Rechtstreit bei 1860 München:In der Falle

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Gerhard Mayrhofer: Präsident von 1860 München - oder doch nicht? (Foto: Armin Weigel/dpa)

Ist das Präsidium von 1860 München um Gerhard Mayrhofer unrechtmäßig im Amt? Ein Rechtsstreit mit nicht absehbaren Folgen plagt den Klub. Der Präsident warnt vor einem "Scherbenhaufen".

Von Markus Schäflein

Abteilungsleiter Helmut Pestinger zog erst mal das normale Programm durch, Berichte aus den Juniorenmannschaften, Mitgliederzahlen, Ideen für das Vereinsleben, aber dabei konnte es natürlich nicht bleiben. "Jetzt zu einem ganz leidigen Thema: Kirmaier", sprach Pestinger also, und dieser Name steht beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München ja als Kurzform für die hochkomplexe juristische Falle, in der sich der Verein gerade befindet. "Das Präsidium hat hundertprozentige Rückendeckung aus der Fußballabteilung", rief Pestinger unter Bravo-Rufen aus der Mitgliederversammlung am Sonntag. "Das Verteufelte an der Geschichte ist ja, dass ein Einzelner alles lahmlegt und die Gründe dafür nicht nennt."

Mit dem Einzelnen meinte er Mitglied Helmut Kirmaier. Am Freitag am Landgericht schien diese Geschichte gut enden zu können für den TSV 1860 - Kirmaier deutete recht überzeugend an, die Möglichkeit eines Vergleichs zu erwägen. Die Richterin hatte zunächst die Argumentation seiner Klage gänzlich nachvollzogen: dass das amtierende Präsidium um Gerhard Mayrhofer nie gewählt wurde, da dessen nur vom Aufsichtsrat ernannter, aber nie von einer Versammlung bestätigter Vorgänger Hep Monatzeder ebenfalls nie Präsident und daher nie ladungsberechtigt gewesen sei.

Sollte diese Klage erfolgreich sein, würde sie Sechzig selbstverständlich ins Chaos stürzen - Kirmaier beteuerte, dass er dies nicht wolle. Er wolle bloß auf die Fehler der Vergangenheit und insbesondere des Verwaltungsrats hinweisen - und eine Entschuldigung des Präsidiums, weil er als Nestbeschmutzer hingestellt worden sei.

Mayrhofer kommuniziert per Facebook

Nur ein beleidigter Löwe, ein Einzelner? Auf der Versammlung am Sonntag debattierten die Mitglieder weiter eifrig, wer wohl hinter Kirmaier stecke und die Vorstandschaft stürzen wolle. Mayrhofer selbst war nicht anwesend, kommunizierte seine großen Sorgen aber auf Facebook: "Wir haben zwar die Chance auf eine Einigung, kennen aber die Forderungen von Herrn Kirmaier noch nicht."

Komme es nicht zu einer Einigung, "was nicht an uns liegen soll", so Mayrhofer, "dann steht unser Verein vor einem Scherbenhaufen. Dieses Risiko bewusst einzugehen, um formelle Fehler ehrenamtlich engagierter Mitglieder bei der Einladung zu Versammlungen nachzuweisen, ist für mich eine seltsame Motivation." Wäre es wohl tatsächlich.

Kirmaiers Anwalt Heinz Veauthier konterte via tz: "Wenn Herr Mayrhofer glaubt, seine Position missbrauchen zu müssen, um meinen Mandanten unter Druck zu setzen, dann kann er davon ausgehen, dass es keine gütliche Einigung geben wird." Für Mayrhofer sei es "an der Zeit zu begreifen, dass er als 1860-Präsident öffentlich nicht mehr vermittelbar ist".

Veauthier attackierte auch Richterin Christina Weitnauer, die versuchte, einen Vergleich zum Wohle des Vereins zu empfehlen: "Auf diese Art Druck aufzubauen, war völlig daneben. Die Richterin hat sich zum Werkzeug des TSV 1860 gemacht." Damit habe sie sich "für ihre Position disqualifiziert".

1860-Geschäftsführer Markus Rejek zeigte sich auf der Mitgliederversammlung sehr sorgenvoll. Derzeit lässt er juristisch prüfen, inwieweit seine KGaA von dem Prozess betroffen sein könnte. Denn Mayrhofer sitzt im Beirat der Gesellschaft; die schwer zu klärende Frage ist, ob er dort in seiner Funktion als Präsident sitzt.

Wenn ja, wäre auch die KGaA im momentanen Schwebezustand nicht mehr handlungsfähig - weil der Beirat bei Finanzentscheidungen einer gewissen Größenordnung, etwa Spielerverpflichtungen, erst recht einer Trainerentscheidung, zustimmungspflichtig ist. In jenen Beirat wurde Mayrhofer vom Verwaltungsrat des Vereins entsandt - den es nach der Argumentation Kirmaiers möglicherweise auch gar nicht gibt, weil die Satzungsänderung, die aus dem früheren Aufsichtsrat das neue Gremium machte, auch nicht regelkonform verabschiedet wurde.

Rejek begann seine Ausführungen mit den Worten, er wolle "den Namen nicht bemühen", dann ging es aber natürlich auch um den Fall Kirmair. "Man muss wirklich mal ernsthaft hinterfragen, worum es hier eigentlich geht", sagte er. "Dieses Präsidium macht seit Monaten einen unglaublichen Job. Für mich war es der Grund, warum ich von Dortmund nach München kam. Wenn ich höre, dass sich das Präsidium am Verein bereichern möchte, kann ich nur mit dem Kopf schütteln."

Gelähmt von der Unklarheit

Dann war Vizepräsident Heinz Schmidt an der Reihe: "Dann muss ich noch was sagen zu, naja, sagen wir den Namen doch, Kirmaier." Schmidt berichtete, ihm selbst werde "Urkundenfälschung unterstellt", er bestätigte, dass behauptet werde, "das Präsidium habe sich bereichert". Auch Schmidt fühlt sich gelähmt von der Unklarheit. Der Verein wolle etwa den Trainingsplatz fünf renovieren, sagte er: "Aber ich unterschreibe bestimmt keinen Bauauftrag über hunderttausende Euro, wenn ich das dann vielleicht privat zahlen muss."

Was in einem eventuellen Vergleichsangebot Kirmaiers stehen wird, ist die spannendste Frage. Möglicherweise fordert er doch den Rücktritt des Vorstands. Kommt es nicht zu einem Vergleich, könnte das Präsidium angesichts eines anstehenden Prozesses von selbst zurücktreten.

Und selbst wenn Kirmaier seine Klage ohne weitergehende Forderungen zurückziehen würde, müsste die neue Satzung wohl erneut verabschiedet werden, und zur nächsten Versammlung müsste sicherheitshalber wohl ein Notvorstand laden. "Ich weiß nicht, wer laden sollte", sagte nämlich Schmidt - Anwalt Veauthier habe bereits "alle Mitgliederdaten angefragt, wir werden sie ihm wohl geben müssen". Und Schmidt vermutet: "Bei 17 000 wird sich wieder einer finden, der klagt."

© SZ vom 26.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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