Max Kruse vor EM-Qualifikation:Mittelstürmer in Ausbildung

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Will sich nach seiner Demission wieder im DFB-Team etablieren: Max Kruse (Foto: Bongarts/Getty Images)

Den Salto müssen jetzt andere machen: Nach dem Klose-Rücktritt sucht die DFB-Elf eine neue Lösung für den Angriff. Neben Thomas Müller oder Mario Götze ist Mönchengladbachs Max Kruse plötzlich wieder eine Option - obwohl er gar kein echter Stürmer ist.

Von Christof Kneer, Frankfurt

Max Kruse sieht nicht viel Fußball, sagt er, er gehört jedenfalls nicht zu denen, die im Fernsehen jedes internationale Spiel nach Laufwegen absuchen, die man selbst vielleicht auch mal ausprobieren könnte. Natürlich hat Kruse auch "Emigrantes" nicht gesehen, die kleine Sendung, die ein spanischer Bezahlsender extra ins Programm genommen hat, um über jene spanischen Fußballer zu berichten, die im Ausland spielen. In der jüngsten Ausgabe von "Emigrantes" war Jose Luis Sanmartín Mato zu Gast, Kampfname Joselu, der neuerdings für das jetzt auch in Spanien bekannte Hannover 96 Fußball spielt.

Joselu saß also im schwarzen T-Shirt in seinem Wohnzimmer in Niedersachsen, in dem ein Poster seiner selbst hängt, und er sinnierte, weiße Kopfhörer im Ohr, via Skype über seine Zeit als Auswanderer. "Sag' mal Joselu, nur um beruhigt zu sein", sagte dann der Moderator, "du wirst doch wohl nicht für Deutschland spielen?" Also, sagte Joselu, als habe er nur auf diese Frage gewartet, "man sollte niemals nie sagen".

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Joselu, 24, ist Spanier, er hat in den Nachwuchsteams von Real Madrid gespielt und bis zur U21 in allen spanischen Jugend-Nationalmannschaften, aber er ist in Stuttgart geboren. Sein Ziel sei, in die spanische Elf berufen zu werden, sagte Joselu, weiße Kopfhörer im Ohr, dem "Emigrantes"-Moderator, "das Ziel hat jeder Profi". Aber wenn diese Tür verschlossen bliebe, dann würde er "zu Deutschland natürlich nicht nein sagen".

Joselu für Deutschland? Der Stürmer Max Kruse sagt, er habe davon noch nie gehört. Aber das muss nichts heißen. Es ist ja noch ganz neu.

Es ist weit gekommen mit den deutschen Stürmern. Früher wurden sie selbst in die Welt hinaus exportiert, und zumindest auf diesem Planeten wäre jedes Land glücklich gewesen, wenn es wenigstens den dritt- oder fünftbesten deutschen Stürmer abbekommen hätte. Und jetzt soll Deutschland plötzlich das Land sein, in das Stürmer einwandern, wenn sie es anderswo nicht schaffen? Das klingt, als sei man Norwegen oder Burkina Faso - war man nicht gerade noch Weltmeister?

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Ja, Deutschland ist Weltmeister, aber das ist es ohne Stürmer geworden, oder präziser: mit einem Stürmer, der schon so lange Stürmer ist, dass sich selbst er inzwischen müde gelaufen hat. Miroslav Klose kann keinen gescheiten Salto mehr, das sagt er selbst, und das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass jetzt mal die Jüngeren ranmüssen. Dabei stellt sich nur eine Frage: Welche Jüngeren eigentlich?

Mario Gomez? Der ist seit vielen Monaten mehr Patient als Stürmer, und er ist auch schon fünf Jahre älter als zum Beispiel Jose Luis Sanmartín Mato, Kampfname Joselu. Ansonsten: Mario Götze kann vorne spielen, Thomas Müller kann vorne spielen, aber sie sagen ja selbst, dass sie Offensivspieler sind, keine Stürmer.

Es spricht also einiges dafür, dass Max Kruse, Kampfname Max Kruse, immer noch oder wieder ein deutscher Nationalstürmer ist. Joachim Löw hatte den Angreifer kurzfristig ausrangiert vor der WM, das kam etwas überraschend, "und dann ist es ja klar, dass nach Gründen gesucht wird", sagt Kruse. Er kommentiert die Gerüchte nicht, wonach er - angeblich - vor einem Länderspiel in England regelwidrigen Damenbesuch empfangen habe. "Ich hab mir nichts zuschulden kommen lassen", das ist seine Standardantwort; der Bundestrainer habe ihm am Telefon "mitgeteilt, dass er bei der Weltmeisterschaft auf andere Spielertypen setzen möchte".

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Es seien "ein paar bittere Tage" gewesen damals im Mai, sagt Kruse, "natürlich wäre ich auch gerne Weltmeister geworden". Er habe das aber "relativ schnell abhaken" können; und er kann das jetzt umso besser, weil er, trotz seines heutzutage fast methusalemhaften Alters (26), wieder mit sehr guter Perspektive in den Weltmeisterkader zurückgekehrt ist.

Ist Max Kruse jetzt Deutschlands letzter Stürmer? Das ist er nicht, vielleicht muss man sagen: noch nicht. "Auch ich bin eigentlich eher Offensivspieler als ein echter Mittelstürmer", sagt er, aber sein listiger Vereinstrainer nimmt darauf keine große Rücksicht. Lucien Favre setzt ihn in Gladbach nun schon im zweiten Jahr als zentrale Spitze ein, "ich soll mir nicht die Bälle im Mittelfeld abholen", sagt Kruse, "ich darf zwar variabel spielen, aber ich soll schon in die Tiefe gehen und vorne den Raum besetzen". In diesem Sommer hat sich die Borussia auch noch mehrere Flügelspieler angeschafft (Hahn, Traore, Hazard, Johnson), und jetzt, sagt Kruse, "kommen plötzlich auch mehr Flanken. Ich habe mein Spiel schon umgestellt, und jetzt muss ich es noch ein bisschen mehr verändern".

Max Kruse ist ein Mittelstürmer in Ausbildung. Er ist kein Kopfballkoloss und wird auch keiner werden, aber er hat in seinem Spiel eine Art von geschmeidiger Bulligkeit, die ihn auch im Strafraum wehrbar macht. Er könnte durchaus noch der Spieler werden, dem der Bundestrainer vertraut, wenn er einen Stürmer braucht. In diesem Fall sollte sich Jose Luis Sanmartín Mato, Kampfname Joselu, lieber darauf konzentrieren, für Spanien zu spielen.

© SZ vom 10.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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