Kufenaffäre um Bobfahrer Machata:Rechtsverständnis wie im Mittelalter

Germany's Adjei, Machata, Bredau and Becke speed down the track on their way to win the four-man bobsleigh competition in Winterberg

Zieht vor Gericht: Bobpilot Manuel Machata.

(Foto: REUTERS)

Der deutsche Bobverband sperrt Manuel Machata für ein Jahr. Doch je mehr über den Fall bekannt wird, desto skandalöser wirkt nicht die Kufenleihe, sondern die drakonische Strafe. Was Machata getan hat, war sogar verständlich.

Ein Kommentar von René Hofmann

Fünfzig Jahre: Das ist lange. Nach einem halben Jahrhundert Abschied nehmen zu müssen von lieb gewonnenen Gewohnheiten - das muss schmerzen und kann einen ziemlich durcheinanderbringen, wie gerade am Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) zu beobachten ist. In Sotschi gewannen die deutschen Bobfahrer erstmals seit 1964 keine Medaille bei Olympischen Spielen. Nun hat die Aufarbeitung der Niederlage begonnen. Und zwar mit einem Paukenschlag.

Manuel Machata, der sich gar nicht für die Spiele qualifiziert hatte, wurde für ein Jahr gesperrt und muss wegen "verbandsschädigenden Verhaltens" 5000 Euro zahlen. Sein Vergehen? Er hatte Kufen an den Russen Alexander Subkow weitergegeben, der in Sotschi im Zweier- und im Viererbob triumphierte. Materialhilfe für einen Rivalen - auf den ersten Blick ist das tatsächlich ein ernst zu nehmender Vorgang, der Fragen aufwirft, auch nach Konsequenzen. Je mehr über den Fall bekannt wird, desto skandalöser wirkt allerdings nicht die Kufenleihe, sondern die drakonische Strafe.

Machata gab keineswegs Rutschhilfen des Verbandes oder des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) weiter. Er war selbst nur Ausleiher bei einer Schweizer Firma, die ihm die Auflage machte: Wenn du dich mit unseren Kufen nicht qualifizierst, bekommen wir sie zurück, damit sie ein anderer in Sotschi fahren kann. So lief der Deal, von dem am Ende Subkow profitierte. Machata verstieß gegen keinerlei Auflage oder Vereinbarung. Dass ein ehrgeiziger Athlet eigene Wege sucht, wenn er auf denen nicht weiterkommt, die ihm der Verband und das FES offerieren, ist naheliegend.

Eine einjährige Wettkampfsperre gleicht einem Berufsverbot, das bei einem 29-Jährigen dem Karriere-Ende gleichkommt. Machata muss um seinen Kaderstatus bangen, seine Sporthilfe und seine Bundeswehrzugehörigkeit. Das Verdikt gefährdet seine Existenz. Dass die Argumente dafür wirklich ausreichen, wird der BSD kaum rechtfertigen können, sollte der Streit vor einem ordentlichen Gericht landen.

Schon jetzt sagt der Fall viel aus. Darüber, welch mittelalterliches Rechtsverständnis in manchen sportlichen Führungszirkeln herrscht: Über uns nur noch das Jüngste Gericht! Von dieser Attitüde werden in der speziellen Umgebung offenbar auch Köpfe ergriffen, von denen dies nicht zu erwarten war. BSD-Präsident und als solcher oberster Verfechter der harten Linie gegen Machata ist Andreas Trautvetter. Der 58-jährige CDU-Mann war von 1990 bis 2008 Mitglied des Thüringer Landtages und wirkte dort 16 Jahre lang sogar als Minister.

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