Hamburger SV:Hoffmann stellt den HSV auf den Kopf

Lesezeit: 3 min

Bernd Hoffmann, Präsident des Hamburger SV und Aufsichtsratschef der HSV AG , spricht bei einer Pressekonferenz. (Foto: Malte Christians/dpa)
  • Der neue Präsident Bernd Hoffmann ist 18 Tage im Amt und beurlaubt nun Sportvorstand Heribert Bruchhagen und Sportdirektor Jens Todt.
  • Trainer Bernd Hollerbach darf bleiben - zumindest bis zum Auswärtsspiel in München.
  • Bei der Suche nach Nachfolgern will sich Hoffmann Zeit lassen.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Bei den Presse-Agenturen gibt es den Begriff "Eilmeldung". Um 9.22 Uhr wurde am Donnerstag auf diese Weise verkündet, dass Außenminister Sigmar Gabriel der neuen Bundesregierung nicht mehr angehören werde. Eine halbe Stunde später waren in dieser Rubrik Heribert Bruchhagen und Jens Todt an der Reihe. Der Aufsichtsrat der Hamburger SV Fußball AG hatte seinerseits mitgeteilt, dass der Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen und der Sportchef Jens Todt dem neu gestalteten Verein nicht mehr angehören würden, sie seien beurlaubt worden. Und wiederum eine gute halbe Stunde später wurde schon zur Pressekonferenz mit dem neuen Aufsichtsratschef Bernd Hoffmann und dem letzten verbliebenen Vorstandsmitglied Frank Wettstein geladen.

Bemerkenswert daran ist, dass nicht schon vorher etwas aus dem Kontrollgremium nach draußen getragen worden war. Und dass es nach Hoffmanns Wahl zum Präsidenten des e.V. gerade einmal 18 Tage brauchte, bis er "nach intensiven Diskussionen" auch die Spitze des Kontrollausschusses übernahm und die nach seinem Urteil "größte Zäsur in der 131-jährigen Geschichte des HSV" anschob. Das zeigt die Durchsetzungskraft des neuen Mannes beim abgewirtschafteten Traditionsklub. Immerhin sind Hoffmanns Vorbilder einflussreiche Aufsichtsratschefs wie Uli Hoeneß oder der Schalker Clemens Tönnies.

"Ich möchte nicht Vorstandsvorsitzender werden, ich möchte die beste Lösung für den HSV."

Der Anfang Februar eingesetzte Michael Krall, immerhin Vorstand der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, trat wegen Hoffmanns großer Erfahrung im Sportmanagement (Geschäftsführer beim Sportrechtevermarkter Ufa Sport, acht Jahre Vorstandsvorsitzender beim damals noch im Europapokal spielenden HSV, zuletzt Spielerberater) ins zweite Glied zurück.

Bundesliga
:Der große Rauswurf beim HSV

Der HSV entlässt Vorstandsboss Bruchhagen und Sportchef Todt. Das kann nur bedeuten: Präsident Hoffmann plant endgültig für die zweite Liga.

Von Carsten Scheele

Hoffmann begründete die Entlassungen von Bruchhagen und Todt damit, dass man mit neuem Personal "einen Neustart" wagen wolle. Man wolle entweder an "einem Wunder oder am Neubeginn in der zweiten Liga" arbeiten. Das Wunder wäre der Klassenerhalt trotz sieben Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz und eines anstehenden Spiels beim FC Bayern.

Das Ergebnis der Diskussionen im sechsköpfigen Rat am Mittwochabend habe er Bruchhagen am Donnerstagmorgen mit seinem neuen Stellvertreter Max-Arnold Köttgen "in einem sehr vernünftigen Gespräch" mitgeteilt, meinte Hoffmann. Der provisorisch zum Chef der Fußball AG ausgerufene Finanzvorstand Wettstein hat dann den zweiten Schritt unternommen, er hat den auf Dienstreise befindlichen Todt angerufen und informiert. Auch diese Unterhaltung sei "sehr freundschaftlich" gewesen, berichtete Wettstein. Der bisherige Sportchef habe nicht überrascht gewirkt. Er kennt ja das Geschäft und wusste aus einer vom Aufsichtsrat Felix Goedhart herumgeschickten Mail, dass sowohl Wettstein als auch das Gremium schon vor Hoffmanns Installierung über eine Trennung nachgedacht hatten.

Wie schnell die Neubesetzung der Ämter nun aber vonstatten gehen wird, ist noch ungewiss. "Wir werden nicht den Fehler der letzten Jahre machen, sofort eine neue Lösung auf einer Position zu präsentieren", sagte Hoffmann. Man könne sich da den VfB Stuttgart als Beispiel nehmen. Der habe nach seinem Abstieg im Mai 2016 nach der Trennung von Robin Dutt zwei Monate lang keinen Sportvorstand gehabt, und auch der neue Präsident Wolfgang Dietrich sei erst im Sommer installiert worden. Dennoch habe man eine wettbewerbsfähige Mannschaft zusammengestellt, die dann sofort wieder aufstieg.

Es könne durchaus jemand sein, der im Moment noch woanders unter Vertrag stehe, sagte Hoffmann. Diese Aussage hätte weitere Spekulationen um Horst Heldt, den aktuellen Sportchef von Hannover 96, schüren können. Doch wie der ebenfalls gehandelte Jörg Schmadtke (zuletzt Köln), sagte der am Donnerstag, es gebe keinerlei Kontakt zum HSV. Vorerst sind Wettstein, der für den Nachwuchs zuständige Direktor Sport Bernhard Peters sowie der neue Chefscout Johannes Spors die Ansprechpartner für Spielerberater und Profis. Und anstelle von Bruchhagen und Todt soll bei den Auswärtsfahrten zunächst auch der Klubmanager Bernd Wehmeyer, ein ehemaliger großer HSV-Spieler, näher an die Mannschaft rücken.

Eine klare Aussage zur Zukunft des gerade erst installierten Trainers Bernd Hollerbach vermied Wettstein derweil. "Stand heute halte ich einen Trainerwechsel nicht für möglich", sagte er. Nach dem Spiel in München könnte aber eine neue Lage entstehen - falls der HSV mal wieder zwischen fünf und neun Gegentore kassieren sollte, wie meist in den vergangenen sieben Jahren. Die Spieler sollten derzeit nicht so viel Zeitung lesen, riet der derzeitige Coach Hollerbach.

Einen Fürsprecher haben sowohl der HSV als auch Hollerbach allerdings, und das ist ausgerechnet der soeben beurlaubte Heribert Bruchhagen. Der 69-Jährige, der schon mit Eintracht Frankfurt zweimal abgestiegen, aber auch wieder aufgestiegen war, übernahm in einem Statement "die Verantwortung" für den sportlichen Absturz. Immerhin hatte besonders er dafür gesorgt, dass in der Winterpause das Team nicht erneut mit geliehenem Geld des Investors Klaus-Michael Kühne verstärkt wurde, weil er die Abhängigkeit vom Geldgeber nicht noch größer machen wollte. Er drücke dem HSV weiter die Daumen, sagte Bruchhagen und schob artig hinterher: "Was für den HSV das Beste ist, ist auch für mich richtig."

Das Beste für den HSV wäre tatsächlich, nach drei entlassenen Klubchefs (Carl-Edgar Jarchow, Dietmar Beiersdorfer, Bruchhagen), vier gefeuerten Sportdirektoren (Oliver Kreuzer, Peter Knäbel, Beiersdorfer und Todt) und fünf Trainern (Bert van Marwijk, Mirko Slomka, Josef Zinnbauer, Bruno Labbadia, Markus Gisdol) in den vergangenen vier Jahren endlich Leute zu finden, mit denen es aufwärts geht. Wer den HSV kennt, ahnt: Das dürfte schwierig werden.

© SZ vom 09.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

50+1
:Der deutsche Fußball ringt um seine heilige Regel

Bayern-Boss Rummenigge spricht sich erneut für eine Abschaffung von 50+1 aus. Kommt es dazu, wäre das für viele Fans eine "Kriegserklärung".

Von Martin Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: