Laura Dahlmeier bei der Biathlon-WM:Erst Gold, dann Schwächeanfall

Lesezeit: 3 min

Nach dem Rennen schwanden die Kräfte: Laura Dahlmeier im Schnee von Hochfilzen. (Foto: Getty Images)
  • Laura Dahlmeier gewinnt bei der Biathlon-WM in Hochfilzen über 15 Kilometer ihr drittes Gold.
  • Weil sie vor dem Rennen die richtige Startgruppe wählt, hat sie einen Vorteil gegenüber ihrer Konkurrentin Gabriela Koukalova.
  • Das Rennen zum Nachlesen im Liveticker.

Von Joachim Mölter, Hochfilzen

Laura Dahlmeier ließ sich entschuldigen, sie fühle sich gerade nicht gut. Dabei hatte die 23-Jährige aus Garmisch-Partenkirchen doch eben erst das Einzelrennen über 15 Kilometer bei der Biathlon-WM in Hochfilzen gewonnen, ihren dritten Titel bei dieser Veranstaltung nach denen in der Mixed-Staffel und im Verfolgungsrennen. Die vierte Medaille beim vierten Start, wenn man das Sprint-Silber dazuzählt.

Die neunte Medaille im neunten WM-Rennen nacheinander, wenn man bis zu den Titelkämpfen 2016 in Oslo zurückgeht. Damit hatte Laura Dahlmeier einen Rekord der Norwegerin Tora Berger aus den Wintern 2012 und 2013 eingestellt. "Absolut gigantisch" sei das, sprach sie in die Fernsehmikrofone, ehe sie dem kräftezehrenden Programm Tribut zollte.

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"Ich hatte Probleme mit dem Blutdruck", erzählte sie später, als sie wieder auf den Beinen und doch noch zur obligatorischen Sieger-Pressekonferenz gekommen war. Dahlmeier hatte sich offenbar mehr verausgabt, als es den Eindruck hatte bei ihrem Erfolg vor ihrer Rivalin Gabriela Koukalova aus Tschechien. Beide hatten sich einen Schießfehler geleistet, aber Dahlmeier hatte die 15-Kilometer-Distanz 25 Sekunden schneller hinter sich gebracht. Es war das erwartete Duell gewesen der beiden besten Biathletinnen dieses Winters.

Das Wetter macht Probleme

Die Wetterprognose hatte der Region Tirol hingegen etwas Unerwartetes verheißen für diesen Februar-Mittwoch: Temperaturen von bis zu zehn Grad, bei wolkenlosem Himmel und Sonnenschein wie aus dem Bilderbuch. Das war schön für die 12 500 Zuschauer der Biathlon-WM, aber nicht für die 99 Sportlerinnen. Denn dieses Wetter stellte sie vor allerlei Herausforderungen: "Es war richtig warm, wie bei einem Sommer-Wettkampf", berichtete Dahlmeier später und empörte sich ein wenig: "Ich bin eigentlich Wintersportlerin!" Die Temperaturen zwangen die Frauen zudem zum Taktieren. "Man weiß nicht, was die Wärme mit der Strecke macht", hatte vor dem Rennen die Österreicherin Lisa Hauser gesagt, die in der Nähe von Hochfilzen daheim ist: "Ob sie am Schluss tiefer und schwerer wird, oder ob es schneller geht, wenn es später wieder friert."

Das war deswegen von Bedeutung, weil im Biathlon-Klassiker die Siegerin nicht im direkten Duell Frau gegen Frau ermittelt wird wie in der Verfolgung oder beim Massenstart, sondern im Kampf gegen die Uhr, wie im 7,5-Kilometer-Sprint: Die Biathletinnen gehen im 30-Sekunden-Abstand ins Rennen, abgerechnet wird erst, wenn die Letzte im Ziel ist. Im Sprint am Freitag war Koukalova als eine der Letzten in die Loipe gegangen und dort die entscheidenden Sekunden schneller vorangekommen als zuvor Dahlmeier. "Ich habe nicht verstanden, warum unsere Trainer heute entschieden haben, uns in eine frühere Startgruppe zu stecken", sagte die 27-Jährige leicht enttäuscht am Mittwochabend: "Wir hatten gute Ergebnisse, als wir später gestartet sind."

Am Mittwoch war Koukalova mit der Startnummer 51 auf die Strecke gegangen, rund 20 Minuten vor Dahlmeier (Nummer 93). In der Wahl der verschiedenen Startgruppen wurden die unterschiedlichen Philosophien der führenden Biathlon-Nationen beim Pisten-Poker deutlich: Die Deutschen und die Franzosen hatten ihre stärksten Läuferinnen in die letzte Startgruppe geschickt, in die mit den Startnummern von 70 an aufwärts. Sie hofften darauf, dass die Strecke der Belastung standhalten würde, dass der Schnee nicht zu weich werden würde angesichts der vielen Vorläuferinnen, die darüber hinweg gefahren waren; dass die Loipe vielleicht sogar wieder fror und das Gleiten erleichterte.

Die Tschechen versuchten, das Risiko zu minimieren, ihre Besten waren in der Startgruppe 3 versammelt, also etwa in die Mitte des Feldes. Damit würden sie sicher nicht die besten Bedingungen bekommen, aber eben auch nicht die schlechtesten. Ganz auf Nummer sicher gingen die Russen, sie steckten in jede der vier Startgruppen jeweils eine Läuferin; auch die Norwegerinnen verteilten sich. Je später der Start, desto besser ging es voran, verriet Koukalova hernach das richtige Rezept: "Ich hatte auf den letzten beiden Runden das Gefühl, dass die Strecke schneller wurde."

Nun kommt es bei diesem Wettbewerb nicht nur aufs Laufen an, sondern vielmehr noch aufs Schießen. Bei einem Fehler muss der Athlet keine Strafrunde drehen, sondern bekommt eine Strafminute zu seiner Laufzeit addiert. "Dieses Rennen wird am Schießstand entschieden", sagt der Uhinger Simon Schempp, der am Donnerstag bei den Männern an der Reihe ist (14.30 Uhr/ARD und Eurosport).

Tatsächlich war es so, dass nur drei Frauen ohne Fehler ins Ziel kamen, alle im Vorderfeld. Aber um den Sieg kämpften nur zwei; sogar nur eine, wenn man der Silbergewinnerin Koukalova glauben mag. "Laura ist in einer erstaunlichen Form", schwärmte die Tschechin: "Sie ist stärker, schneller und konzentrierter. Man hat keine Chance, sie zu schlagen." Die Hochgelobte selbst gab Entwarnung für die weiteren Rennen, die Staffel am Freitag und den Massenstart am Sonntag: "Mein Körper sagt mir schon, wann er eine Pause braucht", sagte sie, "und dann geht's auch schon wieder weiter."

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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