Michael Schumacher in der Krise:Nichts ist so wie früher

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Macht er weiter? Hört er auf? Nach dem schlechtesten Saisonstart seiner Karriere wird die Frage nach Michael Schumachers Zukunft immer drängender. Der deutsche Formel-1-Pilot und sein Rennstall Mercedes befinden in einer schwierigen Situation: Sie sind an der Grenze der Handlungsfähigkeit.

Michael Neudecker, Monte Carlo

Vijay Mallya, ein stämmiger Mann mit gewelltem Haar und grauem Kinnbart, saß jetzt da oben, auf dem Podium im etwas schäbig aussehenden Presseraum an der Formel-1-Strecke von Monaco, er sprach dann über Paul di Resta. Er sagte: Di Resta habe "bei uns einen kugelsicheren Vertrag". Die Reporter notierten, aha aha, Mallya, di Resta, kugelsicherer Vertrag.

Schlechtester Saisonstart seiner Karriere: Michael Schumacher. (Foto: dpa)

Vijay Mallya ist ein berühmter Mann in Indien, er hat mehrere Firmen, eine Bierbrauerei, eine Fluglinie, dazu gehört ihm das Formel-1-Team Force India, in dem also auch Paul di Resta fährt, 26 Jahre alt, Schotte. Di Resta ist talentiert, aber außerhalb der Formel 1 und Indien in etwa so bekannt wie Vijay Mallya. Dass die Vertragssituation von Paul di Resta bei Force India vor dem Großen Preis von Monaco ein Thema wurde, das lag auch weniger an Mallya oder di Resta, sondern an: Michael Schumacher.

Es geht zurzeit immer irgendwie um Michael Schumacher in der Formel 1, es ist fast so wie früher. Nicht wahr?

Gewinnt er? Wer kann ihn stoppen? Das waren die Fragen, die sie sich früher dauernd gestellt haben, aber das ist längst vorbei. Schumacher, inzwischen 43 Jahre alt, hat gerade den statistisch schlechtesten Saisonstart seiner Karriere hinter sich, zwei Punkte aus fünf Rennen, sein Vertrag läuft am Saisonende aus. In Monaco muss er am Sonntag fünf Positionen weiter hinten starten, weil er in Barcelona vor zwei Wochen Bruno Senna ziemlich ungestüm von hinten rammte; Siegchancen hat er so kaum.

Macht er weiter? Hört er auf? Darum geht es jetzt. Natürlich war das auch in Monaco so, Schumacher wurde gefragt, wie das nun sei mit seiner Zukunft, da lächelte er und sagte, er sei "nicht darauf fokussiert, was nächstes Jahr passiert, sondern, was jetzt ist". Nachfragen erwiderte er mit dem Hinweis, er wolle in keine tiefere Diskussion verwickelt werden, bitte haben Sie Verständnis, Danke.

Mache ich weiter? Höre ich auf? Michael Schumacher stellt sich diese Fragen ja selbst oft genug. Er hat, so sieht es aus, noch keine Antwort. Dass die Fragen mit jeder Woche drängender werden, das macht die Sache nicht leichter.

Nick Fry, der Geschäftsführer des Formel-1-Teams von Mercedes, hat neulich etwas ungeschickt die Schumacher-Diskussion lauter gedreht, als er über Schumacher sprach und über di Resta: "Paul ist auf unserem Radar", sagte Fry ungefragt, seitdem ist di Resta als Schumacher-Nachfolger eine beliebte Spekulation in der Szene, ungeachtet dessen, dass niemand weiß, ob Mercedes überhaupt einen Nachfolger braucht. Auch Norbert Haug weiß das nicht, der Mercedes-Motorsportchef, deshalb will er nicht viel dazu sagen. Nur das: "Für jeden Schlüsselmann im Team braucht man eine Alternative." Und: "Es ist wie in einem Schachspiel, wenn Bewegung da ist, muss man nachziehen." Haug sitzt im Motorhome von Mercedes, im ersten Stock, an der Wand hängt ein Bild von Schumachers Auto, von der Sonne bestrahlt.

Formel 1 in Monaco
:Rundendrehen im Fürstentum

Das Formel-1-Rennen auf dem Stadtparcours in Monte Carlo gehört allein schon wegen seiner malerischen Rennstrecke zu einem der spektakulärsten Events der Saison. Beim ersten freien Training lassen es viele Fahrer noch ruhig angehen - oder nehmen sich Zeit für ihre Fans.

Es ist eine schwierige Situation, in der sich Haug und Mercedes befinden: Sie sind an der Grenze der Handlungsfähigkeit. Schumacher hat offenbar eine Option zur Verlängerung in seinem Vertrag, Mercedes dagegen bleibt wohl nichts, als Schumachers Entscheidung abzuwarten. Vor der Saison hatte Teamchef Ross Brawn gesagt, er fände es gut, wenn Schumacher verlängern würde, denn das würde zeigen, dass Mercedes auf einem guten Weg sei. Das ist nun aber auch so eine Frage: wie gut der Weg tatsächlich verläuft. Dass Schumacher erst zwei Punkte hat, das ist ja nicht nur seine Schuld.

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Das Formel-1-Rennen auf dem Stadtparcours in Monte Carlo gehört allein schon wegen seiner malerischen Rennstrecke zu einem der spektakulärsten Events der Saison. Beim ersten freien Training lassen es viele Fahrer noch ruhig angehen - oder nehmen sich Zeit für ihre Fans.

Beim ersten Rennen in Melbourne fuhr er in der Qualifikation auf Platz vier, im Rennen schied er mit Getriebeschaden aus; in Malaysia war er nach der Quali Dritter, im Rennen schubste ihn Romain Grosjean in der ersten Runde, er fiel weit zurück, wurde dann immerhin noch Zehnter. In Shanghai fuhr er sogar auf Startplatz zwei, doch dann zog ein Mechaniker beim ersten Boxenstopp einen Vorderreifen nicht fest genug, und in Bahrain riss in der Qualifikation ein Kabel am Heckflügel, dazu nahm das Team für das Rennen einen Getriebewechsel vor; Schumacher startete als 22. und wurde Zehnter. Nur in Barcelona, wo er Senna ins Heck fuhr, war Schumachers Ausscheiden seine Schuld. Im Teamfunk beschimpfte er Senna als "Idiot".

Früher hatte man den Eindruck, Schumacher könne über Wasser laufen, aber nun? Michael Schumacher ist immer noch ein guter Rennfahrer, ein Ausnahmesportler, aber doch hat sich etwas verändert. Er kann jetzt nicht mehr über Wasser laufen. Er ist zum gewöhnlichen Brustschwimmer geworden.

Im Fahrerlager glauben dennoch die meisten, dass er weitermacht, wegen seines Ehrgeizes und seiner Lust, in der Formel 1 zu fahren, und, das auch, weil Mercedes trotz aller Pannen ein doch vielversprechendes Auto gebaut hat. Eines immerhin, mit dem Schumachers Teamkollege Nico Rosberg in Shanghai gewann, äußerst souverän. Und auch für Mercedes ergäbe eine Weiterbeschäftigung Sinn: In keinem Team konzentriert sich jede Debatte so sehr auf einen Fahrer wie bei Mercedes und Schumacher. Formel 1 ist vor allem Marketing, und der Wert von Michael Schumacher ist in diesem Geschäft unermesslich, wenngleich er bei seinem Comeback vor drei Jahren in seinem Vertrag fixieren ließ, dass er nur wenige PR-Termine absolvieren muss.

Paul di Resta? Es gäbe nur eine Alternative zu Schumacher, sagen sie im Fahrerlager: Lewis Hamilton. Auch dessen Vertrag läuft aus, McLaren soll ihm bislang nur ein eher schwaches Angebot unterbreitet haben. Die Verhandlungen aber gehen weiter, McLaren will Hamilton ja behalten, und es könnte noch wichtig werden, ob sie beendet sind, wenn Schumacher sich entscheidet.

Hört er auf? Macht er weiter?"Wir haben keine Eile", auch das sagt Norbert Haug noch. Er weiß, dass das nicht ganz stimmt.

© SZ vom 26.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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