Kader der Nationalelf:Löw zieht den Treue-Joker

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Weshalb die vorläufigen EM-Nominierungen für Schweinsteiger und Podolski völlig richtig sind.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Die Botschaft schien ihm äußerst wichtig zu sein, deshalb stellte Joachim Löw sie auch an den Anfang seiner Ausführungen. Sollte nur ja niemand auf die Idee kommen, ihm eine Außerkraftsetzung des Leistungsprinzips vorhalten zu können. Oder, was ebenso ehrenrührig wäre, ihn an ein Statut seiner Vorgänger - von Herberger über Schön, Derwall, Beckenbauer, Vogts, Ribbeck, Völler bis Klinsmann - zu erinnern. Die hatten nicht selten vor einer Nominierung kategorisch verkündet: Wer nicht fit ist, fährt nicht mit!

Löw hat in Berlin seine bereits sechste Kader-Nominierung für ein großes Turnier vorgenommen (die erste noch gemeinsam mit Jürgen Klinsmann für die WM 2006), und inzwischen verfährt er nach sehr eigenen, über die Ära präzisierten Vorstellungen. Ergo sagte Löw, quasi als Präambel zu dem, was folgte: Die Lebensleistung sei natürlich ein Kriterium, "neben dem sportlichen Wert ist Persönlichkeit wichtig, der Beitrag, den ein Spieler leisten kann, auf und neben dem Platz". Aufgabe sei es, und da wurde es kurz schmallippig, "ein bedingungsloses Miteinander" zu schaffen.

Kurzum: Auch wenn er die Namen da noch nicht explizit aussprach, solle nur ja keiner auf die Idee kommen, die Rechtmäßigkeit der Nominierung von Schweinsteiger und Podolski anzuzweifeln. Einst als Schweini & Poldi begrüßt, sind sie inzwischen zum ewigen Bastian, 31, und ewigen Lukas, 30, geworden. Insgesamt blicken sie zurück auf 241 Länderspiele, und als beide ihr erstes Turnier spielten, die EM 2004 in Portugal, hatte noch Rudi Völler und nicht Löw das Sagen.

Löws Entscheidungen sind kaum anzuzweifeln

Natürlich ist es völlig gerechtfertigt, dass Löw für Schweinsteiger jetzt einen Treue-Joker zieht. Kein anderer Profi hätte mit jener Krankenakte, die nach dessen Wechsel vom FC Bayern zu Manchester United dort für ihn angelegt wurde, auf eine Nominierung pochen können. Für Schweinsteiger aber spricht nicht nur das Kapitänsamt, das er von Philipp Lahm übernahm, sondern besonders jener heroische WM-Film von 2014. Wie er auch damals angeschlagen ins Trainingslager einzog, wie er erst im Turnierverlauf aufgebaut wurde, ehe er am Finaltag in Rio bis zum letzten Tackern seiner Platzwunden durchhielt. Nun bekommt er von Löw alle Zeit, in der Vorbereitung am Kurort Ascona und vielleicht erst im Turnier, sich - nach einem Innenbandteilabriss im Knie - noch einmal zu erheben. Motto: Ein Kapitän ist Vorbild, ein Kapitän gibt nicht auf, der Körper entscheidet ohnehin, ob noch was geht.

Auch der zweite Treue-Joker ist nicht anzuzweifeln, wenn man wie Löw daran glaubt, dass ein Kader Hierarchie und Harmonie braucht, und nicht für jedes Turnier neu zusammengewürfelt werden darf. Lukas Podolski ist zwar weitgehend vom Radar verschwunden, er ist mit Galatasaray in der Türkei gerade Sechster, aber er hat auch zwölf Saisontore erzielt. Löw wurde am Dienstag ein zweites Mal schmallippig, als er sagte: "Er hat immer noch einen sportlichen Wert, auch wenn es manche nicht wahrhaben wollen."

Der Bundestrainer weiß, dass er das strenge Leistungsprinzip nicht heute schon wieder in Kraft setzen muss. Auch nicht, wenn er den EM-Kader von derzeit 27 auf 23 Namen reduziert. Sondern erst, wenn er seine elf Starter fürs Auftaktspiel gegen die Ukraine nominiert.

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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