Probleme im deutschen Skicross-Team:Wenn plötzlich der Ski wegfliegt

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Zwei Jahre lang waren die deutschen Skicrosser völlig euphorisiert - in dieser Saison häufen sich die Probleme. Die besten Fahrer sind verletzt oder angeschlagen, der erhoffte Schub für die Sportart bleibt bislang aus. Und jetzt fliegen einige Sportler auch noch zum Geldverdienen zu den ungeliebten X-Games.

Carsten Eberts

Vor wenigen Tagen, beim Skicross-Weltcup in Les Contamines, verlor Simon Stickl seinen Ski. Bis ins Halbfinale war Stickl zuvor gefahren, mit schnellen Heats, wie sie im Skicross sagen, und brillanten Überholmanövern bei bis zu 100 Stundenkilometern. Dann jedoch der Fauxpas: Auf der extrem eisigen Strecke flog Stickl in eine Kurve, erwischte einen Schlag auf dem Eis, der Ski löste sich, der 24-Jährige lag im Schnee. Die Chance auf den Weltcupsieg? Vorbei. Mal wieder.

Unfälle beim Skicross: Diesmal sind Österreichs Patrick Koller und der Kanadier Christopher Delbosco (rechts) involviert. (Foto: REUTERS)

Es läuft nicht gut für die deutschen Skicrosser in dieser Saison. Dieses Gefühl kannten sie bislang nicht. In den vergangenen beiden Jahren ging es ausschließlich nach oben: In der Olympiasaison 2009/2010 war die junge Sportart ohnehin euphorisiert, in der vergangenen Saison eilten die Deutschen plötzlich von Weltcupsieg zu Weltcupsieg.

Und nun? "Ich habe mir mehr erwartet, dass muss ich ehrlich sagen", gesteht Bundestrainer Alex Böhme der SZ nach mittlerweile fünf Rennen. Ein zweiter Platz von Anna Wörner und ein dritter Rang von Daniel Bohnacker in St. Johann waren die besten Resultate des Winters.

Am schlimmsten hat es die deutschen Frauen erwischt. Heidi Zacher, die beste Deutsche, brach sich Anfang Januar bei einem Überholmanöver den Unterschenkel, sie fällt für den Rest der Saison aus. "Ohne Heidi haben wir eine Leistungsträgerin weniger", sagt Böhme konsterniert. Ihr Ausfall schmerzt, vor allem, weil Zacher mit ihrer positiven Art viel Schwung ins Team gebracht hat.

Doch auch Stickl, der schnellste deutsche Mann, hatte gesundheitliche Probleme. Kurz vor dem Saisonstart zerrte er sich das Kreuzband, nicht viel hätte gefehlt und das Band wäre gerissen. "Simon war schnell wieder fit, hat sich aber unterbewusst gefragt: Hält mein Knie das aus?", erklärt Böhme. Stickl fuhr so unter seinen Möglichkeiten, bis zum vergangenen Wochenende. Als er unglücklich seinen Ski verlor.

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Von Panik ob der ausbleibenden Weltcupsiege will Böhme trotzdem nichts wissen. "In der Weltspitze ist es noch mal deutlich enger geworden", erklärt der Bundestrainer die Situation: "Aber wir haben noch genügend Rennen. Und sind jederzeit für Plätze auf dem Podium gut." Einen echten Siegfahrer hat das deutsche Team derzeit jedoch nicht.

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Dabei wären Weltcupsiege so wichtig. Skicrosser fahren zum einen für ihr Land und sich selbst, jedoch auch für ihre Sportart. Weil sie Skicross, diesen jungen Sport, in ihren Ländern populärer machen müssen. Und das geht, vor allem in Deutschland, nur durch Weltcupsiege. "Wir müssen so gut sein wie im vergangenen Jahr - minimum. Es liegt an uns, die Sportart populärer zu machen", sagte Stickl zum Saisonstart. Bislang hat es nicht geklappt.

Die kommenden Weltcuprennen finden erst Ende Januar im kanadischen Blue Mountain statt; bis dahin sollen einige Fahrer im Europacup Rennpraxis sammeln, andere vor allem regenerieren. Bis auf Stickl und seinen Kollegen Daniel Bohnacker, die Einladungen zu den X-Games in den USA angenommen haben. Dort fahren sie in der kommenden Woche gegen die besten Skicrosser Nordamerikas, in einer Atmosphäre, die sie aus Europa nicht kennen. In Nordamerika haben Extremsportarten einen ganz anderen Stellenwert.

Bundestrainer Böhme kann seine Athleten verstehen, sieht den Starts von Stickl und Bohnacker jedoch mit gemischten Gefühlen entgegen. Die Strecken in den USA sind spektakulärer als in Europa, es ist nicht ausgeschlossen, dass Stickl und Bohnacker gesund anreisen, jedoch lädiert zurückkommen. Die Flüge in die USA müssen beide selbst zahlen. "Der Verband finanziert schließlich niemanden, damit er sich bei den X-Games verletzt", sagt Böhme. Es ist ihr eigenes Risiko.

Der Anreiz für seine Fahrer ist trotzdem groß: Für einen Sieg bei den X-Games gäbe es immerhin etwa 120.000 Dollar. In Europa verdienen sie so viel Geld nicht einmal während einer ganzen Saison.

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