Nationalelf: Lukas Podolski:Geschickter Schachzug

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Joachim Löw setzte Lukas Podolski vor dem Spiel gegen Aserbaidschan unter Druck. Es war weniger Kritik oder gar Drohung, sondern vielmehr Kalkül des Bundestrainers.

Jürgen Schmieder

Auf den ersten Blick hörte sich die Meldung so an, als wäre etwas Schlimmes passiert. "Löw rüffelt Podolski" war da zu lesen, "Bundestrainer Löw knallhart" und "Problem Poldi: Jogi Löw verliert die Geduld mit seinem Liebling". Was war passiert? Hatte der Bundestrainer Lukas Podolski aus dem Kader verbannt?

Gefeiert vom Kölner Publikum: Lukas Podolski nach dem Spiel gegen Aserbaidschan. (Foto: Reuters)

Löw hatte nach dem Qualifikationsspiel in Belgien nur einen kurzen Satz gesagt: "In der zweiten Halbzeit ist er abgefallen, er war nicht so im Spiel." Das war nun wahrlich keine harsche Kritik, sondern eher eine realistische Analyse von Podolskis Leistung. Der Bundestrainer wusste freilich, dass ihm diese Worte als "Rüffel" ausgelegt und in der Öffentlichkeit eine kleine Debatte lostreten würden.

Gegen Aserbaidschan nämlich agierte Podolski wie ein kleines Kind, das seinen Eltern im Wohnzimmer neue Kunststücke vorführen möchte. Er präsentierte sich im heimischen Kölner Stadion beweglich und ballsicher, zu Beginn der Partie versuchte er sich mit drei Gewaltschüssen innerhalb weniger Minuten. Kurz vor der Pause erzielte er dann nach feinem Zusammenspiel mit Mesut Özil ein Tor und bereitete nur wenige Sekunden später den Treffer von Miroslav Klose vor.

"Das war ein weiterer Schritt nach vorn in meinem Wohnzimmer", sagte Podolski, nachdem ihn die Zuschauer in der Kölner Arena ausgiebig gefeiert hatten. Von Löw kamen dann auch warme Worte in die Richtung seines Offensivspielers: "Jeder hat gesehen, dass Lukas eine andere Dynamik gezeigt hat. Das macht ihn auch stark. Wie Lukas mit unglaublicher Schnelligkeit in die Tiefe sprintet, ein Tor selbst macht und andere vorbereitet über die linke Seite - das ist schon sehr gefährlich. Ich hatte immer das Gefühl, dass er wieder auf dieses Niveau kommt."

Nun wird klar, dass Löws Aussage nach dem Belgien-Spiel weniger als Kritik oder gar Drohung zu verstehen war, sondern als geschickter Schachzug des Bundestrainers. Der weiß um die Stärke seines Schützlings, gegen vermeintlich schwächere und extrem defensiv stehende Gegner außerordentlich präsent zu sein. Dazu hat Podolski quasi einen Garantieschein, gegen Mannschaften jenseits von Platz 80 der Fifa-Weltrangliste ein Tor zu erzielen - er traf schon gegen Thailand, Luxemburg, San Marino, Zypern, Liechtenstein, China und Aserbaidschan.

Podolski befindet sich ja immer wieder einmal auf der Suche nach seinem Talent, das zwar außerordentlich ist, ihm offensichtlich von Zeit zu Zeit abhandenkommt. Löw darf sich nun auf die Fahnen schreiben, dass er Podolski durch seine kritischen Worte verbunden mit dem dennoch vorhandenen Vertrauen behilflich war auf der Suche - so wie Eltern einem Kleinkind eben helfen, wenn es gerade nicht weiß, wo denn der Lieblingsbagger ist. Und Podolski darf behaupten, er habe die Worte seines Trainers richtig gedeutet und entsprechend reagiert.

Schon hat die aufkeimende Debatte um Podolskis Berechtigung für einen Platz in der Startelf wieder an Fahrt verloren, auch wenn der Gegner eben nur Aserbaidschan war. Einen Monat lang wird nun Ruhe herrschen, dann versammelt sich die Nationalelf, um das Qualifikationsspiel gegen die Türkei zu bestreiten. Das Problem dabei nur: Der Gegner ist dann nicht der 104. der Fifa-Weltrangliste.

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