Hockenheimring:Wenig Zuschauer, aber 235 Euro für ein Renn-Ticket

Formel 1 - GP Deutschland

Leere Tribünen beim ersten freien Training in Hockenheim. Auch das Rennen wird nicht ausverkauft sein.

(Foto: dpa)

Die Formel 1 ist teuer und wird immer unbeliebter. Geht es so weiter, droht dem Grand Prix am Hockenheimring das Aus. Die Branche hofft auf Mick Schumacher.

Von René Hofmann, Hockenheim

Sebastian Vettel hat keine Chance. "Schlag den Vettel" heißt das Spielchen, auf das er sich eingelassen hat und das am Tag vor seiner ersten Ausfahrt beim Großen Preis von Deutschland auf dem Rathausplatz in Hockenheim aufgeführt wird. Vettels Gegnerin heißt Marion. Sie trägt ein Ferrari-rotes Top. Als Preis ist eine Ferrari-rote Schildkappe ausgelobt. Vier Fragen sind zu beantworten: Wie oft hat Michael Schumacher den Deutschland-Grand-Prix gewonnen? Wie oft fand der Deutschland-Grand-Prix in Hockenheim statt? Wie groß war Vettels Vorsprung bei seinem Sieg 2013? Und: Wie oft hat Ferrari in Hockenheim gewonnen?

Sebastian Vettel war viermal Formel-1-Weltmeister. Auto fahren - das kann er recht gut. Fragen übers Autofahren beantworten - das kann er nicht so gut. Nach acht Minuten hat er eindeutig verloren. Aber das macht nichts. Die Niederlage überspielt er mit seinem Spitzbuben-Charme. Marion bekommt zur Kappe noch ein Autogramm und wird mit einem freundlichen Applaus von der Bühne begleitet. Es ist ein nettes Spielchen. Eines aber fällt auf: Wie wenige da klatschen.

Einst drohte die Kläranlage überzuschwappen, jetzt werden Sitze abgedeckt

Vielleicht zweihundert Menschen sind bei bestem Wetter vor der Bühne mitten in der Innenstadt zusammengekommen, auf einem Platz, der leicht mehr als doppelt so vielen Raum bieten würde. Die Formel 1: Sie zieht offenbar nicht mehr so recht. Selbst, wenn eine ihrer Hauptattraktionen ohne Eintrittsgeld zu erleben ist. Die Rentner in der Stadthalle denken nicht daran, ihr Kaffeekränzchen für den Champion zu unterbrechen; ein paar Meter weiter sitzen zwei Jugendliche, ein jeder über sein Handy gebeugt. Pokémon Go - das zieht gerade wirklich.

Der Große Preis von Deutschland: In den frühen Schumacher-Jahren war das ein wirklich großes Fest. Eines von zwei Festen. Damals gab es noch regelmäßig ein Rennen auf dem Nürburgring, das als Europa-Grand-Prix firmierte. Und trotzdem war der Ansturm gewaltig. Einmal strömten so viele Besucher an den Hockenheimring, dass die Kläranlage der Stadt an ihre Kapazitätsgrenzen stieß. Fast wäre sie übergeschwappt.

An diesem Wochenende wird das nicht erwartet. Knapp 54 000 Karten gingen im Vorverkauf weg. Das sind ein paar tausend mehr als es - laut offiziellen Zahlen - beim vorerst letzten Gastspiel vor zwei Jahren waren. Ungefähr 60 000 Tickets müssen die Veranstalter verkaufen, um auf ihre Kosten zu kommen. Füllen, das ahnen sie schon, werden sie die riesige Anlage aber eh nicht. Am Ende der Start- und Zielgeraden sind fünf Zuschauerblocks komplett mit einem Werbebanner abgedeckt.

Dort, wo jetzt ein Hersteller teurer Uhren wirbt, saß vor 16 Jahren Pascal Wehrlein. Er war damals fünf Jahre alt und mit seinem Vater angereist, um zum ersten Mal ein Formel-1-Rennen live zu erleben. Wehrlein erinnert sich noch an seine ersten Eindrücke: "Der Sound der Autos. Den hast du schon gehört, wenn du am Parkplatz ausgestiegen bist."

Wehrleins Augen leuchten bei der Erinnerung. Inzwischen hat der 21-Jährige es selbst in die Formel 1 geschafft. Erst einmal zwar nur bei den Hinterbänklern von Manor, aber das ist fast egal. Die Formel 1 ist immer noch die Königsklasse des Motorsports. Und ein Heimrennen ist einfach ein ganz besonderes Rennen. "Wenigen Fahrern ist das vergönnt", sagt Sebastian Vettel. "Ich hoffe, dass mein Fanklub kommt", sagt Pascal Wehrlein, "aber die Karten sind halt extrem teuer."

"Ich denke, die Formel 1 ist nicht mehr ganz so spannend", sagt Vettel

Für das Training am Freitag kostet die günstigste Motodrom-Karte an der Tageskasse 50 Euro. Die Samstagstickets beginnen bei 100 Euro. Wer das Rennen sehen will, muss mindestens 235 Euro mitbringen. Das gesamte Wochenende ist pro Erwachsener ab 255 Euro zu haben, für Kinder zwischen sieben und 15 Jahren gilt in allen Ticket-Kategorien der gleiche Preis: 50 Euro. Sebastian Vettel hält das für "zu teuer": "Wenn es billiger wäre, würden mehr Leute spontan sagen, ,los, da gehen wir hin, das lassen wir uns nicht entgehen.'"

Das Rennen an diesem Sonntag (Start 14 Uhr/RTL) ist sein erstes, das er in Deutschland für Ferrari bestreitet. Nico Rosberg führte die WM-Wertung lange an. Nach elf Rennen liegt er mit sechs Punkten nun knapp hinter seinem Teamkollegen Lewis Hamilton. Die beiden Mercedes-Fahrer haben in diesem Jahr schon zehn Rennen gewonnen; auch am Sonntag sind sie die Favoriten. Nico Hülkenberg ist mit Force India solide im Mittelfeld unterwegs. So solide, dass er seinen Platz in der Formel 1 auch für 2017 sicher hat. Und Pascal Wehrlein gilt als Talent mit vielversprechender Zukunft. Gründe, an den Hockenheimring zu kommen, gäbe es für die Fans deutscher Motorsportler also einige. Wieso also strömen sie nicht mehr wie einst?

"Ich denke, die Formel 1 ist nicht mehr ganz so spannend. Die Autos sind leiser geworden, sie sehen nicht mehr so spektakulär aus", sagt Sebastian Vettel, aber er weiß selbst, dass das nur ein Erklärungsversuch ist. Denn: "Die Kurvengeschwindigkeiten sind höher denn je." Den einen, alles erklärenden Grund für den Abschwung in diesem Ausmaß: Es gibt ihn nicht.

In der Schumacher-Zeit loderte die Begeisterung dermaßen, dass die Veranstalter sich wenig Mühe geben mussten. Als der Zuspruch nachließ, schien es dann so zu sein, als wären sie mit dem Werben ein wenig aus der Übung gekommen. Der Vorwurf aber trifft jetzt nicht mehr.

Wochen vor dem Rennen schauten Rosberg, Hülkenberg und Wehrlein in Hockenheim vorbei und veranstalteten mit einigen Rennwagen einiges Getöse. Um ein wenig Fieber in der Stadt zu entflammen, initiierte der Hockenheimer Marketing Verein einen Malwettbewerb an den Schulen, Motto: "Hockenheim lebt Formel 1." Für die Geschäfte wurde ein ähnlicher Wettbewerb ausgelobt: Wer dekoriert sein Schaufenster am schönsten mit Formel-1-Devotionalien? Ein TV-Händler drapierte daraufhin Programmhefte in seiner Auslage. Nebenan, im Fachgeschäft für Grillbedarf, stehen alte Rennreifen und Modellautos im Fenster. Es sieht ein wenig so aus, als sei all das so aufgebaut, dass es schnell wieder aufzuräumen ist.

Hoffnung auf neuen Schwung für das in die Jahre gekommene Fahrgeschäft? Doch, die gibt es. Der junge Mann ist blond, 17, äußerst höflich und hat sehr bekannte Initialen: M.S. - Mick Schumacher, der Sohn von Michael Schumacher, hat sich auf der Talentleiter inzwischen bis auf die Sprosse des ernsthaften Formel-Sports hochgearbeitet. An diesem Wochenende wird er in die Formel-1-Welt eingeführt. Der Initiationsritus begann am Mittwoch mit einem Benefiz-Fußballspiel im hundert Kilometer entfernten Mainz, bei dem Schumacher junior vor 25 000 Neugierigen mit Sebastian Vettel gegen Dirk Nowitzki kickte. Anschließend waren ausschließlich Fragen zum Spiel zugelassen. Mick Schumacher beteuerte: "Das hat Spaß gemacht." Aber auch künftig wolle er sich aufs Rennfahren konzentrieren.

Dass es 2017 einen Deutschland-Grand-Prix auf dem Nürburgring gibt, gilt wegen der finanziellen Forderungen von Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone als unwahrscheinlich. 2018 wäre dann noch einmal Hockenheim mit der Ausrichtung dran. Wie es danach weitergeht, ist derzeit völlig ungewiss.

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