Kommentar:Bei vielen Handspielen wird auch der Video-Schiedsrichter scheitern

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Klares Handspiel von Marc Bartra? Mitnichten. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Was Hand sei und was nicht, das wisse er "schon lang nicht mehr", sagt BVB-Trainer Thomas Tuchel. Die unscharf formulierte Regel wird zu einem Refugium für Romantiker.

Kommentar von Christof Kneer

Den neuesten Stand der Wissenschaft haben zwei Männer am Wochenende überzeugend zusammengefasst. Der Schiedsrichter Felix Zwayer sagte, das sei keine Situation, bei der man sagen könne, das sei eine klare Fehlentscheidung; es sei aber auch keine Situation, bei der man sagen könne, dass "alle Argumente auf der Seite des Schiedsrichters liegen". Respekt, muss man da anmerken, prägnanter hat das Thema bisher kaum einer beschrieben, außer womöglich der Trainer Thomas Tuchel, der zum selben Sachverhalt meinte, er sei "der falsche Ansprechpartner". Was Handspiel sei und was nicht, das wisse er "schon lang nicht mehr".

Einen Monat ist es erst her, dass die Liga letztmals leidenschaftlich über jene Extremität diskutierte, die grundsätzlich nicht zu diesem Spiel gehört, es sei denn, man ist versehentlich Torhüter geworden. Der Gladbacher Stindl hat vor einem Monat jenes Handtor erzielt, das zu etwa 51 % regelwidrig und zu 49 % regelkonform war. Am Wochenende hat Stindl den Namen gewechselt, er heißt jetzt Bartra, Wendt und Mittelstädt, und wieder mal ist es eher Geschmackssache, ob man deren Handspiele im Strafraum für akzeptabel oder für strafbar hält. Felix Zwayer etwa hat Bartras Handspiel nicht sanktioniert, obwohl er ihn mit der Hand über Schulterhöhe erwischte (was für Elfmeter spricht). Allerdings hatte sich Bartra zuvor selbst angeschossen, aus kürzester Entfernung also, was sehr gegen Elfmeter spricht.

Die extreme Unschärfe der Regel 12

Vor einer Woche ist Felix Zwayer schon mal vor Mikrofonen gestanden, es war in Paris nach dem Länderspiel Frankreich gegen Spanien, bei dem am Spielfeldrand testhalber der Video-Referee zum Einsatz kam. Nach dem Spiel wurde viel Lobendes gesagt, und tatsächlich darf man es für eine zentrale Errungenschaft halten, dass der Fußball, der Transparenz auf allen Ebenen gut vertragen kann, sich zumindest auf dem Rasen bald professionell durchleuchten lässt. Allmählich scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass der Fußball durch den Videobeweis nicht an Romantik verliert, sondern an Fairness und Glaubwürdigkeit gewinnt - aber all jenen, die sich zu viel davon erwarten, hat der Fußball nun eine kleine Nachricht hinterlassen.

Die extreme Unschärfe und Interpretationsanfälligkeit der Regel 12 ("Handspiel") entzieht sich selbst der modernen Technik, diese Regel wird ein Refugium für Romantiker bleiben. Dem Fußball wird nichts anderes übrig bleiben, als dem Schiedsrichter zu vertrauen - was weiterhin bedeutet, dass es auch so ausgehen kann wie an diesem Spieltag: Das deutlichste Handspiel leistete sich Leipzigs Oliver Burke bei der Vorbereitung eines Tores - es wurde nicht geahndet.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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