Olympia:Polizei klagt an: US-Schwimmer beschmutzen Rio

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Ryan Lochte hat es rechtzeitig zurück in die USA geschafft. (Foto: Martin Meissner/AP)

Ryan Lochte und drei Kollegen haben einen Raubüberfall erfunden. Brasilien empfindet ihre Schmierenkomödie als Affront. Nun reagiert das US-Olympiakomitee.

Von Jürgen Schmieder

Es war alles Lüge: Ein Beweisvideo und weitere Zeugenaussagen haben Licht ins Dunkel von "Water-Gate" gebracht, der merkwürdigen Affäre um vier US-Schwimmer in Rio de Janeiro. Ryan Lochte und ein paar Kollegen, die mit ihren Erzählungen über einen bewaffneten Raubüberfall Rio in Aufruhr versetzt hatten, haben gelogen - weil sie massiv über die Stränge geschlagen hatten und ihre spätpubertären Ausfälle vertuschen wollten.

Die Polizei von Rio gab nun eine Pressekonferenz im Stadtteil Leblon, die wegen des großen Medienandrangs in einem Theater abgehalten wurde. "Es gab keinen Raubüberfall", sagte der leitende Ermittler Fernando Veloso. Die Schwimmer hätten "Vandalismus-Handlungen begangen", ergänzte er.

Dann sagte er noch einen Satz, den das komplette US-Team beschämen dürfte und den Bewohnern Rios aus der Seele sprach: "Die Bürger von Rio mussten erleben, wie der Name ihrer Stadt durch eine Lügengeschichte beschmutzt wurde. Es wäre angemessen, um Entschuldigung zu bitten. Das ist bis jetzt nicht passiert." Erst am späten Abend reagierte das US-Olympiakomitee (Usoc), bestätigte den Vorfall und bat die Gastgeberstadt Rio "und die Menschen in Brasilien" um Verzeihung.

Der Vorfall führte fast zu diplomatischen Verwerfungen zwischen den USA und Gastgeber Brasilien: Die brasilianischen Justizbehörden hatten am Mittwochabend die Schwimmer Jack Conger, 21, und Gunnar Bentz, 20, am Flughafen an der Ausreise gehindert. Kollege Jimmy Feigen, 26, den die Polizei ebenfalls am Flughafen erwartet hatte, nahm von sich aus Kontakt mit den Behörden auf. Der sechsmalige Olympiasieger Ryan Lochte hatte das Land bereits zuvor verlassen.

Was war passiert?

Lochte, 32, hatte behauptet, eine Party im Club France am Sonntag um vier Uhr morgens angetrunken verlassen zu haben. Er und seine Kollegen seien im Taxi zurück ins olympische Dorf gefahren. Auf dem Weg seien sie von falschen Polizisten gestoppt und ausgeraubt worden, einer der Räuber habe Lochte eine Pistole an die Schläfe gedrückt. Er sei traumatisiert, sagte er öffentlich, der Vorfall warf kein gutes Licht auf den Gastgeber, es wurde weltweit über die Sicherheit in Rio debattiert.

Dann zeigten Videoaufnahmen eine andere Version: Lochte und seine Kollegen verließen den Club erst um kurz vor sechs Uhr morgens, sie baten den Taxifahrer auf dem Heimweg, an einer Tankstelle anzuhalten. Dabei demolierte einer der Schwimmer die Tür und das Interieur der Toilette, sie debattierten danach mit einem Tankstellen-Mitarbeiter und einem Wachmann, es kam auch zu einer Rangelei.

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Der Wachmann wollte die Schwimmer mit gezogener Waffe zum Verbleib zwingen - die bezahlten jedoch den Schaden und verließen die Tankstelle, bevor die vom Besitzer herbeigerufene Polizei eintraf. Ein Video aus dem olympischen Dorf zeigt Lochte und seine Kollegen, wie sie lachend durch die Sicherheitskontrolle gehen. Traumatisiert schien keiner zu sein.

"Wir können bestätigen, dass es keinen Raubüberfall gegeben hat", hatte da schon ein Mitarbeiter der Polizei von Rio berichtet: "Sie haben gelogen." Die Beamten hätten sich zunächst darüber gewundert, dass den US-Schwimmern zwar Geldbörsen abgenommen worden seien, aber keine Smartphones, Uhren oder Schmuck. Bei der Befragung hätte sich zudem herausgestellt, dass Lochte eine andere Version erzählte als einer seiner Kollegen. Die Polizei in Rio wollte die Sportler erst ausreisen lassen, wenn letzte Fragen beantwortet sind.

Das brasilianische Organisationskomitee versucht, den Vorfall herunterzuspielen. "Es braucht keine Entschuldigung, diese Jungs wollten nur ein bisschen Spaß haben", sagte Sprecher Mario Andrada: "Wir sollten alle mal halb lang machen. Manchmal stellt man eben etwas an, das man später bereut." Ein Dummejungenstreich also. Schwamm drüber.

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Die Behörden sahen das freilich anders. Das Demolieren einer Tankstellen-Toilette ginge womöglich noch als unglückliche Aktion durch, die Lügen von Lochte und seinen Kollegen allerdings fanden die Menschen in Rio gar nicht witzig. "Der Vorfall hat großen Schaden angerichtet, weil er ein Wespennest anstößt", sagte Brian Winter der New York Times. Er ist Vizepräsident der auf internationale Beziehung spezialisierten Organisation Americas Society and Council of the Americas: "Gringos behandeln das Land wie ein drittklassiges Urlaubsziel, in dem man die Polizei anlügen und damit davonkommen kann."

Die Polizei von Rio ermittelt aber auch wegen Vortäuschung einer Straftat, das dürfte noch ein paar Tage lang dauern. Ob den Schwimmern die Entschuldigung der Usoc hilft, ist ungewiss.

Mit Material von SID

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