Olympia:Fatale Signale des IOC

Olympische Spiele sind immer noch imstande, da und dort besondere Momente zu schaffen. Leider aber gab es in Pyeongchang zu viele verstörende davon.

Kommentar von Holger Gertz, Pyeongchang

Natürlich ist die Silbermedaille der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang eine große Überraschung. Vor allem ist es eine schöne Geschichte. Die Botschaft, dass Außenseiter mit Können und Spielglück Großes schaffen können, ist tröstlich und ermutigend für diejenigen da draußen, die sich selbst von Zeit zu Zeit wie Prügelknaben oder Außenseiter vorkommen - also für alle.

Das plötzlich eishockeyberauschte - und twitternde - deutsche Publikum erkannte jedenfalls schon vor dem Finale gegen die Russen Parallelen zum "Wunder von Bern", dem WM-Sieg der Fußballer von 1954. Dieser Vergleich allerdings ist eine der schrillen Überhöhungen der momentfixierten Gegenwart. Dass Deutschland damals kurz nach dem Krieg bei so einer WM überhaupt mitmachen und sogar noch gewinnen konnte, war ein Hinweis darauf, von der Weltgemeinschaft wieder als Mitglied aufgenommen worden zu sein. Ein Ereignis wie '54 ist das Silber der Eishockeyspieler 2018 nicht im Entferntesten, der Unterschied zwischen Sensation und Wunder ist dann doch enorm.

Olympia 2018 war ja nicht nur ein Eishockeyturnier, es geht auch um das große Bild

Aber die Geschichte dieser Mannschaft zeigt, dass Olympische Spiele immer noch imstande sind, da und dort besondere Momente zu schaffen. Pyeongchang 2018 wird in die kollektive Erinnerung der Deutschen eingehen als der Event, bei dem sie sich den Wecker auf fünf Uhr morgens gestellt haben, so wie ihre Eltern vor langer Zeit für Muhammad Ali. Aber Pyeongchang 2018 war ja nicht nur ein Eishockeyturnier, es geht immer auch um das große, gesamte Bild. Und wer sich das anschaut, sieht jenseits deutscher Medaillen gerade in Pyeongchang viele Aspekte, derentwegen das Internationale Olympische Komitee (IOC) so sehr in Verruf geraten ist.

So muss es verstören, dass bei diesen Spielen so viele Russen am Start gewesen sind. Ein Land, in dem organisiertes Staatsdoping betrieben, in dem bei den Winterspielen in Sotschi 2014 eine der größten Sportbetrügereien der olympischen Geschichte angerührt wurde, durfte trotzdem starten, mit 168 Athleten, denen neue Namensschilder umgehängt wurden: "Olympische Athleten aus Russland". Wer die richtigen Kontakte hat, kann sich offenbar alles erlauben - das ist ein fatales Signal des IOC, das sich doch angeblich Werten wie Fairness verpflichtet fühlt. Und tatsächlich wirkte es wie die Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet zwei der Russen, die während der Spiele von Pyeongchang in dem Sinne gar keine Russen waren, des Dopings überführt wurden, ein Curler und eine Bobfahrerin.

Das IOC als Friedensstifter?

Olympia: IOC-Präsident Thomas Bach übernimmt die Olympische Flagge von Sim Jae-guk, dem Bürgermeister von Pyeongchang, um sie anschließend dessen Pekinger Amtskollegen Chen Jining (links) zuz übergeben.

IOC-Präsident Thomas Bach übernimmt die Olympische Flagge von Sim Jae-guk, dem Bürgermeister von Pyeongchang, um sie anschließend dessen Pekinger Amtskollegen Chen Jining (links) zuz übergeben.

(Foto: AFP)

Statt ein klares Zeichen zu setzen und die Russen komplett auszuschließen, versuchten sich die Olympioniken um den deutschen IOC-Chef Thomas Bach als Weltfriedensstifter. Nord- und Südkorea liefen unter gemeinsamer Flagge ein und stellten ein vereintes Fraueneishockeyteam. Die vom nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un entsandten Cheerleaderinnen durften mit ihrer einstudierten Gleichförmigkeit und ihrem Kunstharzcharme die erste Woche der Spiele prägen, es war eine vor der Weltöffentlichkeit aufgeführte Propagandanummer. Bach selbst beschreibt das IOC dennoch als Wegbereiter für Größeres. "Wir hoffen, die politische Welt wird das Momentum nutzen." Als hätte er nicht selbst aus der sportlichen längst eine politische Welt gemacht.

Dabei ist es anmaßend von einer Sportorganisation zu glauben, sie könne eines der gefährlichsten Minenfelder des Planeten befrieden, es ist ein Ausdruck von Hybris. Die jüngsten Aussagen von US-Präsident Trump deuten jedenfalls nicht darauf hin, dass ihn das von Mister Bach aus Germany definierte Momentum interessiert.

Die Bürger im Westen sagen zunehmend Nein zur Olympia

Die olympische Karawane zieht unterdessen weiter, 2020 sind Sommerspiele in Tokio, 2022 Winterspiele in Peking, die Asiaten sind blendende Organisatoren, aber die Stimmung ist überschaubar, und das IOC würde für den fernen Winter 2026 gern wieder eine der klassischen Wintersportnationen als Gastgeber sehen. In denen haben aber zuletzt bei Volksbefragungen die Bürger immer Nein zu Olympiabewerbungen gesagt, auch in München. Zu belastend für die Umwelt sind die Winterspiele, und wer will mit diesem IOC zu tun haben?

Die deutschen Eishockeyspieler haben Werbung gemacht für die Idee von Olympia, aber auch wenn sie rübezahlartig verwegen aussehen, ist ihre Wirkkraft begrenzt. Denn eine Werbung für die Spiele waren die Spiele in Pyeongchang im Ganzen nicht.

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