Olympia:Deutsche Fußballer: Immerhin noch nicht verloren

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Serge Gnabry erzielte zwei Tore gegen Südkorea. (Foto: Felipe Oliveira/Getty Images)

Ein abgefälschter Freistoß in der Nachspielzeit rettet einer slapstickhaft agierenden deutschen Elf ein 3:3 gegen Südkorea. Horst Hrubesch und seine Spieler klingen trotzdem optimistisch und reden von Gold.

Von Jürgen Schmieder

Natürlich gibt es nun zwei Lesarten für die beiden Auftritte der deutschen Fußballmänner bei diesen Olympischen Spielen. Die typisch deutsche und damit pessimistischere Auslegung ist die nüchterne Feststellung, dass die Mannschaft noch immer kein Spiel gewonnen hat in Brasilien - dem 2:2 gegen Mexiko folgte am Sonntagabend ein 3:3 gegen Südkorea - und dass es beim letzten Gruppenspiel am Mittwoch schon einen Sieg mit mehr als vier Toren Unterschied braucht, um ganz sicher das Viertelfinale zu erreichen.

Zu dieser Form der Analyse gehört freilich das Aufzählen der zahlreichen Fehler, die der deutschen Elf in beiden Partien unterlaufen sind. Gegen Südkorea etwa schien es einen mannschaftsinternen Wettbewerb um die meisten Fehlpässe im Mittelfeld zu geben, die Verteidiger leisteten sich Abstimmungsfehler, die bisweilen an Slapstick erinnerten. Vor dem ersten Gegentreffer etwa stocherten sie den Ball so lange im Strafraum herum, bis ihn endlich ein Gegner aus spitzem Winkel ins Tor drosch. Bei den anderen beiden Toren genossen jeweils fünf Akteure ihre privilegierte Position als Zuschauer mit dem besten Blick aufs Geschehen. Der Ausgleich in der Nachspielzeit? Nun ja, ein abgefälschter Freistoß.

Dieses Fußballturnier jedoch, es findet in Brasilien statt. Dort begeistern sich die Menschen für ein improvisiertes Unentschieden unter schwierigen Umständen mindestens genau so wie für einen ausgetüftelten Sieg. "Gambiarra" nennen sie das in Brasilien, und richtig ist deshalb eben auch diese Feststellung: Die deutsche Elf hat noch immer nicht verloren bei diesem Turnier, sie hat mehrere Rückstände aufgeholt und jeweils vor dem Ende einer Partie gegen wahrlich nicht schlechte Gegner ausgeglichen. Sie kann den Einzug ins Viertelfinale schaffen, ohne auf das Ergebnis der anderen Partie achten zu müssen. Es braucht einen Sieg gegen Fidschi, bei einem Unentschieden zwischen Mexiko und Südkorea muss die Tordifferenz mehr als vier Tore betragen - angesichts der bisherigen Ergebnisse des Gegners (0:8 gegen Südkorea, 1:5 gegen Mexiko) erscheint das durchaus realistisch.

Diese deutsche Mannschaft ist eine Zusammenstellung hochbegabter Kicker, der aufgrund der kurzen Vorbereitung noch das Feintuning fehlt. Die Elf wirkte gegen Südkorea frischer und aggressiver als gegen Mexiko, es waren auch spektakuläre Kombinationen zu bestaunen, die andeuteten, dass der Ball bei den kommenden Partien ein Freund dieser jungen Männer sein möchte. Sie ließ sich bislang von Rückständen nicht beeindrucken - wohl auch deshalb, weil alle wissen, dass da einer mitspielt, der den Fußball in einer Zeit von Ballbesitz-Wahn auf seine wesentlichen Elemente reduziert: Serge Gnabry ist ein traditioneller Toreschießer, er kann wunderbar schlenzen, zur Not aber auch mal einen Freistoß so am Kopf des Gegenspielers platzieren, dass der Ball von dort aus ins Tor kullert.

"Wir haben wieder Charakter gezeigt"

"Wir haben zwei dumme Gegentore bekommen und Glück gehabt, dass wir zum Schluss einen Freistoß rausgeholt haben", sagte Gnabry nach dem Spiel: "Wir haben aber wieder gekämpft und Charakter gezeigt." Sie haben in beiden Partien am Ende die Ärmel hochgekrempelt - und nicht deshalb, weil es besser aussieht. Sie wirken nach diesen beiden Unentschieden keineswegs nervös, sondern vielmehr so, als hätten sowohl Spieler als auch Trainer die zweite, die optimistischere Variante gewählt, die bisherigen Auftritte zu beurteilen.

"Wir wussten, dass es gegen Mexiko und Südkorea nicht leicht wird und dass wir noch nicht so eingespielt sind, wie wir das gerne hätten", sagte Hrubesch, der ja ohnehin die Geduld eines passionierten Anglers besitzt: "Wir wollen bis zum Ende dabei sein." Gnabry, der nun bereits drei Treffer bei diesem Turnier erzielt hat, sagte gar: "Wir sind nicht hierhergekommen, um Dritter oder Vierter zu werden. Wir wollen die Goldmedaille!" Nun, das ist doch mal Optimismus. Damit dies eine realistische Einschätzung wird, braucht es am Mittwoch dann endlich den ersten Sieg bei diesen Olympischen Spielen.

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