Olympia:Ungarns Staatsfernsehen ignoriert Flüchtlingssportlerin

Lesezeit: 1 min

Schwimmerin Yusra Mardini, 18. (Foto: AFP)

Die aus Syrien geflohene Schwimmerin Yusra Mardini gewinnt in Rio ihren Vorlauf. Doch der Live-Sender MTV verschweigt ihre Leistung.

Yusra Mardini hatte keine Medaille gewonnen, sie hatte keinen Rekord gebrochen, aber das war den Reportern jetzt egal. Gut 50 Journalisten zückten ihre Diktiergeräte und drängten sich um Mardini, die Schwimmerin war am Samstag die meistgefragte Interviewpartnerin, nach dem Wettbewerb über 100 Meter Schmetterling. Und das lag an ihrer Geschichte.

Zur Erinnerung: Mardini, 18, tritt für das Flüchtlingsteam bei Olympia an, so wie neun weitere Sportler. Nach ihrer Flucht aus Syrien hat sie in Berlin eine neue Heimat gefunden, ihr Verein sind die Wasserfreunde Spandau 04. "Ein unbeschreibliches Gefühl" sei ihr Olympia-Start gewesen, so zitierten die Reporter Mardini zum Beispiel.

Der staatliche ungarische Fernsehsender MTV berichtete etwas anders über Mardini, nämlich so gut wie gar nicht. Als die 18-jährige Schwimmerin ihren Vorlauf über 100 Meter Schmetterling gewann, berichtete MTV zwar live. Der Reporter nannte aber ihren Namen nicht. Nicht einmal, als sie als Siegerin anschlug. Auch ihren besonderen Status verschwieg er. Das Flüchtlingsteam besteht aus Sportlern, die wie Mardini vor Krieg und humanitären Katastrophen aus ihrer Heimat fliehen mussten. Oppositionelle Medien in Budapest bezeichneten das Verschweigen von Mardinis Namen und Status als Zensur.

Unter dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán verfolgt Ungarn eine Politik der Abschottung gegenüber Flüchtlingen. Staatliche Medien-Kampagnen diffamieren Asylsuchende als Wirtschaftsflüchtlinge und potenzielle Terroristen. Am 2. Oktober sollen die Ungarn bei einem von Orbán initiierten Referendum die Flüchtlingsverteilungsquoten der EU ablehnen.

Nach dem Rennen am Samstag sendete Mardini noch einige Grüße nach Berlin. "Ich möchte Ihnen für die Unterstützung danken. Sie sind in meinem Herzen", sagte sie. Am Mittwoch schwimmt sie erneut, im Rennen über 100 Meter Freistil.

© SZ.de/dpa/chge - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Flüchtlingsteam
:Eine Mannschaft, wie es sie noch nie gab

Zehn Sportler, zehn bewegte Geschichten: Das olympische Flüchtlingsteam erhält in Rio viel Applaus. Mittendrin ist eine 18-Jährige aus Berlin.

Von René Hofmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: