Rodel-Olympiasieger Felix Loch:Auf der Wasserrutsche zu Gold

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Felix Loch: mit Akribie zum Olympiasieg (Foto: dpa)

Rodler Felix Loch sichert der deutschen Mannschaft auch bei den Spielen in Sotschi den ersten Olympiasieg - wie schon vor vier Jahren in Vancouver. Trotz seines gewaltigen Vorsprungs hatte er im schwierigen Eiskanal einige Tücken zu überwinden.

Von Volker Kreisl

Vor drei Jahren schon hatte Felix Loch eine neue Schale bekommen. Die Schale ist ein wichtiger Teil des Schlittens, die Liegewanne musste passen, damit auf den vielen folgenden Fahrten alles stimmte: Schwerpunkt, Beweglichkeit, Konzentration. Für den Rodler Felix Loch aus Berchtesgaden waren all die Rennen ja letztlich nur Etappen auf dem Weg zu dem einen entscheidenden Endpunkt: der Zieleinfahrt nach dem vierten Lauf bei den Olympischen Spielen in Sotschi.

Seit Sonntagabend steht fest: Die Schale hat gepasst. Felix Loch hat dem wachsenden Erwartungsdruck in seiner Heimat standgehalten und seinen Olympiasieg von 2010 neu aufgelegt. Und es war auch eine Wiederholung der Begleitumstände. In Vancouver ging es um die erste Goldmedaille für die deutsche Mannschaft, nun in Sotschi um die erste Medaille überhaupt. Ein Olympiateam besteht aus jeder Menge Sportler, die nichts miteinander zu tun haben, bleibt aber der erste Sieg aus, dann wird daraus schnell eine kränkelnde Einheit, die an wachsender Nervosität leidet.

Im Nachhinein betrachtet war das Bangen aber ganz umsonst. Vermutlich war noch nie ein Olympiasieg derart zuverlässig angekündigt. Sogar im Rodelsport, in dem es seit Jahrzehnten immer einen gab, der die anderen überragte, bleiben ja kleinere oder größere Fetzen von Spannung übrig. Nicht aber bei diesem Olympiasieg 2014.

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Felix Loch fuhr mit einem Vorsprung von 0,476 Sekunden ins Ziel. Mit aufs Podium kamen der Russe Albert Demtschenko, 42, als Zweiter und der Italiener Armin Zöggeler als Dritter. "Viel überlegener kann man nicht gewinnen", sagte Thomas Schwab, der Generalsekretär des Bob- und Schlittenverbandes Deutschland (BSD). Und Loch sagte in Anspielung auf Demtschenkos Heimvorteil: "Das war hier in der Höhle des Löwen und damit fast noch schöner als in Vancouver." Sein Vorsprung war überdies so groß, dass er wie manch anderer Überlegene des Sports schon vor dem Ziel zum Jubel hätte ansetzen können. Aber das kleine Rodeln ist dann doch nicht die große Leichtathletik, und Loch ist aus einer anderen Welt als Usain Bolt. In seiner Welt kann ein falsches Zucken mit dem Bein alles verderben, vor allem auf dieser Bahn. Vor deren Tücken hatte Loch, der dreimalige Weltcup-Gesamtsieger, Respekt. Die erste lauerte oben am Einstieg.

Loch fährt seine Siege sonst auf konventionellen Eiskanälen heraus, wo der Start flach ist. Die Startbahn des Sanki Sliding Centers aber hat ein steiles Gefälle, es erinnert an eine Wasserrutsche im Freibad, in der ja auch große und kleine Leute auf Tempo kommen können. Lochs Vorteil, mit seiner Körpergröße schon mal die beste Startzeit vorzulegen, galt hier nicht.

In Kurve fünf ging es weiter, das Tempo der Bahn war ja gedrosselt worden, wer beim Auslauf der Kurve vier falsch zuckte und zu weit nach oben driftete, fiel danach herab wie ein Stein, knallte gegen die rechte Bande und fuhr dann - eine Seltenheit weltweit - auf eine Steigung, die bei einem Fahrfehler das Tempo schluckt. Für den Zuschauer war der Anstieg kaum sichtbar, für den Rodler wie ein Brems-Schirm.

Weil es noch zwei weitere solche Passagen gibt in Sanki, darunter eine mit 15 Prozent Steigung, geriet Loch nie in Versuchung, sich darauf zu verlassen, dass ihn die Schale wie immer überall hin tragen würde. Loch mag etwas lässig gewirkt haben mit seinen Samstagsgrüßen an den FC Bayern, dessen Bundesligaresultat (2:0) er während der ersten beiden Rennen unbedingt in Erfahrung bringen wollte, und mit seinem im Netz geposteten Burger-Essen vor dem allerletzten Finale. In der Rinne dachte er nur an eines: die Ideallinie.

Loch hatte fast alle sechs Trainingsläufe dominiert, und Albert Demtschenko, sein noch größter Konkurrent, hatte schon abgewunken, als er Lochs vierte Übung gesehen hatte. Dann kam der erste Finallauf am Samstag, er endete mit einer kleinen Überraschung.

Das Spannungsflämmchen brennt nur kurz

Sie war aufgekommen, weil Loch zwischenzeitlich unachtsam war und Demtschenko sich um 15 Tausendstel vor ihn setzte. Das Flämmchen Spannung pustete Loch dann aber im zweiten Lauf schnell wieder aus. Bahnrekord, fast drei Zehntel Vorsprung. Das war es wohl, mit diesem Gedanken gingen die Konkurrenten im Olympischen Dorf zu Bett.

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Weil auch zwischen Platz zwei, drei und vier im Schnitt zwei bis drei Zehntel klafften, hätte am Sonntag ein Wunder passieren müssen, ein krasser technischer Fehler, oder ein Sturz. Aber so ist Rodeln nicht, wenn Material, Form und Bahnkenntnis des Einzelnen einmal feststehen, dann passieren kaum noch Überraschungen. Loch trat im dritten Lauf als Erster an, und sauste zielsicher hinab: wieder Bahnrekord. Den vierten fuhr er vorsichtiger, es wurde kein Bahnrekord, aber ein sicherer Sieg.

Loch ist seit seinem ersten Olympiasieg 2010 gereift. Er trainiert täglich und verfeinert sein Fahrgefühl. Er hat gelernt, seinen Schlitten selber einzustellen, die richtigen Kufen auszuwählen und auch Veränderungen vorzunehmen. Und doch profitiert er von einem großen System. Von den Kenntnissen und den Tipps seines Heimtrainers und Materialmannes, des dreimaligen Olympiasiegers Georg Hackl. Seine gesamte Umgebung, seine Teamkollegen, die Materialversorgung, schließlich die anspruchsvolle Bahn am Königssee, auf der er trainiert, all das erwies sich am Ende als gigantische perfekt sitzende Schale, die ihn zum zweiten Olympiasieg trug.

© SZ vom 10.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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