Erst vor einer Woche ist Huub Stevens als Trainer von Paok Saloniki entlassen worden. Der anerkannt kapriziöse griechische Traditionsklub begründete den Beschluss mit "der offensichtlichen, lang anhaltenden Krise in den vergangenen zwei Monaten" - im Januar und Februar hatte Paok in der Liga viermal verloren und fünfmal gewonnen, zum Zeitpunkt der Trennung stand man auf dem zweiten Tabellenplatz.
Der VfB Stuttgart hat Stevens aber nicht deshalb engagiert, weil er gern eine so sanft gepolsterte Krise hätte wie Saloniki. Sondern weil Stevens nach der Kündigung erklärte, dass es ihm gut gehe - und dass er sich darauf freue, am Abend mit seiner Frau ein Glas Wein zu trinken.
Huub Stevens wird VfB-Trainer:"Ich brenne, ich bin richtig heiß"
Der VfB Stuttgart zieht Konsequenzen - und trennt sich von Trainer Thomas Schneider. Sein Nachfolger steht bereits fest: Huub Stevens soll nun den Abstieg des VfB verhindern.
Viele Trainer empfinden eine Entlassung als traumatisches Erlebnis. Aber der Pragmatiker Stevens hält sich nicht mit Empfindsamkeiten auf. Er muss nicht zur Kur nach Bad Mergentheim und dann weitere sechs Monate die Akkus aufladen, wie es in der Fachsprache heißt. Er zog stattdessen andere Fachbegriffe heran: "Ich brenne, ich bin richtig heiß", meldete er am Sonntag aus Eindhoven, und wenn diese Bekundungen von Feuereifer auch platt klingen mögen: Ganz bestimmt sind sie wahrhaftig.
Der VfB ist in einer Situation, in der er einen Trainer braucht, der die Aura von Professionalität und Erfahrung besitzt. Spätestens am Samstag war der Punkt erreicht, an dem alle idealistischen Erwägungen nichtig waren. So wie Thomas Schneider den Versuch der schwäbisch-familiären Idealpolitik verkörperte - junger Trainer aus dem eigenen Haus, der junge Spieler aus dem eigenen Haus heranführt -, so repräsentiert nun Stevens das Gebot der Realpolitik.
Der fahrende Facharbeiter kommt aber nicht nach Stuttgart, um ein komplett gescheitertes Projekt zu sanieren, er findet einen guten Kader und eine weitgehend gesunde Basis vor. Am liebsten hätte man beim VfB ein ganz neues Modell kreiert: Schneider hätte als Trainer für die ersten 80 Spielminuten bleiben dürfen, Stevens wäre Trainer für die letzten zehn Minuten geworden.
Die vielen späten Gegentore sind die Besonderheit dieses Falls, sie erscheinen wie ein Mysterium und ein nicht wegtrainierbarer Fluch, aber wahrscheinlich sind sie halt doch nur ein Defekt der Mannschaftspsyche. Stevens wurde nicht als Exorzist verpflichtet, sondern weil es ein Markenzeichen seiner Trainerlehre ist, den Teams ein Gleichgewicht zu geben.
Die Besinnung auf den sogenannten "Stuttgarter Weg" hatte der VfB zu einem Leitmotiv der Saison erhoben, Spieler aus dem eigenen Internat sollten wieder in den Mittelpunkt rücken. Auf dieser Route gab es nun eine Vollbremsung. Es gibt Gründe, warum Stevens nicht als großer Jugend- und Fortschrittsförderer gilt. Aber man braucht jetzt seine Hilfe, um über eine Umleitung ans Ziel des Stuttgarter Wegs zu gelangen.