Handball-EM:Traumhafter Aufstieg mit Estavana Polman

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Jubel: Estevana Polman und die Niederlande. (Foto: dpa)

Hollands Handballerinnen können die EM gewinnen. Im Blickfeld: Rückraumspielerin Estavana Polman, die mehr sein will, als die Freundin des Fußballers Rafael van der Vaart.

Von Saskia Aleythe

Als wäre es nicht genug, dass sie schon von fast überall getroffen hatte, machte sich Estavana Polman noch mal für etwas Besonderes bereit. 24:19 stand es im Halbfinale der Handball-Europameisterschaft für die Niederlande, drei Minuten waren nur noch zu spielen gegen die Däninnen, da wagte sich die Rückraumspielerin auch mal ganz nach außen in die Ecke. Langer Pass, Kempa-Trick: Sie pflückte den Ball aus der Luft und schleuderte ihn ins Tor. Das kann sie also auch, die Frau Polman.

"Ongelooflijk" nennen sie in den Niederlanden das, was ihre Handballerinnen in den vergangenen zwölf Monaten erreicht haben: Unglaublich. Drei Halbfinal-Teilnahmen hintereinander. WM-Zweiter 2015, dann bei der ersten Olympia-Teilnahme überhaupt Platz vier. Und nun: EM-Finale, nach einem dominanten 26:22-Sieg gegen die dreimaligen Titelgewinnerinnen aus Dänemark. Dem niederländischen Frauenhandball ist ein traumhafter Aufstieg gelungen - und das liegt auch Estavana Polman.

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Rafael van der Vaart ist mit ihr nach Schweden gereist

Sie will mehr sein als nur "die Freundin von", sagt die 24-Jährige selber, denn seit Monaten schon interessiert sich die Öffentlichkeit in ihrer Heimat auch aus nicht-sportlichen Gründen für sie: Ihre Beziehung mit Ex-Fußballnationalspieler Rafael van der Vaart berührt daheim die Herzen. Van der Vaart ist mit ihr nach Schweden zu dieser EM gereist, im Halbfinal-Spiel saß er im schwarzen Hoodie im niederländischen Block und schoss Erinnerungsfotos. Und die Fotografen schossen Fotos von ihm.

Doch Polman muss sich längst nicht mehr sorgen, sie ist viel mehr als die "Freundin von". Ihre Leistungen brachten ihr die Nominierung fürs All-Star-Team ein, sie könnte beste linke Rückraumspielerin des Turniers werden. Spielmacherin Nycke Groot ist der Kopf der Mannschaft, hat die größte Übersicht, doch mit ihr zusammen ist Polman die gefährlichste Angreiferin. Keine Niederländerin trifft häufiger als Polman: Mit 35 Toren aus sieben Spielen liegt sie auf Rang vier in der Torschützenliste.

"Wir sind immer besser in diese EM reingekommen, das ist fantastisch", freute sich Polman nach dem Final-Einzug. Zu Beginn hatte ihr Team gegen Deutschland verloren, danach fand auch Polman erst ins Turnier. Sie ist schwer aufzuhalten, wenn sie einmal in der Luft ist, weil sie mit viel Schwung in die Angriffe geht. Seit ein paar Jahren weiß man das auch in Dänemark zu schätzen, eine der stärksten Ligen im Frauenhandball: Mit Team Esbjerg hat Polman in diesem Jahr die Meisterschaft gewonnen.

"Ongelooflijk" ist all das, weil die Zeiten, in denen die niederländischen Handballerinnen Turniere regelmäßig verpassten, gar nicht so lange her sind. 2005 wurden sie überraschend Fünfte bei der WM, bis dato der größte Erfolg. Er markierte einen Wendepunkt: Plötzlich stiegen sie im Fördersystem ihres Landes auf, was die perfekte Gelegenheit war für Sjors Röttgers, den Sportdirektor des niederländischen Handballverbands, die Idee einer Handballakademie voran zu bringen.

Dass die holländischen Talente jetzt aufblühen, ist kein Zufall - es war geplant

Der Aufschwung der vergangenen Monate hat vor allem mit diesem besonderen System der Nachwuchsarbeit zu tun: Seit zehn Jahren steht die Akademie in Arnheim, dort werden die 25 größten Nachwuchstalente des Landes ausgebildet. 20 Stunden Training pro Woche, zusätzlich eine schulische Bildung - und am Wochenende geht es dann zu den Spielen mit den Vereinen in ganz Europa. Röttgers sagte dem Handball-Magazin: "Wir brauchen diese Schulen, wenn wir 2020 Weltmeister werden wollen."

Noch viele Jahre nach 2005 spielten die Niederländerinnen im Handball keine Rolle - doch nun haben die Talente ihren festen Platz gefunden. Polman wurde an der Akademie ausgebildet, Torhüterin Tess Wester auch. Die 23-Jährige ist auch so ein Publikumsliebling, nicht nur wegen ihrer Fröhlichkeit. Sie hält super, klar, ist aber auch bekannt für unbekümmerte Interviews. "We kicked some ass for the second 30 minutes", sagte sie nach dem Spiel gegen Dänemark.

Gleich vier Spielerinnen aus dem Team von Helle Thomsen könnten ins All-Star-Team berufen werden, unabhängig vom Ausgang des Finales gegen Norwegen, der gleichen Begegnung wie bei der WM im vergangenen Jahr. Und wenn Rafael van der Vaart wieder im Publikum sitzt, ist die Rollenverteilung an diesem Nachmittag eine andere. Mittlerweile, so kann man das auch sehen, ist er wohl eher "der Freund von" Estavana Polman.

© SZ vom 18.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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