Karriereende im Nationalteam:Messi: "Es tut weh, kein Sieger zu sein"

Lesezeit: 2 min

Argentinien ist schockiert: Nach seinem Fehlschuss im Finale der Copa América bricht Lionel Messi fast zusammen. Dann verkündet er seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft.

Von Jürgen Schmieder

Das Elfmeterschießen war längst nicht vorbei, doch Lionel Andrés Messi Cuccittini wollte nicht mehr zusehen. Er vergrub sein Gesicht im Trikot, er taumelte, watschelte benommen über den Rasen und tatsächlich: Er brach förmlich zusammen. Er wirkte in diesem Moment nicht wie einer, der verlieren wird - sondern wie einer, der längst verloren hat.

SZ PlusSeite Drei über den Steuerstrafprozess gegen Lionel Messi
:Der "Messias" und die Steuern

Er ist nicht der erste Fußballer, der sagt: Keine Ahnung, was ich unterschreibe. Aber er ist eben der beste Fußballer. Lionel Messi steht in Barcelona wegen Steuerhinterziehung vor Gericht.

Von Javier Caceres

Er hatte mit dem ersten Elfer-Versuch seiner Mannschaft in diesem Finale der Copa América Centenario gegen Chile die Zuschauer hinter dem Tor in Lebensgefahr gebracht. Messi, der nach allgemeinem Dafürhalten begnadetste Kicker auf diesem Planeten, hatte verschossen und ahnte bereits, dass er wieder mal keinen Titel mit der Nationalelf seines Heimatlandes gewinnen würde.

Kurz darauf erklärte er, nie wieder für Argentinien spielen zu wollen. "Das war's", sagte er in seinen rötlichen Bart nuschelnd: "Ich habe es immer wieder probiert, aber es hat nicht geklappt. Ein Titel mit Argentinien war das, was ich am meisten wollte. Es tut weh, kein Sieger zu sein." Dieser kleine Mann mit den feinen Füßen gab ein solch trauriges Bild ab, dass man am liebsten mit ihm weinen mochte. Messi feierte am vergangenen Freitag seinen 29. Geburtstag, er hätte durchaus noch ein paar Turniere spielen können, die WM 2018 etwa oder die Copa América ein Jahr später. Warum also tritt er zurück?

Finale der Copa América
:Wie eine Rauferei zwischen Straßenkötern

Mehr Dramatik geht kaum: Chile gewinnt die Copa América in einem Finale, das keiner so schnell vergessen wird - und verhilft einem matten Turnier zu spätem Glanz.

Von Jürgen Schmieder

Freilich dürften ihn die Sticheleien des argentinischen Landesheiligen und Fußballmaskottchens Diego Maradona ("Er hat keine Persönlichkeit") genervt haben. Natürlich war der Druck auf ihn immens, weil er kein Hochbegabter unter Mittelmäßigen war wie Zlatan Ibrahimovic (Schweden) oder Gareth Bale (Wales), sondern Anführer einer grandiosen Generation, die nun die dritte Endspiel-Niederlage innerhalb von drei Jahren hinnehmen musste: WM-Finale 2014, Copa-Finale 2015 und jetzt wieder - das war zu viel. "Ein Lebenszyklus endet", schrieb die Zeitung La Nación in dicken Buchstaben. Und es könnten weitere folgen, denn auch Messis langjährige Kollegen Sergio Agüero, Javier Mascherano und Gonzalo Higuaín erwägen offenbar ihr Karriereende im blau-weißen Nationaltrikot.

Messi, der wenige Tage vor Turnierbeginn vor einem Gericht in Barcelona erscheinen musste, um sich gegen den Vorwurf der Steuerhinterziehung zu verteidigen, erkennt nun, dass der argentinische Fußballverband AFA so organisiert ist wie eine Defensive, durch die er gerade gedribbelt ist. Drei Tage vor dem Endspiel sind Verbandspräsident Luis Segura und andere Funktionäre wegen Korruption angeklagt worden, es gab während des Turniers immer wieder Komplikationen mit Flügen, Hotels und Trainingsplätzen.

Der sonst so schüchterne Messi mahnte: "Die von der AFA sind ein Desaster, mein Gott! Wir müssen Dinge ändern. Nicht nur für uns, sondern für die nach uns. Ich werde nach dem Finale erzählen, was ich denke, fühle und sehe." Das hat er nun getan.

Es wäre ungerecht, Messi als Unvollendeten zu bezeichnen. Er gehört zur Gruppe jener Sportler, denen in einer ansonsten glanzvollen Karriere ein bestimmter Titel fehlt: Ivan Lendl siegte nie in Wimbledon, Colin Montgomery gewann kein Major-Golf-Turnier, Lothar Matthäus nie die Champions League. Messi hat in seiner Laufbahn zu viel erreicht, um als unvollendet zu gelten: vier Champions-League-Siege, acht spanische Meisterschaften, vier Pokalsiege mit dem FC Barcelona - dazu ist er fünfmaliger Weltfußballer des Jahres. Es ist vielmehr so, dass in einer mit reichlich Edelsteinen besetzten Krone ein Diamant fehlt.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lionel Messi
:Fabelkarriere auf einer Tischserviette

Der sechsmalige Weltfußballer wird den FC Barcelona tatsächlich verlassen. Wer ist der Mann, dessen Karriere als Kind fast schon vorbei gewesen wäre? Messis Fußballerleben in Bildern.

Von Carsten Scheele

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: