Peter Sagan bei der Tour de France:Wolverine will endlich siegen

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Mann in Grün: Peter Sagan. (Foto: Getty Images)

Er ist ein Clown, belustigt das ganze Feld, übertreibt es auch manchmal: Der Slowake Peter Sagan gehört zu den kuriosesten Fahrern der Tour de France. Im Grünen Trikot fährt er, obwohl er kein klassischer Sprinter ist - doch seine Vielseitigkeit hat nicht nur Vorteile.

Von Johannes Aumüller, Bagnères-du-Luchon

Die Tour de France hatte noch nicht begonnen, da war Peter Sagan schon in seiner gewohnten Form. Ganz lässig kam er zur obligatorischen Pressekonferenz seiner Cannondale-Mannschaft, auch sein Fahrrad hatte er mitgebracht, er stellte es mitten aufs Podium, damit auch jeder im Saal die besondere Bemalung des Rahmens mitbekommen konnte. "Wolverine" war darauf zu sehen, der Held aus der X-Men-Truppe.

Und natürlich dauerte es nicht lange, bis er die Frage hörte, die er hören wollte: Warum ausgerechnet Wolverine? "Er ist ein Superman, so wie ich."

Das sagte er natürlich halb schmunzelnd, wie Peter Sagan das oft tut, und der Saal lachte. Der 24 Jahre alte Slowake aus Zilina gefällt sich in einer Rolle als Clown und Unterhalter des Pelotons. Aber wie das bei halbschmunzelnd vorgebrachten Aussagen von Clowns halt so ist: Sie sind nicht nur zum Drüberlachen gedacht, sondern auch zum Ernstnehmen.

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Punkte auf den mittelschweren, hügeligen Etappen

Nun ist die Lackierung eines Mutanten in diesen dopingreichen Zeiten vielleicht nicht gerade die cleverste Wahl, aber unbenommen sei diesem Peter Sagan zugestanden, dass er in dem oft eintönigen Peloton auffällt. Und das nicht nur wegen seiner Vorliebe für Superhelden und für vermeintliche Späße, bei denen er es manchmal übertreibt - wie bei jener Siegerehrung, als er einer Hostess an den Hintern griff und sich dafür später entschuldigen musste. Sondern auch sportlich.

Der Tour-Tross befindet sich jetzt in den letzten Bergen, da prägen natürlich eher die Kletterer das Geschehen, nicht die Sprinter. Aber es gab schon Jahre, da interessierten sich selbst die Sprinter für die Bergetappen, weil es bei den Zwischenspurts ums Grüne Trikot ging, das traditionell der Beste ihrer Zunft tragen darf. Doch das ist in diesem Jahr anders. Seit der zweiten Etappe fährt Sagan durchgehend im maillot vert - und sein Vorsprung ist so üppig, dass er das Trikot auch noch in Paris tragen wird, falls er durchkommt. Das wäre dann das dritte Mal nacheinander, dass er diese Wertung gewinnt. Doch das stets Erstaunliche daran ist: Peter Sagan kann zwar sehr flott sprinten, aber eben nicht so flott wie die ganz großen Spurtspezialisten im Feld, etwa die beiden Deutschen Marcel Kittel und André Greipel.

Der Slowake holte sich seine Punkte vor allem in den Finals der mittelschweren, hügeligen Etappen, in denen Kittel oder Greipel längst zurückgefallen waren. Er holte sie auch schon mal, indem er selbst bei Etappen mit Anstiegen der ersten Kategorie in die Ausreißergruppe ging, um dann bei den punktemäßig seit 2011 besonders lukrativen Zwischensprints vorne zu sein. Das Grüne Trikot, so ist der Eindruck, gewinnt inzwischen nicht mehr der beste Sprinter, sondern der beste Allrounder, was ungefähr so ist, als wäre Bastian Schweinsteiger bei der Fußball-WM zum besten Angreifer gewählt worden.

Es wäre schon schöner, wenn die Etappenankünfte im Vergleich mehr belohnt würden, sagte Marcel Kittel (bei der Tour 2014 mit bisher drei Etappensiegen) am Ruhetag; aber er wolle sich da jetzt nicht beschweren, es sei halt so, wie es sei.

Dass es so ist, wie es ist, kommt also vor allem Peter Sagan entgegen. Seit 2010 ist er Profi, von Beginn an als Teil der schlecht beleumundeten italienischen Liquigas-Mannschaft (inzwischen Cannondale), bei der es in der vergangenen Dekade unter einer in Teilen bis heute tätigen Sportlichen Leitung zig Dopingaffären gab - vom Epo-Fall Manuel Beltran bei der Tour 2008 bis zur regelmäßigen Zusammenarbeit diverser Pedaleure mit dem italienischen Arzt Michele Ferrari, "Dottore Epo".

Neben seiner Fixierung auf das Grüne Trikot bei der Tour tut sich Sagan vor allem im Frühjahr bei den schwierigen, hügelreichen Klassikerrennen wie der Flandern-Rundfahrt hervor. Alle rühmen seine Technik und seine Vielseitigkeit, aber Sagan musste bei der laufenden Rundfahrt auch schon erkennen, dass diese Vielseitigkeit nicht nur Vorteile hat. Anders als in den beiden Vorjahren gewann er bisher noch keine Etappe, vier Mal war er Zweiter.

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Und das ist etwas, was der ironische Clown gar nicht leiden kann. In Oyonnax schleuderte er sogar wutentbrannt sein Rad zu Boden - und beschwerte sich, dass alle im Feld beim Finale nur noch auf das schauen würden, was er macht.

Es gibt allerdings auch viele Beobachter im Tour-Tross, die erwarten, dass Sagan das Grüne Trikot irgendwann Grünes Trikot sein lassen und sich stattdessen auf die Gesamtwertung konzentrieren wird. Peter Sagan sagt auf eine Frage zu diesem Thema wieder nur so einen typischen Peter-Sagan-Satz. Er sagt: "Jedes Jahr die gleiche Frage. Schauen Sie einfach nach, was ich letztes Jahr gesagt habe."

Damals hatte er gesagt, dass er nicht in die Zukunft schauen könne. Wolverine wird sich diese Frage aber noch häufig anhören müssen.

© SZ vom 23.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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