Rekord-Transfer von Gareth Bale:Vom Hausmeister-Sohn zum Marsmenschen

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Gareth Bale: Der walisische Flügelstürmer von Tottenham Hotspur grüßt am Times Square (Foto: AFP)

100 Millionen Euro Ablöse, vielleicht auch 120: Mit dem bevorstehenden Wechsel von Tottenham Hotspur zu Real Madrid wird Flügelstürmer Gareth Bale der teuerste Fußballer der Welt. Sein Ex-Trainer Harry Redknapp hätte ihn vor einigen Jahren fast zum Billigtarif hergegeben.

Von Raphael Honigstein, London

Seit vier Wochen kann man sich auch in New York ein Bild davon machen, welch gigantischer Fußball-Held Gareth Bale geworden ist. Der walisische Flügelstürmer von Tottenham Hotspur grüßt am Times Square - auf einem 300-Quadratmeter-Plakat, in Auftrag des Senders NBC. Der "Spieler des Jahres" in England soll in den USA Lust auf die neue Saison machen, in der NBC erstmals jede einzelne Premier-League-Partie live überträgt. Das Problem an der PR-Aktion: Gareth Bale wird voraussichtlich in keinem einzigen der 380 Spiele aus England zu sehen sein. Der 24-Jährige wechselt wohl als teuerster Kicker in der Geschichte des Fußballs zu Real Madrid.

Eine offizielle Bestätigung des Transfers steht aus, aber in Nord-London ist seit Ende vergangener Woche bekannt, dass die Spurs dem Drängen von Madrid und Bale nachgeben werden. "Die Vereine suchen eine Lösung. Wir werden sehen, was passiert", sagte Real-Trainer Carlo Ancelotti. Gefeilscht wird nur noch um den exakten Preis - er wird zwischen 100 und 120 Millionen Euro liegen - und die Ablösemodalitäten. Die Spanier wollen, dass Tottenham-Geschäftsführer Daniel Levy für Bale das eine oder andere königliche Austauschteil in Zahlung zu nimmt; der für sein Verhandlungsgeschick berüchtigte 51-Jährige bevorzugt die komplette Summe in cash .

Bis vor zehn Tagen beharrte der Klub des deutschen Assistenztrainers Steffen Freund glaubhaft auf der Position "Bale is not for sale", Bale steht nicht zum Verkauf. Levy gab an, im Frühjahr ein Schreiben von Real-Präsident Florentino Pérez erhalten zu haben, in dem dieser versicherte, dass er im Sommer kein Angebot für den herausragenden Mann auf der Insel (21 Saisontore) abgeben würde. Der neue Trainer Ancelotti pochte dann aber sehr energisch auf die Verpflichtung des auch als hängende Spitze agierenden Tempodribblers, und Bales Repräsentanten und sein Vater erinnerten Levy an eine mündliche Abmachung, wonach "Gaz" (Kabinenspitzname) für eine Ablösesumme im entsprechenden (Phantasie-)Bereich gehen darf.

"Gareth hat es öffentlich nicht gesagt, aber ich höre von verschiedenen Leuten, dass er unbedingt zu Madrid will", sagt der ehemalige Spurs-Trainer Harry Redknapp (66), der Bale bei den Lilienweißen vier Spielzeiten lang coachte und sich dieser Tage als entscheidender Förderer des Hausmeistersohns aus Cardiff feiern lässt. In Wahrheit hätte er den damals 19-Jährigen am liebsten zum Billigtarif nach Middlesbrough verkauft.

Als linker Verteidiger kein Potenzial

Bale war oft verletzt und wurde als linker Verteidiger seinem Potenzial nicht gerecht. In seinen ersten 24 Liga-Matches in Serie gelang den Spurs kein einziger Sieg - einen solchen Negativrekord hatte in der Premier League zuvor noch niemand aufgestellt. Der Durchbruch gelang Bale erst 2010, als er in großartigen Champions-League-Spielen gegen Inter mit unwiderstehlichen Sololäufen und Treffern von der Gazzetta dello Sport zum "Marsmenschen" gekürt worden war.

Bale war in der abgelaufenen Saison wieder häufig viel zu gut für sein Team, das die Qualifikation für die Champions League als Tabellenfünfter verpasste. "Er ist eine Kanonenkugel", schwärmte Arsene Wenger, der Trainer von Tottenhams Lokalrivale FC Arsenal. Dass man ihn kaum länger halten würde, war den Spurs bewusst. Als Waliser wird Bale wohl nie ein großes Länder-Turnier bestreiten, umso größer ist sein Wille, wenigstens auf Vereinsebene dauerhaft um wichtige Titel zu spielen und mit den Besten der Branche zu konkurrieren. "Lionel Messi und Cristiano Ronaldo sind ganz oben an der Weltspitze, aber Gareth Bale kommt gleich dahinter", sagt dessen Nationaltrainer Chris Coleman.

Sein Debüt für die Red Dragons gab Bale mit 16 Jahren und 315 Tagen, damit wurde er zum jüngsten Spieler in der Geschichte des Herzogtums Wales. Im Boulevard firmierte er bald als "Welsh Wizard", als walisischer Zauberer: Diesen Ehrentitel trugen vor ihm der legendäre Billy Meredith (1874 - 1958), der um die Jahrhundertwende mit Zahnstocher im Mund über den Rasen dribbelte - und der unverwüstliche Ryan Giggs, 39, von Manchester United.

Den Spurs bietet der Rekord-Deal nun die Chance, die Mannschaft auf allen Positionen zu verstärken. Für das neue 56 000-Zuschauer-Stadion (geplante Eröffnung 2016) braucht Levy dauerhaft Champions-League-Fußball. Die Fans und neutralen Beobachter werden Bales individuelle Brillanz aber ebenso vermissen wie NBC. Vielleicht kann der Kanal das Times-Square-Plakat an entscheidender Stelle (Klubwappen) dezent umschminken und demnächst - für eine Rekordsumme - an einen Sportsender aus Katar weiterverkaufen, der in den USA die Rechte an der spanischen Liga hält.

© SZ vom 04.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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