Novak Djokovic bei den French Open:Der Schläger muss dran glauben

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Da war das Handwerkszeug kaputt: Novak Djokovic erreichte trotz Verstimmung das Finale in Paris. (Foto: Pascal Guyot/AFP)

Novak Djokovic wirkt im Halbfinale der French Open ungewöhnlich unkonzentriert - mit roher Gewalt zertrümmert er sein Spielgerät. Doch Gegner Ernests Gulbis kann die Situation nicht nutzen. Der Lette beschwert sich über das zu warme Eis in seinem Nacken.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Günter Bresnik, der gewiefte Ausbilder, Stratege, Bluffer aus Wien, er hatte tiefgestapelt vor diesem speziellen Halbfinale zwischen Ernests Gulbis und Novak Djokovic, ungefähr so tief, dass er bis zum Erdkern hätte vorstoßen können. "Ich garantiere", sprach der Österreicher, der viele berühmte Profis trainiert hat und alle Tricks kennt, "dieses Mal wird er die Trophäe stemmen in Roland Garros. Ich bin sicher."

Natürlich meinte er nicht den 25-jährigen Letten, den er seit zwei Jahren betreut und den er nach dessen turbulentem Leben in die Weltspitze zurückgeführt hat, "selbst wenn Novak nicht top spielt, ist die Lücke zu ihm zu groß, er hat mehr Erfahrung", ganz genau, und deshalb brauche Gulbis nicht mehr als "ein Wunder".

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Nicht eine Break-Chance lässt Rafael Nadal im Halbfinale der French Open seinem Gegenüber: In drei schnellen und einseitigen Sätzen zieht der Weltranglisten-Erste gegen Andy Murray ins Finale ein.

Ein Wunder? Nein, das hätte sein Spieler nicht benötigt, eine Dimension darunter hätte schon geholfen. Aber in einem hatte der 53-jährige Coach sehr wohl recht: Selbst an durchschnittlichen Tagen ist der 27-Jährige aus Belgrad ein kaum zu besiegender Athlet. Gulbis, der Lockenkopf aus Riga, der früher so gerne feierte, er hätte nur etwas konstanter, frecher, sicherer agieren müssen; so wie sonst im Turnier, weniger fehlerhaft, mutiger im Abschluss.

Das hätte womöglich gereicht, um diese fahrige Partie zu verlängern. "Er brachte den Ball zweimal übers Netz, ich einmal, so sehe ich das", schilderte Gulbis, "in meinen Augen war das keine Partie mit hoher Qualität." Djokovic bestätigte diese Sicht, "wir hatten beide zu kämpfen", sagte er nach dem 6:3, 6:3, 3:6, 6:3 und war froh, dass ihm der fünfte Satz erspart blieb: "Gott weiß, in welche Richtung das Match gegangen wäre."

Und vielleicht nicht mal der. Im Finale trifft er wie erwartet auf ihn: Rafael Nadal, 28, den sie den König von Paris nennen. Acht Mal schon triumphierte der Weltranglisten-Erste hier, er baute seine Bilanz auf sagenhafte 65:1 Siege aus mit dem 6:3, 6:2, 6:1 gegen Andy Murray. Dieses Duell war ein Trainingsmatch für den Spanier: Der schottische Wimbledon-Sieger war müde von zwei Fünfsatz-Matches und wirkte überfordert gegen den Sandplatzspezialisten aus Manacor, Mallorca.

Die beiden Besten haben damit ihre Schuldigkeit getan, ihre Hoffnungen und Optionen leben weiter. Der Favorit? Beide spielen dem anderen ein wenig die Rolle zu, verweisen aber auch auf eigene Stärken, das alte Spiel. Aus den Statistiken lässt sich alles und nichts ableiten. Die vier letzten Duelle gewann der Weltranglisten-Zweite, insgesamt führt Nadal (22:19), in Paris zudem ungeschlagen gegen den Dauerrivalen (5:0). Wichtiger wird sein: "Er will endlich seinen ersten Titel in Paris", sagte Nadal, "aber ich will diesen neunten Titel."

Es ist ja sein Roland Garros, seine Obsession, sollte das heißen. Djokovic, bislang bei den Grand Slams in Melbourne (vier Mal), Wimbledon und New York triumphierend, befand, Nadal sei "nicht unschlagbar", gab aber zu: "Der Druck ist da." Dass er mit einem Erfolg Nadal an der Spitze ablösen würde, wäre ein symbolisch gehaltvoller Nebeneffekt, war aber zuvor kein Thema. Djokovic, das betonte er, wolle jetzt versuchen, "die Energie richtig zu lenken und mich nicht zu sehr vom Stress der Gelegenheit wegtragen lassen". Seine Anspannung, ja, sie war zu spüren.

Vor allem nach diesem Halbfinale, in dem er, zuvor so stark in allen fünf Runden, im dritten Satz Probleme offenbarte: "Ich habe mich plötzlich müde gefühlt, Konzentration und Kondition haben abgenommen", sagte Djokovic, versicherte aber, es sei "nichts Ernstes". Sein Selbstvertrauen kann er vor allem aus der jüngsten Siegesserie ziehen: Elf Matches hat er seit Rom kontrolliert, in Italien auch Nadal besiegt, in Indian Wells und Miami hatte er zuvor gewonnen, was den Schmerz über das Achtelfinal-Aus in Melbourne im Januar linderte. Aber auch hier ein Aber: "Der beste Spieler auf Sand hat noch nicht in Roland Garros gewonnen", meinte gerade John McEnroe, die Meinung des früher so erfolgreichen Exzentrikers vergrößert sicher die "Erwartungen", die Djokovic ja selbst absolut hat.

Gulbis war zugetraut worden, das als Traumfinale titulierte Endspiel zwischen Djokovic und Nadal zu gefährden. Er und Djokovic kennen sich ja seit gemeinsamen Zeiten in der früheren Akademie von Niki Pilic. Zwei Top-Ten-Spieler hatte er zudem schon besiegt in Paris, Roger Federer und Tomas Berdych, er beeindruckte mit seiner schlangenhaften Vorhand. Gegen Djokovic waren seine Stärken aber zwei Sätze lang wie weggezaubert.

"Ich bin diese ganz großen Matches noch nicht gewohnt", räumte er ein. In den 74 Minuten, in denen Djokovic solide, aber nicht großartig agieren musste, unterliefen Gulbis 28 Fehler ohne Not. Erst der dritte Satz verlief offener, seine beidhändige Rückhand, die er als eine der besten der Tour einschätzt, landete bierdeckelgenau in den Ecken. Gulbis schaffte das Break zum 5:3 und sicherte sich den Satz. Nur fünf leichte Fehler unterstrichen seine Rückkehr ins Match, das im vierten Satz eine neue Note erhielt.

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Djokovic ging gleich 2:0 in Führung, gab den Vorsprung aber postwendend her, und dann - auf der Tribüne staunte auch Björn Borg - zertrümmerte der Serbe den Schläger. Als wäre er Gulbis. So ähnlich hatte sich das Bresnik sicher vorgestellt, das Wunder.

In dem Serben brodelte es, einiges schien möglich zu sein, zumal Gulbis auch moserte und sich über das zu warme Eis beschwerte, mit dem er den Nacken kühlte. Bei ihm sind Tiraden ein Zeichen, dass er drin ist im Match. Aber ein Break zum 5:3 für Djokovic entschied Satz und Match. "Ich hatte das Gefühl, ich traf nur fünf Schläge sauber", nörgelte Gulbis, "und er sicher auch."

Nadal, Djokovic, der Erste gegen den Zweiten, 19 Grand-Slam-Titel zusammen, ewige Favoriten, haben Großes erreicht. Doch auf diesem Niveau zählt der zweite Platz nichts. "Ich habe heute mein bestes Match in der Sandplatzsaison gezeigt", sagte der Spanier, vor Tagen noch leichte Rückenprobleme beklagend. "Er hat sich gesteigert", das fiel auch Djokovic auf. Er weiß: Um Größeres zu schaffen, muss er ans Limit gehen, sich steigern. Nadal ist bereit. Er will Roland Garros nicht hergeben.

© SZ vom 07.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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