Krawalle in Marseille:Französische Polizei kann russische Hooligans nicht festsetzen

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Hässliche Szenen in Marseille (Foto: Getty Images)
  • Nach den Krawallen in Marseille können die russischen Hooligans entkommen.
  • Zehn Tatverdächtige müssen sich vor Gericht verantworten.
  • Die Uefa ändert ihr Sicherheitskonzept und erhöht die Anzahl der Beamten.

Der bei den blutigen Ausschreitungen von Marseille schwerverletzte Engländer kämpft weiter um sein Leben - von den Tätern, die am Samstag mit hemmungsloser Gewalt zuschlugen, fehlt aber weiterhin jede Spur. "Die Angreifer konnten nicht identifiziert werden", musste Brice Robin, Staatsanwalt der südfranzösischen Stadt, am Montag eingestehen. Die Erfolgsbilanz der Behörden ist bislang niederschmetternd.

Am Montag wurde sechs Briten, drei Franzosen und einem Österreicher der Prozess gemacht. Die französische Staatsanwaltschaft beantragt Haftstrafen und ein Einreiseverbot. Der Deutsche, der am Sonntag in Polizei-Gewahrsam war, fehlte auf der Liste des Staatsanwalts.Schuldig waren angesichts der Bilder aber wohl viel mehr. Mindestens 150 "perfekt vorbereitete" russische Hooligans konnte sich nach den Krawallen einer Festnahme entziehen, sagte Robin. Inzwischen dürften sie weit weg sein - oder, was schlimmer wäre, auf dem Weg zum nächsten EM-Spiel der Russen gegen die Slowakei am Mittwoch in Lille (15.00 Uhr/ZDF).

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Der in Marseille zu Boden geprügelte Brite befinde sich weiterhin in einem "kritischen", aber inzwischen stabilen Zustand, sagte der Staatsanwalt. Insgesamt hatte es mindestens 35 Verletzte gegeben, darunter dem Vernehmen nach auch Unbeteiligte. Der in Lebensgefahr schwebende Engländer sei von einer Eisenstange "wahrscheinlich am Kopf" getroffen worden, berichtete die Nachrichtenagentur AFP.

"Wenn es stimmt, dass bis zur Stunde kein einziger Hooligan verhaftet worden ist, dann kann ich das angesichts der Bilder und dramatischer Vorkommnisse nicht verstehen", sagte der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, bis 2015 Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, beim TV-Sender Sport1. Der Abgeordnete sei "überrascht, dass es überhaupt zu solchen Ausschreitungen hat kommen können. Zumal die "Gewaltbereitschaft der russischen Hooligans bekannt war", sagte der Innenpolitik-Experte.

Als erste Konsequenz hatte die Europäische Fußball-Union (Uefa) für die verbleibenden EM-Spiele das Sicherheitskonzept geändert und Anzahl der Beamten und Ordner erhöht. Das gilt speziell für die Hochrisikospiele, zu denen auch die Deutschland-Partie gegen Polen am Donnerstag in Saint-Denis (21 Uhr/im SZ-Liveticker) zählt. Trotzdem gab es am Sonntagnachmittag im Pariser Prinzenpark eine Panne, als ein kroatischer Fan nach dem 1:0 durch Luka Modric gegen die Türkei auf den Platz, gelangte, den Spieler umarmte und ihm einen Kuss aufdrückte.

Frankreich erlässt an "sensiblen Orten" Alkoholverbot

An "sensiblen Orten" des Landes hat die Regierung zudem ein Alkoholverbot erlassen. "Ich habe die Anweisung gegeben, entsprechende Maßnahmen einzuleiten", sagte Innenminister Bernard Cazeneuve. Am Montagabend darf in Lyon vor der Partie zwischen Belgien und Italien (21.00/ARD) aber nur in unmittelbarer Stadionnähe kein Alkohol verkauft werden. Im Zentrum der Stadt, wo auch die Fanmeile liegt, galt das Verbot nicht. Aus beiden Ländern wurden jeweils 15 000 Fans erwartet.

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