Fußball:Der Transfermarkt gehört abgeschafft

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110 Millionen Euro zahlte Manchester United mit Traner José Mourinho für Paul Pogba, l. (Foto: AP)

Enthüllungen in England zeigen, dass dubiose Menschen mit Fußball-Transfers viel Geld verdienen, Profis werden zu millionenschweren Geldanlagen. Wundert das ernsthaft jemanden?

Kommentar von Thomas Kistner

Der Grad des Schockzustands ist nicht bekannt. Aber die Bestürzung muss enorm sein bei allen, die im Transfergeschäft des Fußballs tätig sind; Berater und Manager, Trainer und Agenten. Aus Englands Spitzenligen dringt die schlimme Kunde, dass bei Spielertransfers viele der Geschäftspartner unterm Tisch mitkassieren. Ernsthaft! Kann man sich das vorstellen?

Der Telegraph bespitzelte den englischen Nationalcoach Sam Allardyce, wie er die "problemlose" Umgehung von Transferregeln darlegte. Allardyce verlor den Job. Schon werden acht weitere Trainer der Premier League von Agenten der Bestechlichkeit bei Transfers bezichtigt. Bald könnten mehr Köpfe rollen.

Es mag befremden, wie die Affäre ans Licht kam. Doch liegt der Verdacht seit jeher auf der Hand, dass den geschlossenen, absurd profitablen und de facto unkontrollierten Transfermarkt nicht nur Harfe zupfende Englein betreiben. Und weil in einem geschlossenen, absurd profitablen und de facto unkontrollierten Wirtschaftskreislauf wie dem Profifußball nie Konkretes über Tabuthemen ans Licht kommt, braucht es zur Aufklärung leider auch mal rustikalere Methoden wie versteckte Kameras. Tabuthemen im Fußball sind zuvorderst: Doping; Spielmanipulation, die nicht durch die Wettmafia, sondern durch Klubs und Ligen erfolgt; und korrupte Transfers, bei denen Spieler nicht so bewegt werden, wie es dem Sport, sondern dem Profit dient.

Enthüllungen zu britischen Toptrainern gibt es seit Dekaden. Schon zu Zeiten von Alex Ferguson liefen Spielerdeals über den Filius ab. Und natürlich ist das Problem kein insulares. Brasiliens Ex-Nationalcoach Vanderlei Luxemburgo, der auch Real Madrid trainierte, setzte in 34 Spielen 91 Profis ein. Die Gastspiele in der Seleção verhalfen Dutzenden Durchschnittskickern zu enormer Wertsteigerung - sie waren ja nun brasilianische Nationalspieler. Auch in der Bundesliga fielen Trainer auf, die ihre Kader besonders aufwendig umstrukturierten; gern über das Sortiment gewisser Spielerberater.

So ein Markt gehört besser abgeschafft

Fußball ist eine vernetzte Geschäftswelt, transnationale Geldflüsse sickern durch ein Fantasiegeflecht aus Bild-, Persönlichkeits- und sonstigen Rechten. Der Fall Paul Pogba zeigt, wie Geld - plopp! - aus dem Nichts entsteht. 2012 gab ihn Manchester United an Juventus Turin ab; als Muster ohne Wert. Jüngst zahlte ManUnited 110 Millionen Euro, um den Franzosen zurückzuholen. Virtuelle Werte werden in harter Währung bezahlt; Wahn und Willkür sind grenzenlos, ein kaputtes Knie kann 100 Millionen kosten. Na und? Gemessen an Pogba hat der FC Barcelona mit dem Trio Messi, Neymar und Suárez mehr als eine halbe Milliarde Euro versammelt. Damit lässt sich eine Volkswirtschaft stützen.

Das sollte gestoppt werden. Auch der freieste Markt braucht Grenzen, sonst wird er anarchisch. Oder mafiös, wenn dieser Markt auch noch in einem hermetisch geschlossenen System stattfindet.

Das Gros der Handelsware Fußballheld kommt von weit unten, viele vertrauen Leuten, die ihnen die Dinge des Alltags abnehmen: Väter, Onkel, Chauffeure, Pizzabäcker. Überstrahlt wird das Milieu von klingenden Namen in den VIP-Boxen; und seit der Fußball dabei ist, die Religionen zu ersetzen, gibt ihm die Politik wohlwollendes Geleit. Brächte es Wähler, würde sie vermutlich eine Willkommenskultur für Spielerberater ausrufen.

Das Transfersystem liefert der Branche heikle Instrumente - zur arbeitsrechtlichen Erpressung, zur allgemeinen Bereicherung. So ein Markt gehört reglementiert, besser abgeschafft. Die Transfermilliarden, die unsinnigste Ausgabe des Planeten, könnten dann für vernünftige Zwecke fließen. Etwa in all das, was bisher die öffentliche Hand dem Fußball abnimmt.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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