Playoff-Finale im Basketball:Türsteher gegen Kettenhunde

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Der Münchner Vladimir Stimac im Duell gegen Daniel Theis (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Die Bayern-Basketballer müssen das vierte Spiel der Finalserie gegen Bamberg gewinnen.
  • Heimvorteil, Verteidigung oder Kraft: Diese Aspekte könnten die Meisterschaft entscheiden.
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Von Jonas Beckenkamp

Titelverteidiger unter Zugzwang: Der FC Bayern muss das vierte Spiel der Finalserie an diesem Mittwoch (20 Uhr) gewinnen, sonst sind die Baskets Bamberg deutscher Basketballmeister, sie führen mit 2:1. Fünf Aspekte, die am Ende entscheiden können.

Heimvorteil

Wer schon einmal ein Spiel in "Freak City" live verfolgt hat, kennt das: Eltern verpassen ihren Kindern in der Bamberger Arena gerne Bauarbeiter-Kopfhörer, um den Höllenlärm abzudämpfen. Keine deutsche Arena ist lauter, euphorischer, hitziger. Kein Wunder, dass die Brose Baskets in der Hauptrunde der Saison bei allen Heimauftritten als Sieger vom Parkett stapften - es brauchte erst eine gerissen auftretende Bayern-Mannschaft in Spiel eins der Finalserie, um diesen Lauf zu stoppen.

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:Viel zu stark im dritten Viertel

Dank eines 91:79-Heimerfolges gehen die Bamberger Basketballer in der Final-Serie gegen den FC Bayern 2:1 in Führung - dem Titelverteidiger droht am Mittwoch die Entthronung in der eigenen Halle.

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Beim 84:73 in der ersten Partie hatten die Münchner die Franken gehörig überrascht, so was kannte man in Bamberg gar nicht, es war plötzlich ruhig in der Halle, der Heimvorteil schien dahin. Doch schon nach Spiel zwei war wieder alles anders. Bamberg hatte zwar ewig zurückgelegen, doch als die Uhr nur noch 0,1 Sekunden Spielzeit anzeigte, führten die Baskets plötzlich 80:78 und klauten den Sieg aus München. Nun ist also in Sachen Heimvorteil wieder alles wie gehabt: Sollte es (bei einem FCB-Sieg in Spiel vier am Mittwoch) zu einem entscheidenden Spiel fünf kommen, findet dies in Bamberg statt. Im Glutofen der Freaks. Keine guten Aussichten für die Bayern.

Momentum

Basketball ist ein Spiel der Läufe, der flinken Balance- und Rhythmuswechsel. Wer einmal sein Wurfhändchen gefunden hat, dem bieten sich reihenweise Möglichkeiten. Schwierige Versuche landen im Korb, Dreipunktewürfe wirken auf einmal so leicht wie Freiwürfe, und das Gefühl der absoluten Kontrolle nimmt rasant zu. Im Idealfall überträgt sich dieses "Momentum" auf die ganze Mannschaft. Bei den Bambergern ist in den vergangenen beiden Spielen genau das passiert.

Zwar sagt Trainer Andrea Trinchieri: "Es ist jetzt wie Schach. Wir sind einen Zug weiter, aber eben nur einen Zug." Doch auch er wird wissen, dass seine Mannschaft nun alle Vorteile hat. In den Köpfen seiner Spieler hat sich die Erkenntnis festgesetzt, dass sie den 0:1-Rückstand gegen alle Widerstände umgebogen haben. Vieles deutete in Spiel zwei auf einen Erfolg der Bayern hin, doch dann passierte jenes hollywoodreife Comeback, das Bamberg nun beflügelt. Basketball ist auch ein Psychospiel. Nur wer selbstbewusst ist, trifft die richtigen Entscheidungen. Den mutigeren Eindruck machten zuletzt Trinchieris Männer.

Verteidigung

Beide Trainer werden regelmäßig fuchsteufelswild, wenn es hinten nicht läuft. Svetislav Pesic ist zwar ein großer Anhänger des "Transition"-Spiels, bei dem es zügig nach vorne geht, aber auch seine Lehre basiert auf kerniger Zupackerei in der Defensive. Die Vorstellung seiner Mannschaft beim 79:91 in Spiel drei war für ihn insofern nur schwer zu verkraften. 91 Punkte kassiert seine Mannschaft sonst nur, wenn auf der Gegenseite europäische Spitzen-Athleten aus Barcelona oder Athen die Dinge in der Hand haben.

Aber gegen Bamberg? Der Münchner Trainer sprach von einer "defensiven Katastrophe", er zog ein niederschmetterndes Fazit: "Wir waren nicht in der Lage, Verantwortung zu übernehmen. Das war die schlechteste Abwehrleistung der Saison." Trinchieris Mannschaft opfert sich in der Abwehr mehr auf, sie stellt den Weg zum Korb im Verbund zu. In der dritten Partie verkörperte Center Trevor Mbakwe mit vier geklauten Bällen und vier Blocks allein die Türsteher-Mentalität der Baskets. Auch auf den Außenpositionen treten die Bamberger bissiger auf. Die Konsequenz: Bayern hatte ohne den angeschlagenen Anton Gavel sichtlich Probleme in der Spiel-Organisation.

Guard-Positionen

Es war ein entscheidender Moment, als Gavel sich in Spiel zwei vor der Halbzeit an der Hüfte verletzte. Bis dahin war der Slowake als Kettenhund für Baskets-Spielmacher Brad Wanamaker ein echter Gewinn. Die Bayern brauchen seinen Einsatzwillen, seine Erfahrung und seine Spannweite. In Abwesenheit des früheren Bambergers gewann das Spiel der Franken an Fluss und Gefährlichkeit - München fehlte ein Verteidigungsminister. Wanamaker nutzte seine Athletik, um sich durch die Bayern-Defensive zu tanken. Mit Janis Strelnieks und Dawan Robinson gesellen sich ihm zudem geschickt auftretende Partner zur Seite: Der Lette beherrscht wie viele Balten das Werfen aus großer Distanz, der Amerikaner ist robust wie ein Wandschrank.

Auf der Gegenseite hat Coach Pesic Probleme, seine Idealformation aufs Parkett zu bringen. Lucca Staiger traut sich nach wochenlanger Frustzeit auf der Bank kaum Würfe zu, Vasilije Micic unterlaufen bei seinen Kurzeinsätzen bisher zu viele Fehler, Bryce Taylor verschwindet immer wieder mal und Heiko Schaffartzik allein kann die Offensive auch nicht orchestrieren. Ob Gavel für Spiel vier wieder zurückkehrt, ist noch ungewiss. "Es wird von Tag zu Tag besser", sagt Trainer Pesic immerhin. Die Entscheidung über Gavels möglichen Einsatz soll beim Training am Mittwochmorgen fallen.

Kraft

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Das beherrschende Thema, als es in diese Finalserie ging. Der Münchner Kader hat deutlich mehr Kilometer auf dem Tacho als die jungen Bamberger. Akteure wie Schaffartzik, Dusko Savanovic, Gavel oder Jan Jagla sind jenseits der 30, da quietscht es nach einer langen Saison leichter in den Gelenken. Doch für Regeneration ist in einer aufreibenden Playoff-Serie kaum Zeit. Die Bayern stemmten sich bereits beim 3:1 im Viertelfinale gegen Frankfurt gegen die eigene Müdigkeit, dann folgte das 3:2-Spektakel gegen Alba Berlin. Immer wieder traten im bisherigen Saisonverlauf Anzeichen von Kräfteverschleiß zu Tage - jetzt, im entscheidenden Moment, scheint selbst der Reservetank auf Anschlag.

Die Bamberger flitzten dagegen mit zwei 3:0-Serien gegen Ludwigsburg und Ulm durch die Ausscheidungsrunde. Mit Wanamaker, 25, Mbakwe, 26, Daniel Theis, 23, Darius Miller, 25, oder auch Ryan Thompson, 27, befinden sich prägende Profis im bewegungsfreudigen Alter. An der Kraft fehlt es den athletischeren Franken nicht. Trotzdem sind aus Bamberg vor Spiel vier Worte der Zurückhaltung zu hören. "Es wird das härteste Match. Sie sind ein smartes Team und haben mehr Erfahrung als wir", sagte Strelnieks. In der Partie, in der sein Team schon den Titel klarmachen kann, erwartet der Aufbauspieler ein Bayern-Team, das "zehn Mal härter agieren wird als zuvor. Sie haben nichts zu verlieren." Härte und der letzte Wille - dem Titelverteidiger bleibt nichts anderes mehr übrig.

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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