Neues Präsidium beim TSV 1860:Start mit einer zünftigen Hypothek

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Geschäftsführer Robert Schäfer bei der Mitgliederversammlung des TSV 1860. (Foto: dpa)

Das neue Präsidium des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München strebt eine Annäherung zu Investor Hasan Ismaik an. Es muss aber gleich den heiklen Fall zwischen Geschäftsführer Robert Schäfer und Ismaik-Cousin Noor Basha moderieren. Dem droht die Ausweisung.

Von Gerald Kleffmann und Philipp Schneider

Am Montagfrüh ging es für Peter Helfer gleich mit Terminen weiter, der Bauunternehmer aus Dachau hatte Ortsbesichtigungen zu absolvieren, es blieb erst mal keine Zeit, die Ereignisse des Vortages groß Revue passieren zu lassen. Als einer von drei Vizes wurde Helfer auf der turbulenten Mitgliederversammlung des TSV 1860 München ins vakante Präsidium gewählt, das nun der 51-jährige Marketingfachmann Gerhard Mayrhofer anführt. An diesem Dienstag allerdings will sich die neue Vereinsspitze schon wieder treffen, auf dem Klubgelände in Giesing, um alles durchzusprechen, "was wir zusammen bewegen wollen", wie Helfer sagt.

Vielleicht werden sie auch auf den neuen Sponsorendeal anstoßen, denn wie bereits erwartet, hat Sechzig einen Vertrag bis 2016 mit Volkswagen geschlossen. Der Schriftzug "Think Blue" wird fortan auf den blauen Trikots zu lesen sein, hinter dem Spruch verbirgt sich die "Nachhaltigkeitsstrategie" des Konzerns.

Nachhaltig nachhallen in den Köpfen vieler Löwenfans wird dabei ein freudiger Ausruf von Thomas Zahn, dem "Leiter Marketing und Vertrieb Deutschland Volkswagen Pkw". Denn in der Pressemitteilung lobte er neben dem Verein ("Traditionsklub", "treue, leidenschaftliche Anhängern", "gute sportliche Perspektive") vielleicht versehentlich auch die verhasste Arena als "eines der besten Stadien weltweit". Das wird nicht gut ankommen.

Das neue Präsidium jedenfalls, dem neben Mayrhofer und Helfer auch noch der Steuerberater Heinz Schmidt und der stellvertretende Fußball-Abteilungsleiter Erik Altmann angehören, will am Dienstag auch die Mannschaft besuchen. Tatendrang ist zu spüren und wird auch notwendig sein, groß sind die Ziele: Den Aufstieg in die erste Bundesliga hält Mayrhofer schon in dieser Spielzeit für möglich und erwünscht, der Auszug aus einem der besten Stadien weltweit und das Erbauen eines eigenen "Löwenkäfigs" sollen folgen. Und dann ist da ja noch der Konflikt mit dem Mitgesellschafter und Investor Hasan Ismaik, der zu schlichten wäre.

Falls noch erwünscht.

Der Jordanier hatte 2011 den Verein mit seinem Vermögen gerettet und bis heute rund 27 Millionen Euro überwiesen. Heute, im Juli 2013, spielt er freilich eine ganz andere Rolle. Zu großen Anteilen selbst verschuldet, hat er es zuletzt hinnehmen müssen, dass die Vereinsseite alle Personalentscheidungen ohne seine (dank 50+1 nicht erforderliche) Zustimmung getroffen hat. Aber diesen Zustand wollen die neuen Gestalter nun tatsächlich ändern, und zwar zum Besseren für alle Beteiligten.

"Wir haben das Signal bekommen, dass er mit uns sprechen will", sagt Helfer, und deshalb wolle man sich schnellstmöglich mit der Investorenseite ins Benehmen setzen, um sich für ein Treffen zu verabreden, das entweder in Abu Dhabi, wo Ismaik lebt und seinen Geschäften als CEO des Baugiganten Arabtec Holding nachgeht, oder eben in München stattfinden soll. Zu bereden gäbe es wahrlich viel, nach diversen persönlichen Scharmützeln untereinander, die auf beiden Seiten teils ins Lächerliche abdrifteten, könnte eine neue Tonlage einer Annäherung nur dienlich sein.

Ihre neue Amtszeit starten die vier Präsidiumsmitglieder allerdings mit einer zünftigen Hypothek. Wie auf der Mitgliederversammlung publik wurde, hat ein Vorstoß des Geschäftsführers Robert Schäfer bei der Ausländerbehörde dafür gesorgt, dass Noor Basha Deutschland verlassen muss, binnen vier Wochen. Basha ist zufällig der Cousin Ismaiks und in München so etwas wie sein Statthalter. Er hatte, ebenfalls zufällig, genau wie Ismaik immer wieder vehement die Ablösung Schäfers gefordert.

"Das ist eine ganz blöde Geschichte", sagt Helfer unumwunden zu dem ganzen Vorfall, wobei er keinerlei Schuldzuweisungen Richtung Schäfer äußert. Der habe richtig entschieden, Basha nun doch nicht anzustellen entgegen der Verabredung mit Ismaik und entgegen der schriftlichen Zusage bei der Behörde im November 2012. Das Schreiben trug damals den Betreff: "Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung als Talentscout". Bashas Aufenthaltserlaubnis sollte also nur die Grundlage für ein fest zugesichertes Anstellungsverhältnis sein. Denn Schäfer schrieb auch: "Wir bestätigen Ihnen hiermit, dass Herr Noor Adnan Hassan Basha [...]bei TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA, Grünwalderstraße 115, 81547 München eingesetzt werden soll." Ein reines Gefälligkeitsschreiben? Auf der Mitgliederversammlung sagte Schäfer nun, er brauche die Gelder von Ismaik vorab, "weil es sich um ein beträchtliches Gehalt handelt". Und diese Überweisung sei "bis heute noch nicht passiert." Schäfer schrieb von einem monatlichen Bruttogehalt von "ca. EUR 5.000".

Der arabische Geschäftsmann hätte das Gehalt also selbst bezahlen sollen, wenn er schon darauf dränge, seinen Cousin zu beschäftigen. Das mag vordergründig plausibel (wenn auch etwas geizig gegenüber Ismaik, dem zum damaligen Zeitpunkt noch großen Darlehensgeber) klingen, doch wohnt der Angelegenheit eine im Grunde ungeheuerliche Note inne. Denn dass Schäfer die Anstellung an eine vorherige Überweisung knüpfen wollte, davon war zumindest in Schäfers (öffentlich gemachtem) Schreiben an die Behörde keine Rede. Und dass sich die Aufkündigung von Bashas Aufenthaltsgenehmigung nun in der Amtsstube einer Stadt zugetragen hat, für die der damalige Präsident Hep Monatzeder als dritter Bürgermeister zuständig war und noch immer ist, das ist dann schon etwas unglücklich.

Robert Schäfer hat auf der Mitgliederversammlung in einer durchaus gelungenen Rede lange über das Verhältnis zum Investor gesprochen. "Allein Hasan Ismaik" habe den Verein gerettet, sagte Schäfer, und: "Aus meiner Sicht müssen wir auf Hasan Ismaik zugehen und ihm sagen: Die Hand ist weiter ausgestreckt, du bist weiter ein wichtiger Teil." Dabei verschwieg er leider nur jene Begebenheit, die seine Worte zutiefst konterkarierten. Schäfer teilte Anfang Juni dem Kreisverwaltungsreferat mit, dass 1860 Basha nicht angestellt habe und - vor allem - dies auch in absehbarer Zeit nicht geschehen werde. Diese nicht unerhebliche Information steuerte erst der frühere und vom Aufsichtsrat fallen gelassene Präsident Dieter Schneider bei, der eine Wortmeldung zur Wahrheitsfindung nachschob. Zum Ärger Schäfers, der aber zumindest griffig konterte. Später blieb er konsequent bei der Version, er sei verpflichtet gewesen, das Amt über Bashas Status zu informieren - dass er aber den Betroffen selbst offenbar nicht darüber in Kenntnis setzte und dieser ohne Vorwarnung vorgeladen wurde, wirft ein anderes Licht auf den Geschäftsführer. Gut möglich, dass Aversionen doch eine Rolle spielten.

Es gibt nach SZ-Informationen einen Ehrenamtler im Verein, der das Vorgehen Schäfers intern bereits scharf verurteilt hat. Peter Helfer war es nicht, doch der lobt Basha als "sehr engagierten und leidenschaftlichen Löwen-Vertreter". Deshalb sagt Helfer nun: "Wir arbeiten an einer Lösung", damit meint er sich und seine Präsidiumskollegen. "Und ich denke, wir werden mit Ismaik auch eine Lösung finden." Auch für die dringend zu klärende Frage, wie es in Deutschland weitergehen soll mit Noor Basha. Dem Münchner Vertreter eines Investors, der laut Robert Schäfer ja immerhin der alleinige Retter des Vereins ist.

© SZ vom 16.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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