Neuvorstellungen in der Bundesliga:Eine halbe Weltreise entfernt

Lesezeit: 3 min

Präsentation in Rot: Robert Lewandowski (Foto: Bongarts/Getty Images)

Während das ganze Fußball-Land nach Brasilien zur WM schaut, wetteifern die Bundesliga-Klubs um die Aufmerksamkeit, die von dem großen Turnier übrig bleibt. Am irrsten ist es in München.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Eine Tür geht auf, herein kommt Matthias Sammer. Er dreht sich um und sagt: "Come in." Juan Bernat folgt ihm also, er betritt einen grauen, kühlen Raum, ein Podium, vier helle Bänke, zwei Stuhlreihen, eine Kamerareihe. Bernat betritt den Presseraum des FC Bayern München, aber er lässt sich nicht täuschen: Er betritt eine Bühne.

Ein Tag Anfang Juli in Deutschland. An den Autos wehen Deutschland-Fähnchen, in den Supermärkten gibt es Super-Fußball-Angebote, alle Menschen sprechen über die Weltmeisterschaft, die weit weg stattfindet, in Brasilien, eine Reise um die halbe Welt. Und die doch so nah ist, die Gesprächsthemen liefert, Emotionen.

In diesen Tagen bereiten sich die Bundesliga-Vereine auf die Saison vor. Und wollen, dass alle das erfahren. Also bauen sie eine Parallelbühne auf.

Vorstellung von Lewandowski bei Bayern
:Grinsend bei den Rothemden

Lange hat´s gedauert, jetzt ist er angekommen: Robert Lewandowski wird offiziell beim FC Bayern München vorgestellt. Sportvorstand Matthias Sammer hat rechtzeitig vorgesorgt, um ihm einen Wunsch zu erfüllen.

In dem kühlen Presseraum in München setzt sich Matthias Sammer auf dem Podium hinter einen Tisch. Die Fernsehkameras sind weiter auf die Tür gerichtet. Juan Bernat läuft auf das Podium, setzt sich neben Sammer. Die Kameras der Fotografen klicken. Sammer fummelt am Mikrofon des Dolmetschers herum. Dann spricht Juan Bernat. Er sagt: "Buenas tardes."

Bernat ist Spanier, 21 Jahre alt, 172 Zentimeter klein, Linksverteidiger, vor allem aber ist er: ein Zugang, einer, den bis vor wenigen Tagen fast niemand in Deutschland kannte. Ein Zugang wie Bernat, angeblich knapp zehn Millionen Euro teuer, das ist das wertvollste Gut in diesen Tagen, um Aufmerksamkeit zu bekommen.

Die Vereine präsentieren ihre neuen Spieler wie sonst nur Politiker auf Staatsbesuchen präsentiert werden. Der neue Mann am Flughafen seines bisherigen Wohnorts. Der neue Mann am Flughafen von München, Bremen oder Dortmund. Der neue Mann bei der medizinischen Untersuchung. Der neue Mann bei der Vertragsunterschrift. Alles wird dokumentiert, ins Internet gestellt, darunter schreiben die Vereine dann: Der neue Spieler am Flughafen. Oder: Der neue Spieler bei der Vertragsunterschrift. Und damit das nicht immer so eintönig klingt, schreiben sie manchmal noch "Hallo" dazu, aber in der Sprache des neuen Mannes. Die Leute klicken die Fotos an. Dann klicken sie weiter.

Am irrsten ist es auf dieser Parallelbühne natürlich in München. Am Mittwoch wurden in diesem kühlen, knapp strafraumgroßen Presseraum Sebastian Rode und Robert Lewandowski vorgestellt, es kamen so viele Journalisten, dass es in dem Raum sehr voll und sogar etwas wärmer wurde. Erst nannte Matthias Sammer Rode einen "Giftzwerg", dann machten die Fotografen Fotos, wie Rode ein Trikot des FC Bayern in den Händen hielt. Lewandowski sagte, dass er ein besserer Spieler werden wolle. Dass er alle Titel gewinnen wolle. Dass Pep Guardiola ein toller Trainer sei. Dann machten die Fotografen Fotos, wie Lewandowski ein Trikot des FC Bayern in den Händen hielt.

Am Tag danach sitzt Bernat hinter dem Tisch, er hat die Hände unter die Oberarme geklemmt, es ist wirklich kühl, es sind aber auch nicht so viele Journalisten gekommen. Bernat erzählt, dass am Morgen auf dem Weg zum Training "alle Gefühle dabei waren", ein bisschen Nervosität, aber auch eine "große Vorfreude". Der Dolmetscher übersetzt, dass Bernat sich freue, nun bei einer der größten Mannschaften der Welt zu spielen, aber auf Spanisch klang das eindrucksvoller: uno des los équipos más grandes del mundo. Sportvorstand Sammer hört dem Dolmetscher dennoch sehr begeistert zu.

Die Aufmerksamkeit, die sich die Bundesliga in diesen Juli-Tagen erhofft, ist natürlich eine internationale, trotz dieses Turniers, das eine halbe Weltreise entfernt stattfindet. Werder Bremen und der Hamburger SV sind deswegen sogar nach China geflogen, um dort ein paar Tage zu trainieren, zu spielen und zu werben. Was eine sehr clevere Idee war: China hatte sich ja erst gar nicht für die WM qualifiziert.

Neuer Bayern-Spieler Bernat
:Ingwer für Guardiola

Schnell, ballsicher, klein: Der FC-Bayern-Zugang Juan Bernat ist ein Wunschspieler von Pep Guardiola. Der schnelle Außenverteidiger wird allerdings kaum die letzte Zutat für das Spielrezept des Münchner Trainers gewesen sein.

Von Benedikt Warmbrunn

Von der Reise gibt es Fotos, wie die Spieler von Werder Bremen Sehenswürdigkeiten besichtigen und durch die Stadt laufen, sie haben dazu ihre Poloshirts hochgezogen, so heiß ist es. Außerdem gibt es Fotos, wie Werder-Trainer Robin Dutt Fotos von den Sehenswürdigkeiten macht. Die Leute haben die Bilder im Internet angeklickt. Dann haben sie weitergeklickt.

In dem Presseraum bemüht sich Sammer sehr, Juan Bernat in einer lockeren Atmosphäre willkommen zu heißen. Er schwärmt. Manchmal berührt er Bernat an der Schulter, der Spanier erschrickt dann jedes Mal, weil er ja nicht versteht, worüber Sammer gerade spricht. Einmal sagt der Sportvorstand, dass Bernat so redet wie er spielt, "kurz, knapp, schnell, prägnant, sachlich"; als der Dolmetscher es übersetzt, lacht Bernat erstmals.

Aber natürlich geht es auch in dem kühlen Presseraum am Ende um etwas ganz anderes: um die WM. Sein Tipp für's Finale? Bernat sagt: "Argentina". Dann lacht er wieder. Nur ein Scherz. Natürlich Alemania. Wie er, Sammer, Deutschlands Chancen im Finale einschätze? Sammer sagt, ganz aufgesaugt von dem Gemeinschaftsgefühl: "Wir sollten nicht in Rückstand geraten. Und wenn wir in Führung gehen, bin ich gespannt, wie Argentinien spielt. Dann haben wir gute Chancen zu gewinnen." Als der Sportvorstand nach der Bedeutung von Toni Kroos für das Finale am Sonntag gefragt wird, sagt er: "Wir stellen hier Juan vor. Wir sollten nicht so viel über anderes reden." Schließlich bekommt Juan Bernat ein Trikot in die Hände gedrückt, sein Name ist darauf gedruckt, dazu eine 18. Bernat hält das Trikot in den Händen, die Fotografen machen Fotos.

Und auf einmal ist der ganze Ernst der Parallelbühne Bundesliga zu erkennen in den Augen des kleinen Spaniers. Auf dem Podium steht ein Mann, dessen junges Leben in den vergangenen Tagen gewaltig durcheinandergewirbelt wurde.

© SZ vom 11.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: