Manchester City:Luxusteam ohne Seele

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Manchester City's James Milner (li.): Schmerzhafte Zeiten in der neuen Saison (Foto: AP)

Der englische Meister kränkelt: Für Manchester City geht es in der Champions League jetzt schon um alles. Dass die 67 Millionen für neue Abwehrkräfte kaum Wirkung zeigen, ist nicht das einzige Problem.

Von Raphael Honigstein, London

Manchester Citys Champions-League-Duell mit ZSKA Moskau ist das, was auf der Insel "Must-win-game" genannt wird, ein Pflichtsieg-Spiel. Man sollte das in diesem Fall aber nicht mit einem "Must-see-game" verwechseln. City, der Klub von Abu-Dhabi-Staatsoberhaupt Scheich Mansour, musste dem eigenen Anhang die Partie gegen die Russen erst mit einer generösen "Two-for-one"-Offerte (zwei Karten für den Preis von einer) schmackhaft machen, um die 45 500 Plätze im Etihad-Stadion im Osten Manchesters voll zu bekommen.

Gegen den AS Rom (1:1) waren vor einem Monat knapp 8000 hellblaue Sitze unbesetzt geblieben; für den Mittwochabend hatte noch größere Leere auf den Rängen gedroht, weil die Gäste aufgrund von Uefa-Sanktionen keine Fans mitbringen dürfen.

Anders als beim FC Arsenal oder den Lokalrivalen von Manchester United sind beim Premier-League-Meister Tickets für die Champions League nicht automatisch (sprich: zum verbindlichen Kauf) in Jahreskarten enthalten. Dazu kommt, dass das Stammklientel der nur noch von Nordengländern über 75 als "Citizens" bezeichneten Hellblauen traditionell aus eher einkommensschwachen Haushalten kommt. Und doch ist das mit der Königsklasse zum Ramschpreis irgendwie bezeichnend: City hat es seit seinem märchenhaften Aufstieg zum Spitzenklub vor sechs Jahren nicht geschafft, ein vernünftiges Verhältnis zur Champions League zu entwickeln.

Von den Tribünen kam zuletzt beim Rom-Match wie so oft in der Vergangenheit statt lautstarker Unterstützung nur ein nervöses Schweigen, das wie so oft in der Vergangenheit die Mannschaft noch nervöser machte. "Die Leute scheinen hier irgendwie nicht zu verstehen, um was es geht", wunderte sich der ehemalige United-Mittelfeldspieler Paul Scholes. Mit nur zwei Punkten aus drei Partien steht die Elf von Trainer Manuel Pellegrini schon wieder kurz vor dem vorzeitigen Aus in der Gruppe. Zwei Mal schied das Team bereits in der Vorrunde aus, in der vergangenen Saison reichte es auch nur zu einer Achtelfinal-Niederlage gegen Barcelona.

Nach dem peinlichen 2:2 in Moskau vor 14 Tagen - City hatte im Geisterspiel in der Khimki-Arena bis zur 65. Minute 2:0 geführt - widersprach City-Kapitän Vincent Kompany der These, wonach sein Team nach den Rückschlägen der vergangenen Jahre einen Minderwertigkeitskomplex entwickelt haben könnte. "Es gibt keinen mentalen Block bei uns, die Leistungen müssen nur besser sein", sagte der Belgier und ehemalige HSV-Verteidiger.

Das dient als Bestandsaufnahme, aber nicht als Erklärung. Im Sommer hatte City mit 67 Millionen Euro die Problemzone Abwehr verstärkt, allein der Franzose Eliaquim Mangala (Porto) kostete 40 Millionen. Einen echten Unterschied hat das bisher nicht gemacht. Auch Pellegrinis mitunter etwas stur und riskant erscheinende 4-4-2-Taktik, mit der City in der Zentrale gelegentlich in Unterzahl gerät, vermag das Ausmaß der kontinentalen Tristesse nicht wirklich zu begründen.

Ein kaum diskutierter, weil weicher Faktor wie der Mangel an englischen Führungskräften könnte möglicherweise eine Rolle spielen. Keeper Joe Hart ist der einzige Einheimische in der Stammelf, und kurioserweise machen ausgerechnet die Ausflüge auf das Festland deutlich, wie unzusammenhängend, ja seelenlos die luxuriöse Ansammlung von ausländischen Granden auftritt.

Vielleicht verschafft ja der 1:0-Sieg im Derby gegen United vom vergangenen Sonntag jetzt etwas Aufwind. Es war der vierte Erfolg in Serie im Stadtduell und für den argentinischen Außenverteidiger Pablo Zabaleta der Beweis, dass sich die Machtverhältnisse in der Stadt gedreht hätten: "United war das größte Team in Manchester, jetzt ist es eine andere Geschichte", sagte der 29-Jährige. Der Geschichte von Manchester City in der Champions League droht allerdings die übliche Pointe - falls man nicht die drei ausstehenden Partien gewinnt.

© SZ vom 05.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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