Ralf Rangnick im Interview:"Ich bin kein schlechter Verlierer"

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Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick über seinen nicht zu stillenden Ehrgeiz, Attacken von Uli Hoeneß und die Pflege des Betriebsklimas.

M. Kielbassa und C. Kneer

Ralf Rangnick steht mit seiner Mannschaft TSG Hoffenheim auf Platz eins der Bundesliga. Während der Bundesliga-Herbstmeister im Trainingslager in La Manga übt (bis 18.Januar) und am Sonntag ein Testspiel gegen den VfL Bochum 0:2 (0:1) verlor, hat Mäzen Dietmar Hopp verraten, er habe in seinen Heimatklub bisher 175 Millionen Euro investiert. Im Interview spricht Trainer Ralf Rangnick über seinen Ehrgeiz, die Rückrunde und Kritik von Uli Hoeneß.

Ralf Rangnick sieht den FC Bayern als klaren Meisterschaftskandidaten Nummer eins. (Foto: Foto: ddp)

Im Folgenden lesen Sie Auszüge aus dem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Das komplette Gespräch finden Sie in der Montags-Ausgabe.

Ralf Rangnick über seinen Ehrgeiz:

"Ich bin kein schlechter Verlierer. Ehrgeiz ist sicher etwas, das von klein auf in mir steckt, aber ich betrachte das nicht als schlechte Charaktereigenschaft. Man kann's ja auch andersherum sehen: Jahrelang wurde geschrieben, was für ein rationaler Typ dieser Rangnick ist.

Wir liegen in Bremen 1:4 hinten, holen auf zum 4:4 und verlieren am Ende doch. Hinterher warte ich in der Kabine vergeblich auf die Spieler. Nach fünf Minuten habe ich zu einem meiner Assistenztrainer gesagt, er soll bitte nachschauen, wo die Jungs stecken. Die Spieler waren noch auf dem Rasen und haben sich feiern lassen. Die haben mit den Bremern fröhlich Trikots getauscht und mit den Werder-Fans La Ola gemacht. Als die Spieler in die Kabine kamen, habe ich ihnen gesagt, was ich davon halte. Ich habe sie gefragt, ob wir jetzt einen auf Harlem Globetrotters machen und uns vom Gegner feiern lassen. Ich habe sie gefragt, ob jetzt jeder ein schönes Werder-Trikot als Trophäe hat und ob wir jetzt alle zufrieden nach Hause fahren können. Das war kein gespielter Zornausbruch. Mich hat dieses Spiel total verärgert - und am meisten war ich sauer, weil sich meine Spieler auf die falsche Fährte haben locken lassen."

Rangnick über die Rückrunde:

"Ich habe da überhaupt keine Angst. Wir werden versuchen, nochmal 35 Punkte zu holen, dann wären wir am Ende wohl unter den ersten Drei. Aber es wäre auch kein Beinbruch, wenn wir keine 35 Punkte holen. Wichtig ist, dass wir unsere unbekümmerte Spielweise beibehalten, die uns so viele Sympathien eingebracht hat, nicht nur in Deutschland. Ich war gerade im Urlaub auf Mauritius und war total überrascht: Einheimische kannten Hoffenheim."

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Rangnick über die Debatte mit dem FC Bayern:

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"Wir haben uns doch nur notgedrungen auf diese Debatte eingelassen. Vor dem Spiel bei Bayern (1:2) kamen die ersten giftigen Wortmeldungen aus München, als wir noch gar nichts verlautbart hatten. Und dann habe ich bei einer Pressekonferenz eben auch mal ein, zwei Sachen gezielt gesagt. Das gehört dazu vor so einem Spitzenspiel.

Ich bleibe dabei, dass ich uns nicht auf Augenhöhe mit dem FC Bayern sehe und auch nicht als aktuellen Titelaspiranten. Wir sind nach wie vor Aufsteiger, mit der jüngsten Mannschaft der Liga. Wenn nicht allen der Himmel auf den Kopf fällt, dann wird Bayern Meister.

Wir könnten jetzt sagen: Wir versuchen die Meisterschaft zu erzwingen und machen auf Teufel-komm-raus noch zwei, drei Transfers. Das tun wir nicht! Uns geht es um die langfristige Perspektive, das galt auch für die Personalie Timo Hildebrand. Falls wir im Winter noch Spieler holen, dann nur welche zwischen 17 und 22, die im Sommer eh kämen. Wir sehen junge Spieler als Blue Chips, die durch ihre Grundvoraussetzungen hochqualifiziert sind. Unsere Aufgabe ist es dann, ihnen strategisch etwas an die Hand zu geben."

Rangnick über seine junge Mannschaft:

"Das Wichtigste ist, dass wir weiter an uns arbeiten. Seit wir in der ersten Liga sind, haben wir im Training etwa 80 Prozent den eigenen Ballbesitz trainiert und nur noch 20 Prozent Situationen bei gegnerischem Ballbesitz. Das werden wir ab sofort wieder in Richtung fifty-fifty angleichen.

Es war gut und richtig, dass wir zuletzt so viel eigenen Ballbesitz trainiert haben. Wir haben 42 Tore geschossen und wir stellen mit Vedad Ibisevic den Führenden der Torjägerliste. Aber jetzt werden wir in der Detailarbeit die Schwerpunkte wieder etwas Richtung Defensive verlagern, zumal wir in der Rückrunde mehr Auswärtsspiele haben."

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Rangnick über die Sticheleien von außen und ob der Erfolg Hoffenheim verändert:

"Das ist für mich die entscheidende Frage. Der Hype weckt natürlich Begehrlichkeiten, und unsere Spieler leben nicht unter einer Käseglocke. Sicher werden unsere Spieler über ihre Berater längst von anderen Klubs angesprochen. Unsere Aufgabe wird sein, diese Dinge so lautlos zu lösen wie bei Sejad Salihovic und Matthias Jaissle, deren Verträge wir still und leise verlängert haben. Dafür müssen wir weiter ganz nah an den Jungs dranbleiben, das wird eine entscheidende Aufgabe der Rückrunde. Neid und Eifersucht dürfen nicht ins Spiel kommen.

Ich bin überzeugt, dass es richtig war, Timo Hildebrand zu holen. Und wenn ich die ersten Tage sehe, wie er sich in der Gruppe verhält, dann stimmt mich das sehr optimistisch. Ich kenne ihn ja noch aus Stuttgart, ich habe Timo früher nie als Diva erlebt. Wenn er fit ist und die Form von vor anderthalb Jahren erreicht, wird das eine Win-Win-Situation."

Rangnick darüber, wie man einen Superdribbler wie Chinedu Obasi durch Einzeltraining technisch verbessern kann:

"Er ist sogar ein besonders interessanter Fall: Uns ist aufgefallen, dass er volley fast jeden Ball perfekt verarbeitet, aber wenn er aus 16 Metern flach schießen soll, kommt oft nur einen Kullerball heraus. Ich habe ihn daher mal gefragt, wie er früher als kleiner Bub in Nigeria gekickt hat. Er sagte uns: Wir hatten zuhause nie vernünftige Rasenplätze, deshalb haben wir den Ball immer in der Luft gespielt. Da hatten wir des Rätsels Lösung. Aber es reicht nicht, dass wir das jetzt wissen. Ab sofort kann Obasi mit Lucassen daran arbeiten, sauberer zu schießen. Das sind kleine Elemente, von denen wir uns große Wirkung versprechen."

Rangnick über die Chance, dass Hoffenheim in der kommenden Saison in der Champions League spielt:

"Wir hätten nichts dagegen. Ein internationaler Platz ist nicht unmöglich, aber wir lassen uns auch nicht einreden, dass es eine enttäuschende Saison war, wenn wir im Mai Siebter werden. Es kann sein, dass ich dann trotzdem sagen kann: Hey, Jungs, das war eine richtig gute Rückrunde, weil wir unserer Spielweise treu geblieben sind und uns weiter gut entwickelt haben. Damit wäre ich eher zufrieden als wenn wir Vierter werden und ich das Gefühl habe, irgendwas stimmt nicht mehr, weil die Jungs auf dem Platz abwinken oder sich gegenseitig Vorwürfe machen. Das Thema Tabellenplatz ist für mich nicht entscheidend."

© SZ vom 12.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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