Bundesliga nach Paris-Attentaten:Lokaler Irrsinn auf Schalke

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Schweigen auf Schalke vor dem Spiel im Zeichen des Pariser Terrors. (Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Wer gehofft hatte, alle Fans würden sich nach dem Terror von Paris auch nur ein einziges Mal in der Trauer solidarisieren, sieht sich getäuscht. Schalke meldet Festnahmen und Verletzte.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

In seiner Sprachlosigkeit hat sich der Sport auf ein Wort geeinigt. Auf die Sehnsucht nach ein bisschen "Normalität". Das war der gemeinsame Nenner, unter dem der 13. Bundesliga-Spieltag angepfiffen wurde. Aber wie soll sich eine solche einstellen, wenn sich die Wellen des Wahnsinns sobald nicht legen werden? Wenn vor den Stadien Polizisten mit Maschinenpistolen und Reiterstaffeln patroullieren. Wenn Spürhunde lange vor Anpfiff unter den Sitzen nach Verbotenem schnüffeln. Oder wenn Taschen und Rucksäcke mit elektronischen Scannern durchleuchtet werden.

Vermutlich ist dies eine neue Realität, die normal zu werden droht. Ein höherer Sicherheits-Standard, an den sich die Zuschauer werden gewöhnen müssen, sobald sie ein Stadion betreten wollen. Unter diesen negativen Vorzeichen schien die Wiederaufnahme des Spielbetriebs nach den weltweiten Terrortagen, nach Paris, Hannover, Mali, anfangs relativ reibungslos verlaufen zu sein. Am Freitag in Hamburg und am Samstag in Stuttgart wurde wegen Staus vor den Stadiontoren leicht verspätet angepfiffen, aber das war's zunächst auch schon.

Normalität fast, bis Samstagabend die Meldung kam: Schwere Krawalle vor dem Anpfiff des Topspiels auf Schalke. Anhänger des FC Bayern und des Zweitligisten VfL Bochum hätten zusammen versucht, den Kassenbereich der Schalker Arena zu stürmen. Es habe Verletzte und Festnahmen gegeben. Das rasche Comeback einer Schlagzeile, die zum Alltag der Bundesliga gehört - tobt der Mob, sitzt die Vernunft auf der Ersatzbank. Wer gehofft hatte, alle Fans würden sich auch nur ein einziges Mal in der Trauer solidarisieren, der sah sich getäuscht. Diese brutale Folklore kennt keine Pause.

"Tore statt Terror"

In einem scharfen Kontrast zu den Schalker Vorfällen standen am Wochenende jene berührenden Szenen aus einer großen Mehrheit, die sich akut vom Terror und von der Gewalt der Minderheiten herausgefordert sieht. Eindrucksvoll waren die Bilder von den Gedenkminuten in allen Stadion. Oder von jenen beschrifteten T-Shirts, wie sie in Köln zu sehen waren. Auf denen stemmten sich die chronisch nach der passenden Humorebene fahndenden Rheinländer gegen ihre subtilen Ängste: "Tore statt Terror", war dort zu lesen, oder: "Steh' auf, mach' laut! Jetzt erst recht."

Beide Parolen erwiesen sich als leere Phrase - allerdings nur, wenn man sie sehr konkret auf den Spielbetrieb bezieht. Der nämlich wurde beim 0:0 der Kölner gegen Mainz quasi eingestellt.

Dramatik an der Spitze sucht man vergebens

Konzentriert man die Analyse des 13. Spieltages dann doch auf den Fußball, auf ein bisschen Sport, so war es ein mieser Tag für all jene, die hofften, dass die Saison an der Spitze noch ein bisschen Dramatik bekommen könnte. Von fünf auf acht Punkte wuchs der Vorsprung des FC Bayern, weil die Münchner auf Schalke 3:1 siegten, während die Dortmunder schon Freitagabend in Hamburg mit dem selben Resultat untergingen. Bundesliga-Normalität - das Wort "Verfolger" verbietet sich angesichts der Tabellenlage.

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Wer am Wochenende nach einer direkten Wirkung suchte, die die Terrortage auf die Psyche der Profis gehabt haben könnten, der fand sie am ehesten in einer Reaktion des Dortmunders Ilkay Gündogan. "Würde ich sagen, es war leicht, würde ich lügen", beschrieb er seine Rückkehr in den Liga-Alltag. Max Kruse, der Wolfsburger Kollege aus der Nationalmannschaft, predigte tapfer ein Weiter-so: "Natürlich macht man sich nach so einer Woche Gedanken. Wir müssen als Vorbilder vorausgehen und versuchen, weiter mutig zu sein und uns davon auch nicht abschrecken zu lassen." Beide, Gündogan und Kruse, hatten die Nacht nach dem Bombenterror in Paris in den Katakomben des Stade de France verbracht, ehe die Nationalspieler nach Frankfurt ausgeflogen wurden. Entkommen dem globalen Irrsinn dieser Zeit.

Zurückgekehrt in die Bundesliga, zurück in den Fußball, in ein eigentlich aufregendes Spiel, an dessen Rändern immer wieder, wie jetzt auf Schalke, ein lokaler Irrsinn wütet. Der selbst in der tiefsten Beklemmung keine Ruhe gibt.

© SZ vom 22.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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