Hamburger SV:Der HSV hofft auf den späten Retter

Lesezeit: 4 min

Aus Porto Alegre in den norddeutschen Winter: Der Brasilianer Walace beim Training des HSV. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der HSV holt sich im Winter Stabilität mit den Defensivspielern Mergim Mavraj, Kyriakos Papadopoulos und Walace.
  • Damit korrigiert der Klub Fehlentscheidungen im Sommer.
  • Die Frage ist: Kommen diese Transfers nicht zu spät, um den auf Platz 17 abgestürzten Verein zu retten?

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Diese Woche war bislang eine gute für den Hamburger SV - jedenfalls besser als die vergangene, die mit einer 1:3-Niederlage beim Rivalen FC Ingolstadt und der Rückstufung auf Tabellenplatz 17 endete. Der Arbeitsgerichtstermin, den Emir Spahic, 36, angestrebt hatte, wurde abgesagt. Man hat sich ohne Justizhilfe geeinigt. Lieber zahlte der Klub fast eine Million Euro Abfindung, damit der in der Winterpause beurlaubte Innenverteidiger (Spitzname "Eisen-Emir") nicht wieder beim Training auftaucht.

Dort wiederum nahm am Dienstag der Brasilianer Walace Souza Silva, 21, die Arbeit mit Mütze und Handschuhen auf und verkündete: "Ich bin bereit für den Abstiegskampf." Und die Woche zusammenfassend teilte Jens Todt, der neue Sportchef, mit, er sei nach den Verpflichtungen von Mergim Mavraj (vom 1. FC Köln), Kyriakos Papadopoulos (von RB Leipzig) und Walace "absolut zufrieden mit Transferperiode zwei". Transferperiode eins, jene des Sommers 2016, wird in Hamburg als generell missratenes Geschäft abgeurteilt.

Dabei soll der defensive Mittelfeldspieler Walace, der das größte Loch im Mannschaftsgefüge stopfen soll, an diesem Freitag gegen Leverkusen noch gar nicht mitwirken. Die Hamburger wollen ihm Zeit zur Eingewöhnung geben - zumindest eine Woche. Genau daran krankt es beim heruntergewirtschafteten HSV: Die vermeintlichen Verstärkungen kommen immer zum falschen Zeitpunkt.

Walace ist der fünftteuerste Spieler der HSV-Geschichte

Walace, im Sommer 2016 Goldgewinner bei Olympia in Rio, ist mit knapp zehn Millionen Euro Ablöse der fünftteuerste Spieler der Vereinsgeschichte und wurde vom früheren Bundesliga-Ass Zé Roberto als "Zukunft Brasiliens" geadelt. Doch der junge Mann aus Porto Alegre, der bestenfalls binnen einer Woche funktionieren soll, wird wohl eher Monate benötigen, um sich an das neue Land und den anderen Fußball zu gewöhnen. Wie soll er da der Retter sein, nach dem in Hamburg schon wieder alle rufen?

Walace kommt trotz der Umbauten an der Vereinsspitze in einen schwer verunsicherten Klub. Der HSV kämpft zum dritten Mal binnen vier Jahren verzweifelt um seinen Status, als einziger Verein seit Bundesliga-Gründung 1963 immer mitgespielt zu haben. Es gab schon eine ganze Armada von Profis, die mit gutem Image kamen. Doch im irrlichternden, von zwölf Trainern in zehn Jahren betreuten HSV-Team kamen ihnen alle Fähigkeiten abhanden.

Allein in den vergangenen zweieinhalb Jahren, also seit der Umwandlung der Profi-Abteilung in die AG 2014, hat der HSV mit großzügiger Hilfe des Investors Klaus-Michael Kühne etwa 100 Millionen Euro für neues Personal ausgegeben. Deshalb dachte sich das Abendblatt gerade die lustige Schlagzeile aus: "Mit Walace in die Champions League". Versehen war die Überschrift allerdings mit einem Sternchen.

Der Zusatz hieß: Nur RB Leipzig hat in dieser Saison mehr investiert in neue Fußballer. Das macht also Platz zwei in der Geldausgabe-Tabelle der Bundesliga, weil etwa der FC Bayern, Dortmund oder Wolfsburg auf dem Transfermarkt viel mehr durch Verkäufe einnahmen. Und geht es nach jener oft zitierten Theorie, die Heribert Bruchhagen, der neue HSV-Vorstandsvorsitzende, an seinem einstigen Arbeitsplatz in Frankfurt gerne offenbarte, dann entwickelt sich der sportliche Tabellenplatz parallel zum Investoren-Tabellenplatz. Nur offenbar in Hamburg nicht.

Warum das Bruchhagen'sche Gesetz beim HSV nicht greift, ist aktuell leicht erklärt. Schon im Sommer hatte der längst entlassene Trainer Bruno Labbadia einen erstklassigen "Sechser" wie Walace gefordert. Doch dieser Zentralspieler, dieser Stabilisator kommt erst jetzt, nach elf verlorenen Spielen. Wäre er schon im August erschienen, könnte er zumindest in der Rückrunde eine eingespielte Größe sein.

Die richtigen Analysen haben unter Bruchhagens Vorgänger Dietmar Beiersdorfer oft zu falschen Konsequenzen geführt. Gleich zweimal fand Beiersdorfer heraus, dass dieser Elf ein "Drecksack" fehle, der den Kollegen auch intern Dampf macht. 2014 kam deshalb Valon Behrami vom SSC Neapel. Mehrmals gab es danach mit HSV-Kollegen in der Kabine Handgreiflichkeiten, mit Johan Djourou und Pierre-Michel Lasogga ist das verbrieft. 2015 setzte Trainer Labbadia im Abstiegskampf nicht mehr auf den dampfmachenden Schweizer. Behrami musste gehen.

Auch der einstige Kühne-Kritiker greift auf das Geld des Unternehmers zurück

Ähnlich war es mit Emir Spahic, der 2015 kam. Ihm war gerade in Leverkusen fristlos gekündigt worden, weil er sich mit Ordnern geprügelt hatte. Auch in Hamburg trug er nicht zur Verbesserung der Atmosphäre bei. Bis der neue Trainer Markus Gisdol - einst in Hoffenheim berühmt geworden durch die "Trainingsgruppe 2", in die er alle Profis steckte, die seiner Meinung nach nicht mehr ins Team passten - ihn Anfang des Jahres ausschloss. Das hatte nicht nur mit Spahic' Alter zu tun, sondern ebenfalls mit dessen zuweilen furchterregenden Umgangsformen. Gisdol will im Abstiegskampf auf Teamgeist setzen.

Auch der 5,5 Millionen Euro teure Alen Halilovic, 20, der nach nur einem halben Jahr an den UD Las Palmas ausgeliehen wurde, wurde ein Flop - obwohl dem Team genau jene Kreativität fehlt, die dem jungen Mann, der beim FC Barcelona mit Lionel Messi trainierte, nachgesagt wird. Der Kroate wollte offenbar nicht lernen, dass man in der Bundesliga auch als Offensivspieler verteidigen muss. Halilovic, der die Zukunft des HSV werden sollte, kam zu früh. Erst hätte Beiersdorfer die Defensive stabilisieren müssen.

Heribert Bruchhagen hat zwar gerade gesagt, dass man den Investor Kühne nicht "in jeder Angelegenheit zum Anwalt des HSV machen solle, der alle Probleme löst". Doch in der Abstiegsangst greift auch der einstige Kühne-Kritiker auf das Geld zurück, das der reiche Unternehmer zunehmend als Gönner dem Verein zuführt. Laut der im Sommer 2016 vereinbarten "Rahmenvereinbarung zur Qualitätsverbesserung" bekommt Kühne das jüngste Transfer-Geld nur zurück, wenn der HSV in den kommenden Jahren wieder im Europacup mitspielt. Eine utopische Vorstellung.

© SZ vom 03.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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