regelmäßig zu spielen, "war ich zunächst doch sehr, sehr enttäuscht", wie Schwolow es ausdrückt. Es war der erste ernsthafte Bruch in seiner Karriere, die bis dahin so lehrbuchhaft geradlinig verlaufen war. Er war gerade 16 Jahre alt geworden, als er sich allein von Wiesbaden aufmachte nach Freiburg, um das Internat des Sportclubs zu besuchen, deren Leiter ein gewisser Christian Streich war. "Er war in der Fußballschule der prägende Charakter", erinnert sich Schwolow, "dem ich auch bei meiner Persönlichkeitsentwicklung viel zu verdanken habe."

Die Mutter wollte ihren Sohn damals nicht wegschicken. Doch auch sie konnte aus der Ferne beobachten, wie sich ihr Bub in einen selbstständigen Erwachsenen verwandelte, der die Schule mit dem Abitur abschloss. "Das war eine unglaublich schöne und lehrreiche Zeit, die ich nie vergessen werde", sagt Schwolow. Er spielte später unter Streich in der U 19 und durfte sich auch das Nationaltrikot in diversen Jugend-Nationalmannschaften überstreifen, obwohl seine Mitkonkurrenten Marc-Andrė ter Stegen oder Bernd Leno hießen. Im Mai 2014 debütierte er in der Bundesliga.

Und dann plötzlich dritte Liga, ein brutaler Absturz. "Ein Rückschritt", wie Schwolow zugibt, weil er im ersten Moment glaubte, dass er sich auf diese Weise von der ersten Liga immer weiter entfernte. Zwei Jahre sollte er in Bielefeld die Bälle halten - so sah es das Leihgeschäft zwischen Freiburg und Arminia vor. Doch nach dem Abstieg des SC holte Streich ihn schon ein Jahr später zurück, weil der Stammtorhüter Roman Bürki zu Borussia Dortmund wechselte. Schwolow kehrte selbstbewusster, stärker und reifer in den Breisgau zurück. Er war mit Bielefeld aufgestiegen und einer der auffälligsten Torhüter in der dritten Liga. Eine Führungsfigur.

"Ich hatte nie daran gezweifelt, dass es schiefgehen könnte", sagt Schwolow heute. Was ihn während seiner Leiharbeit besonders imponierte, war die Art und Weise, wie die Freiburger in dieser Zeit mit ihm umgingen. Streich schickte immer wieder Kurzmitteilungen aufs Handy mit aufmunternden Worten, oder er rief ihn an. Auch andere Führungskräfte taten das. Schwolow fühlte sich wertgeschätzt, weiter als vollwertiges Freiburger Mitglied. "Das rechne ich ihnen hoch an", sagt er.

Nach einem Jahr in der zweiten Liga spielt er nun endlich in der Bundesliga, in einer Klasse, die vielen Internatsschülern ein Leben lang verwehrt bleibt. Er ist ein mitspielender Torhüter mit ausgezeichneten Reaktionen, der gerne auch den Libero gibt wie Manuel Neuer, den er bewundert: "Der ist unfassbar gut in allem." Auch Schwolow hält inzwischen aber so aufregend, dass der HSV und Leverkusen interessiert sein sollen. Schwolows Vertrag endet nach dieser Spielzeit, erste Gespräche über eine Weiterbeschäftigung hat Freiburg mit ihm schon geführt.

Schwolow spricht vom Klassenerhalt, nicht von der Europa League

"Es sieht gut aus, aber wir machen uns keinen Stress, weil wir erst die nötigen Punkte für den Klassenerhalt holen wollen", sagt Schwolow. Er sagt tatsächlich Klassenerhalt, nicht Europa League. "Aber ich mache mir jetzt keine Gedanken darüber, dass wir einbrechen werden."

Irgendwelche Macken kann man bei Alexander Schwolow wahrlich nicht finden. Die einzige Extravaganz, die er sich als Junge leistete, waren die Zaunpfosten der benachbarten Kuhweide, die er sich für ein selbst gebasteltes Tor ausborgte. Er stellte sich hinein und warf sich furchtlos in die Kuhfladen.

© SZ vom 31.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Diego Contento bei Girondins Bordeaux
:Dem FC Bayern gehen die Münchner aus

Diego Contento erreichte drei Champions-League-Finals, danach verschwand der gebürtige Münchner Richtung Frankreich. Seine Geschichte verdeutlicht das Nachwuchs-Dilemma bei Bayern.

Von Jonas Beckenkamp

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: