Olympia:"Das ist es, worauf ich zehn Jahre lang hingearbeitet habe"

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Die deutschen Ringer sind fassungslos vor Glück: Denis Kudla holt Bronze, für ihn ist es der Lohn dafür, dass er mit elf Jahren von zu Hause auszog.

Von Volker Kreisl, Rio de Janeiro

Als ihm Bronze sicher war, kam die eigentliche Prüfung. Der Ringer Denis Kudla hatte sich gerade tief pumpend und schweißüberströmt am Rande der Final-Matte auf den Boden gelegt und alle Viere von sich gestreckt, da schoss aus der Ecke der Deutschen ein Mann in roter Kleidung nach oben aufs Podium, sprintete hinüber zu Kudla und legte sich bäuchlings auf den schwer Atmenden, um ihn zu herzen. Es war Michael Carl, der Bundestrainer für den griechisch-römischen Stil.

Die Freude musste raus, und zwar sofort. Später sagte Carl: "Ich bin absolut sprachlos." Er hatte zwei seiner Olympiadebütanten in die Bronzekämpfe gebracht. Denis Kudla aus Schifferstadt holte in der Gewichtsklasse bis 85 Kilogramm die Medaille im Kampf gegen den Ungarn Viktor Lorincz, Eduard Popp scheiterte an Sabah Shariati aus Aserbaidschan. Der 130-Kilo-Mann hatte sich nach zirka anderthalb Minuten etwas verschätzt und war von seinem Gegner überrascht worden. Shariati hatte den Deutschen anders als seine vorigen Gegner über links attackiert, und auf die Schultern gebracht. Popp wehrte sich noch ein paar Sekunden, dann war der Kampf vorbei.

Mit elf Jahren ins Ringer-Internat

Einmal Bronze, einmal Platz fünf, Trainer Carl war dennoch sprachlos. Popp ist ja erst 25 Jahre alt und seine internationale Erfahrung ist überschaubar, ebenso wie beim 21-jährigen Kudla. Popp hat es bei Weltmeisterschaften mehrmals in die Finalphase geschafft, Kudla errang Silber bei der Junioren-WM 2014 in Zagreb und wurde in diesem Jahr Dritter bei der EM in Riga. Doch im Ringen bilden sich die Fähigkeiten meistens mit der Zeit und mit vielen Kämpfen gegen die unterschiedlichen Ringstile heraus. Kudla und Popp stehen da erst am Anfang, dennoch hatte Kudla nun plötzlich eine Medaille und musste die Geschichte dazu gleich im Fernsehen erklären.

Er stammt aus Dasing bei Augsburg und zog inspiriert von seinem Trainer als Elfjähriger an den Stützpunkt in Schifferstadt ins Ringer-Internat. Kudla lernte dort die Grundlagen, verfeinerte seine Technik und begann, wie ein Besessener zu trainieren. Seit er dann ins Programm der Fortgeschrittenen einstieg, steht er jeden Tag für zwei Einheiten in der Halle. "Das ist es, worauf ich zehn Jahre lang hingearbeitet habe", sagte er.

Kudla sammelt seine letzte Energie

Das gilt auch für den Deutschen Ringerbund. Auch der hatte lange auf diesen Tag hingearbeitet, aber lange, das bedeuten hier schon drei Jahre. Nach den Olympischen Spielen in London, wo die Ringer keine einzige Medaille geholt hatten, wurde in der Struktur einiges verändert. Im Mannschaftsteil Griechisch-römisch, also jener Ringer, die nur hüftaufwärts den Gegner angreifen dürfen, erkannte man einen Mangel in der Ausbildung individueller Stärken. Ab sofort gab es einen speziellen Plan für jeden Ringer und eine taktische Einstellung für dessen Fähigkeiten, zum Beispiel für dessen Temperament.

Kudla kamen an diesem ersten Olympiatag seines Lebens seine Fähigkeiten als Standringer zugute. Er glänzt weniger mit spektakulären Würfen mit hoher Flugkurve des geworfenen Gegners, sondern holt seine Punkte im taktischen, verbissenen Stehendringen um die höhere Aktivität. So hat er den WM-Dritten, Habibollah Akhlagi aus Iran, bezwungen, und kurz darauf gelang ihm so auch der Sieg im Kampf um Bronze. Beide Gegner ließ er zwischenzeitig in Führung gehen und spekulierte jeweils auf den letzten Punkt. Im Ringen wird das Durchhaltevermögen und die Angriffslust bis kurz vor Schluss honoriert. Er sammelte also seine letzte Energie, Gegner Lorincz war platt und Kudla holte sich seinen Lohn: den letzten Punkt und Bronze.

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