Investor bei Parma:Herr Jiang sammelt Fußballklubs

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Jiang Lizhang gründete die Marketingagentur Desports, verkaufte sie gewinnbringend - und ist als 37-Jähriger nun reich genug, sich Klubs zu kaufen. Wie den FC Granada, für den er 2016 35 Millionen ausgab. (Foto: picture alliance / dpa)
  • Der AC Parma war mal im europäischen Fußball eine große Nummer. Dann stürzte der Klub von Pleite zu Pleite.
  • Nun will der chinesische Geschäftsmann Jiang Lizhang 60 Prozent der Anteile übernehmen.
  • Es wäre nicht der erste europäische Fußballklub, den er besitzt.

Von Birgit Schönau, Parma

Schmal, schmächtig und schüchtern wirkt der Präsident. Und italienisch spricht er auch nicht. Aber immerhin haucht Jiang Lizhang jetzt ein "Forza Parma" in das Mikrofon des Lokalfernsehens Teleducato. "Vorwärts Parma" soll das heißen, schnell weiter bis zum großen Ziel, dem Wiederaufstieg in die Serie A. Auf dem Weg dahin ist die Mannschaft zwar gerade ins Stolpern gekommen und von Bari aus dem Pokal geworfen worden. Doch das wird bald vergessen sein, mit all den tollen Spielern, die Parma Calcio 1913 vom schönen, chinesischen Geld des Presidente Jiang anheuern könnte.

Auf dass die Zeiten schleunigst wieder so werden wie vor gut 20 Jahren. Damals gehörte der AC Parma dem Konservenzar Calisto Tanzi und dessen Lebensmittelimperium Parmalat, hatte Spieler wie Gianluigi Buffon, Lilian Thuram, Fabio Cannavaro und Hernan Crespo im Aufgebot und gewann neben dem Europapokal der Pokalsieger gleich zwei Mal den Uefa-Cup. Von wegen Bari! Da zog man an Atlético Madrid vorbei und an Olympique Marseille. Und Bayer Leverkusen kassierte im Halbfinale ein 1:5.

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Der Champions-League-Sieger bezwingt den Europa-League-Gewinner Manchester United mit 2:1. Ronaldo wird erst spät eingewechselt.

Es war die Zeit, in der Parma nicht mehr nur als gewesene Hauptstadt eines verblichenen Kleinst-Herzogtums bekannt war, als Heimat von Arturo Toscanini und Giuseppe Verdi, als Schlaraffenland für die Freunde von Parmesankäse und Parmaschinken. Nein, Parma spielte auch im Fußball ganz oben mit - bis Tanzi, Parmalat und die glorreiche Associazione Calcio 2003 in den Skandal-Strudel einer Milliardenpleite abtauchten. Nur mühsam berappelte sich der zum FC mutierte Klub wieder, doch vor zwei Jahren ging dann gar nichts mehr.

Fünf Präsidenten gaben sich innerhalb einer Saison die Klinke in die Hand, um den Verein aus der Emilia in den Keller zu wirtschaften, zuletzt konnte der Bus für die Auswärtsspiele nicht mehr bezahlt werden, ganz zu schweigen von Team und Coach. Trainerbänke, Kabinenschränke, sogar Tornetze wurden zur Versteigerung gebracht, fanden aber keine Interessenten. Parma war Pleite und rauschte von der Serie A zu den Amateuren in die Serie D.

Rettung fand sich im Konsortium "Nuovo Inizio" (Neubeginn) lokaler Unternehmer, zu denen auch der Nudelriese Barilla gehört. Sie stellten den Wiederaufbau auf ein solides Fundament. Auch die "Parma Partecipazioni Calcistiche" sind dabei, der Zusammenschluss der Fans. Und siehe da, der Klub mit der Verdi-Hymne marschierte im Triumph durch die vierte Liga und kletterte ohne eine einzige Niederlage eine Stufe höher, um im Mai dann ebenso unbehelligt in die Serie B aufzusteigen.

Parma ist also fast wieder dort, wo es hingehört. Wenn es jetzt noch weiter nach oben gehen solle, befanden die Besitzer, brauche man Geld von außen. Da kam der schüchterne Mister Jiang gerade recht. 60 Prozent soll er bekommen - den Rest teilen sich die bisherigen Eigner. Die Übergabe, so heißt es in Parma, sei nur eine Frage der Zeit. Vielleicht wird es noch etwas im August. Eine reine Formsache, man warte nur auf Zustimmung der chinesischen Behörden für den Transfer ins Ausland.

Die holt Jiang Lizhang nicht zum ersten Mal ein. Der 37-jährige ist auf Shoppingtour, nachdem er das von ihm 2004 gegründete Sport-Marketingunternehmen Desports verkauft hat. Bei Desports, das einst mit einem Werbevertrag des Portugiesen Luis Figo begann, ist Jiang Lizhang immer noch Geschäftsführer. Soeben hat er für 350 Millionen Euro der Fernsehanstalt des Elektronik-Konzerns Suning die Champions-League-Rechte 2018/19 beschafft. Suning gehört der Fußballklub FC Internazionale in Mailand, auch der AC Milan befindet sich in chinesischem Besitz. Inter und Milan sind Großklubs mit Champions-League-Ambitionen. Jiang mag es eine Nummer kleiner. Er sammelt Vereine in der europäischen Provinz.

Dass Hernan Crespo vermittelte, machte vieles leichter. Jetzt ist er der Vizepräsident des Chinesen

So wie den FC Granada, einen traditionsreichen Klub in Südspanien. Im Mai 2016 kaufte Jiang ihn für rund 35 Millionen Euro der italienischen Unternehmerfamilie Pozzo ab, die in der Heimat den Erstligisten Udinese besitzt. Der Besitzerwechsel gab Granada nicht gerade Auftrieb, soeben sind die Andalusier in die zweite Liga abgestiegen. Da werde man nicht lange bleiben, tröstet Jian. In Belgien hatte er sich im vergangenen Frühjahr an der Übernahme des Zweitligisten OHL Löwen versucht. Doch das Interesse des Chinesen stieß auf Skepsis bei Stadtoberen und Fans, schließlich machte ein Investor aus Thailand das Rennen. Da half es auch nicht, dass Jiang neben dem Besitz des FC Granada auch eine Minderheitsbeteiligung beim US-Basketballklub Minnesota Timberwolves sowie die Mehrheit am chinesischen Fußballverein Chongqing Lifan vorweisen kann.

Dass Parma sich leichter überzeugen ließ, lag auch an der Vermittlung von Hernan Crespo. Der 42-jährige Argentinier, ehemals Nationalspieler, gehört längst zum Establishment der Stadt, wo er mitsamt seiner Familie seit Jahrzehnten einen Wohnsitz hat. Nicht nur, dass er mit dem AC Parma die Trophäen der Glanzzeiten holte, er kehrte nach einer langen Karriere bei Lazio Rom, Inter Mailand, AC Mailand und dem FC Chelsea auch 2010 zum Ausklang zu seinem alten Klub zurück. Jetzt ist Crespo, der ein Trainerdiplom besitzt, Berater bei Desports und Jiangs Vizepräsident. An seiner Kompetenz wagt in Parma kaum jemand zu zweifeln - bei Jiang sieht das schon anders aus.

Gefragt, wie er denn ausgerechnet nach Parma gefunden habe, antwortete der Neue in "Teleducato" artig, er sei sehr an Geschichte interessiert: "Und das hier ist eine schöne Stadt mit großer Vergangenheit. Ich habe sie als Schüler schon im Fernsehen gesehen." Wenn Parmas künftiger Präsident da mal nicht die Metropole des guten Geschmacks verwechselt hat. Es gibt ja so viele alte Städte mit traditionsbeladenen Fußballklubs in Europa. Wer weiß, wie viele Jiang Lizhang noch entdecken wird.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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