Olympia:Der Mittelfinger gibt ihm Ruhe

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Santo Condorelli vor dem Start: Früher noch drastischer (Foto: Gabriel Bouys/AFP)

Der Kanadier Santo Condorelli präsentiert sich vor jedem Start in umstrittener Pose. Sie gilt aber nicht dem IOC oder dopenden Schwimmern - sondern seinem Vater.

Von Saskia Aleythe, Rio de Janeiro

Erstmal schauten alle auf Anthony Ervin, der Amerikaner hat schließlich die auffälligsten Tattoos unter den Schwimmern: Beide Arme sind voll damit, rot und grün leuchtet es vom Handgelenk bis zur Schulter. Doch drei Bahnen neben ihm zeigte Santo Condorelli in diesem Vorlauf über 50 Meter Freistil eine interessante Geste: Er klappte alle Finger seiner rechten Hand nach innen, nur der Mittelfinger blieb stehen, dann ging sie so Richtung Stirn.

Eine Provokation an die Gegner? Eine Botschaft ans IOC? Nein, der Kanadier grüßt damit nur seinen Vater. Auf eine, nun ja, eigenwillige Art und Weise.

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Die Bilder von Santo Condorellis Finger gingen bereits um die Welt und sie hätten wohl eine noch größere Runde gemacht, wäre der Schwimmer so engagiert gewesen wie sonst: Ist nicht gerade Olympia, steht der Kanadier mit weit ausgestrecktem Arm auf dem Startblock und zeigt den Finger Richtung Tribüne. Für Olympia ist es nun die abgeschwächte Version, man will dann ja schon auch ein bisschen brav sein, wenn die ganze Welt zuschaut. Oder zumindest die, die sich fürs olympische Schwimmen interessieren.

Als Condorelli acht Jahre alt war und als schüchterne Junge am Startblock bibberte, gab ihm sein Vater einen Tipp. "Du musst dein Selbstbewusstsein aufbauen und allen anderen zeigen, dass du schwimmst", riet ihm Joseph Condorelli, "zeig mir den Finger, wenn du am Startblock stehst und ich zeige ihn dir zurück". Es ist ein Ritual zwischen den beiden geworden, vor jedem Rennen geht der Gruß hin und her, auf der Tribüne steht dann ein Mann mit ausgestrecktem Mittelfinger. "Es ist eine Kommunikation zwischen ihm und mir, um ruhig zu werden", sagt der Schwimmer. Ärger gab es natürlich schon: Bei kanadischen Jugendmeisterschaften vor einigen Jahren stand Condorelli direkt neben der Kamera und er streckte seinen Finger direkt vor die Linse. Die Folge: "Ich musste eine Entschuldigung schreiben."

Natürlich hätte ihm sein Vater auch ein anderes Zeichen beibringen können, doch Joseph Condorelli war da etwas unbeholfen. "Als Santo zwei Jahre alt war, ist mein Vater gestorben und dann war da niemand mehr, der mir sagt, wie man ein Kind aufzieht", sagt Joseph Condorelli. Für Kanada startet sein Sohn nur, weil dort die Mutter geboren ist. Er lebt und trainiert in Portland und was amerikanische Schwimmer so drauf haben, weiß man ja. Am Donnerstagabend verpasste Santo Condorelli den Endlauf um eine Medaille, es reichte für ihn nur zum zwölften Platz. Aber dafür war es wohl das erste olympische Halbfinale mit Mittelfinger vor dem Start.

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