Handball: Heiner Brand:Die Angst vor dem Nichts

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Auf Abschiedstournee: Im vorletzten EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich geht es für Handball-Bundestrainer Heiner Brand noch einmal um alles. Deutschland braucht mindestens ein Unentschieden - sonst droht der ganz tiefe Sturz.

Christian Zaschke

Österreich also. Das hätte Heiner Brand sich auch nicht träumen lassen, dass er am Ende seiner illustren Laufbahn als Handball-Bundestrainer in Österreich um alles spielt und alles verlieren kann. Vor ein paar Jahren stellten die Deutschen die beste Mannschaft der Welt, und Österreich - mit Verlaub, hatten die überhaupt Handballer?

Noch zweimal Bundestrainer: Heiner Brand. (Foto: dpa)

Das Wort Österreich kam im Wortschatz des deutschen Handballs nicht vor. Aber dann kam die EM 2010, bei der die Deutschen in Innsbruck so viele schlechte Spiele aneinanderreihten, dass sie am Ende auf dem zehnten Platz landeten, hinter Österreich. Und dann kam die WM 2011 in Schweden, bei der den Deutschen erneut kein Erfolg beschieden war, sie wurden Elfte. Das bedeutet, dass sie jetzt mit dem Rücken zur Wand stehen.

Die Handballer brauchen aus den beiden Spielen an diesem Mittwoch in Innsbruck (20.30 Uhr, live in Eurosport) gegen Österreich und am kommenden Sonntag in Trier gegen Lettland mindestens drei Punkte, um sich für die EM 2012 in Serbien zu qualifizieren. Bei dieser EM wiederum besteht die letzte Chance, sich für die Olympischen Spiele 2012 zu qualifizieren.

Mit anderen Worten: Erreicht das Team gegen Österreich nicht mindestens ein Unentschieden, steht der deutsche Nationalmannschafts-Handball vor dem Nichts, also genau da, wo ihn Heiner Brand vor 14 Jahren übernommen hatte.

Die beiden Partien sind Brands Länderspiele Nummer 390 und 391, es sind seine letzten als Trainer, er wird im Deutschen Handball-Bund den neu geschaffenen Posten des Handball-Managers übernehmen.

Ein Nachfolger steht offiziell noch nicht fest, vieles deutet darauf hin, dass der bisherige Assistenztrainer Martin Heuberger den Posten übernehmen wird. Entweder wird der eine realistische Chance haben, den deutschen Handball im laufenden Betrieb zu reformieren, oder er steht vor einem Scherbenhaufen. Alles hängt ab von dieser einen Partie in Innsbruck.

Im Hinspiel in Göppingen sind die Deutschen im vergangenen Oktober knapp einer Blamage entgangen. 8:14 lagen sie zur Halbzeit zurück und schafften mit Mühe noch ein 26:26. Jetzt liegen die Österreicher auf dem ersten Platz der Gruppe fünf und haben es selbst in der Hand, sich für die EM zu qualifizieren.

Handball: Heiner Brand
:Der Handball-Kaiser

Weltmeister als Spieler, Weltmeister als Trainer: Kein Name ist mit dem deutschen Handball so verbunden wie der von Heiner Brand. Egal, ob der Schnauzbart nun dran oder abrasiert ist.

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Vom Cover des aktuellen Handball-Magazins schaut Österreichs Linksaußen Robert Weber, der beim SC Magdeburg unter Vertrag steht. Die Schlagzeile lautet: "Wir werden die Piefkes schlagen". Das sorgte für ein bisschen Aufregung im deutschen Handball. Wie kann der Weber nur so frech sein?

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Der versucht nun, die Wogen zu glätten und sagt: "Die Schlagzeile mit dem Ausdruck 'Piefkes' auf dem Cover kam so nicht von mir." Aber er sagt auch: "Ich bin davon überzeugt, dass wir am Mittwoch gewinnen werden. Warum auch nicht? Wir haben uns dieses Selbstvertrauen hart erarbeitet in den letzten zwei Jahren, gehen als Gruppenerster in diese letzten beiden Runden und sind die einzigen in unserer Gruppe, die bislang noch keine Niederlage kassiert haben. Da fände ich es unangebracht, tiefzustapeln und uns in die Ecke zu stellen."

8000 Zuschauer werden in der Olympiahalle erwartet, "die Halle in Innsbruck wird ein Hexenkessel", sagt Brand. Die Österreicher ahnen, dass die Sensation möglich ist. "Die Stimmung in Deutschland bewegt sich zwischen Panik und Hoffnung", sagt Österreichs Kapitän Viktor Szilagyi, der sein Geld bei der SG Flensburg-Handewitt verdient. Weber ergänzt: "Wir sind alle motiviert, das scheinbar Unmögliche zu schaffen."

Für die Österreicher ist es das Spiel des Jahres, für die Deutschen eine Partie am Ende einer langen Saison, die sie unbedingt gewinnen müssen. "Es wird ein ganz schweres Spitzenspiel", sagt Brand, und dann fügt er einen Satz an, der viel sagt über den Aufstieg des Handballs in Österreich und den Zustand des Handballs in Deutschland: "Die Österreicher sind auf einem ähnlichen Niveau wie wir." Man stelle sich vor, dem Fußball-Bundestrainer Joachim Löw käme solch ein Satz über die Lippen.

Wobei: Die österreichischen Fußballer haben am Freitag gezeigt, was man mit Herz gegen den großen Nachbarn erreichen kann; ihre Niederlage war äußerst unglücklich. Brand weiß, dass die Handballer ebenso beherzt zu Werke gehen werden. Verlöre er das Spiel, schlösse sich aufs Unangenehmste ein Kreis, Brand hätte den deutschen Handball aus dem Nichts nach ganz oben und zurück ins Nichts geführt. So will er auf keinen Fall abtreten.

© SZ vom 08.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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