HSV gegen Eintracht:Zwei staunende Münder

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Trotz fehlender Tore ein unterhaltsamer Nachmittag: Beide Teams greifen fleißig an, HSV-Ersatzkeeper Drobny bewährt sich, und die Sonne schaut auch kurz raus.

Ein 0:0 sei wie zwei gähnende Münder, hat der kürzlich verstorbene Schriftsteller und legendäre Fußballfreund Eduardo Galeano aus Uruguay mal geschrieben, sehr schön. Aber das 0:0 zwischen dem Hamburger SV und Eintracht Frankfurt erlebten im Volksparkstadion 55.000 mehrheitlich wache und sogar wohlgelaunte Menschen, denn die Begegnung gehörte zur unterhaltsameren Sorte torloser Unentschieden. Ein bisserl langweilig sei so ein 0:0 normalerweise, sprach der Frankfurter Trainer Armin Veh, doch in diesem Fall hätte es "auch 2:2 ausgehen können", das stimmt exakt. Und "wir hätten auch drei Punkte mitnehmen können", fand der Frankfurter Torjäger Alexander Meier, das ist ebenfalls richtig, gilt allerdings auch umgekehrt.

Der brüderliche Ausgang sichert beiden Klubs nach fünf Spieltagen einen Platz im Mittelfeld der Tabelle, was für die Eintracht okay ist und für den HSV geradezu fantastisch. "Fußballerisch überzeugt" habe seine Elf zumindest am Anfang, lobte Hamburgs Trainer Bruno Labbadia, der dem einzigen abstiegsfreien Gründungsmitglied der Bundesliga im Mai seinen Nimbus gerettet hatte. "Später hat uns die Klarheit gefehlt." Labbadia sah "viele gute Sachen, von beiden Mannschaften", und so wohlwollend muss man das wohl betrachten im Niemandsland des Klassements. Nur der letzte Pass und der Abschluss missfielen Labbadia - und wohl auch dem Kollegen Veh.

Gekämpft, gestreckt, gesprungen: Nicolai Müller (l.) und der HSV trennen sich trotz allen Aufwandes 0:0 von Stefan Reinartz und Eintracht Frankfurt. (Foto: Martin Rose/Getty Images)

Dank Holtby und Hunt wirkt der HSV wieder dynamischer

Dabei hätte es gleich sehr erfreulich losgehen können für die Gastgeber. Zwar musste Nicolai Müller nach fünf Minuten einen mittelmäßig bedrohlichen Kopfball des Frankfurters Marco Russ mit dem Kopf von der eigenen Torlinie befördern und dem Schlussmann Jaroslav Drobny helfen, der statt des verletzten René Adler im Tor stand. Aber die eindeutig beste Gelegenheit der ersten Halbzeit bot sich nach zehn Minuten auf der anderen Seite. Lewis Holtby passte im Rahmen eines ebenso simplen wie cleveren Freistoßes flach in den Strafraum. Der Ball landete über Aaron Hunt bei Johan Djourou, der ihn mit einiger Wucht gegen die Querlatte trat. Nachher machte der tschechisch-finnische Eintracht-Torwart Lukas Hradecky mit einem Hechtsprung den Schuss des vormaligen Bremers Hunt unschädlich, und die meisten Betrachter kamen in Stimmung. Sogar die Sonne zeigte sich nach einem verregneten Vormittag, sehr angenehm.

Das Publikum des deutschen Meisters und Europapokalsiegers einer fernen, fast unwirklichen Vergangenheit könnte ja demütig geworden sein in zwei Spielzeiten am äußersten Rande der Erstklassigkeit. Obwohl Optimisten eine Rückkehr in die glorreiche Vergangenheit immer noch für möglich halten. Unter Labbadia scheint es zumindest aufwärts zu gehen, dank Antreibern wie Holtby und nun Hunt wirkt der HSV etwas dynamischer. Labbadia erlaubte es sich sogar, den Chilenen Marcelo Díaz auf der Bank sitzen zu lassen. Díaz, der im Entscheidungsmatch in Karlsruhe den Absturz verhindert und nachher mit seinem Nationalteam daheim in Santiago auch noch die Copa América gewonnen hatte. Wer hätte gedacht, dass der Held des Spätfrühlings im Spätsommer plötzlich Reservist sein würde.

Ilicevic schießt auf die Tribüne, die Gäste machen es ähnlich

Nach der Pause hätte dann der Kroate Ivo Ilicevic den Führungstreffer besorgen können. Aber Ilicevic schoss nach Müllers hübschem Konter über Rechtsaußen sehr hektisch Richtung Tribüne, das erinnerte wieder an die kollektive Verwirrung der vergangenen Horrorsaison.

Zum Glück für die Hausherren gingen die Besucher ähnlich verschwenderisch mit ihren Möglichkeiten um. Im Wege war ihnen besonders der famose Drobny, der kurz nacheinander Haris Seferovics Kopfball und Alexander Meiers Schuss abwehrte und nach dieser vorzüglich genützten Bewährungsprobe gute Chancen hat, selbst nach Adlers vollständiger Genesung gegen Schalke 04 wieder ans Werk zu dürfen. "Wir sind in der glücklichen Situation, drei gute Torhüter zu haben", erläuterte Labbadia hinterher. Drobnys zweite Großtat störte vor allem Frankfurts hünenhaften Stürmer Meier, der im Süden Hamburgs am Rande der Lüneburger Heide groß geworden ist und seit Jahren immer wieder für die Hessen trifft - beim 6:2-Sieg neulich gegen den 1. FC Köln gleich dreimal, diesmal klappte es nicht.

In den letzten Minuten konnte man als Zuschauer gemütlich seine Sachen packen und sich in den Sitzschalen noch ein wenig sonnen, ohne etwas zu verpassen. Irgendwie waren ja alle zufrieden, die Hamburger und ihr Bruno und ihr Dino und die Frankfurter und ihr Veh. Erfreut vom trefferfreien Duell im Volkspark.

© SZ vom 20.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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