Golf: Martin Kaymer:Ein Champion wie Boris Becker

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Martin Kaymer gewinnt sein erstes Major-Turnier. Er könnte bald auf einer Stufe mit Becker, Graf oder Schumacher stehen, doch sein Sport findet quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Gerald Kleffmann

McDowell, Oosthuizen, Kaymer. Die ungewohnten Siegernamen bei den vergangenen drei Majors sprechen Bände: Die Golfwelt ist dabei, sich zu verändern, neue Kräfteverhältnisse entstehen, alte Vorherrschaften bröckeln. Bezeichnend waren zwei Meldungen vor der USPGA Championship: Erstmals seit Jahren wurde Tiger Woods, die Nummer eins der Weltrangliste, nicht als Topfavorit bei den Buchmachern gehandelt. Und Phil Mickelson, die Nummer zwei, outete sich als Arthritis-Patient.

Dass die beiden Amerikaner, der eine mit privaten, der andere mit gesundheitlichen Problemen kämpfend, nichts mehr zu melden haben werden, ist nicht anzunehmen. Aber wenn die als junge Wilde titulierten Aufsteiger etwas bewiesen haben, dann dies: Sie sind keine Versprechen mehr, sondern die neuen Champions, die arrivierte Helden bezwingen können. Martin Kaymers spektakulärer Aufstieg fügt sich in die Entwicklung des Golfsports. Alles wird globaler, auch die Siegerlisten werden es. In Kohler hätte mit Glück sogar der Chinese Wen-chong Liang gewinnen können.

Kaymers Triumph indes ist aus deutscher Sicht ein historischer. 17 Jahre wurde nach einem Nachfolger Bernhard Langers geforscht, der 1993 seinen zweiten Majortitel errang. Nun ist er gefunden, und die spannende Frage kann nur lauten: Was bewirkt sein Sieg hierzulande? Wird sich Golf doch mal aus der Nische als neuer Volkssport mit elitären Zügen befreien und zu einer medial verwertbaren, massenkompatiblen Disziplin entwickeln, die mehr erreicht als Fairway-Besessene, Betuchte und Lobbyisten?

Das alles erhofft sich die Branche. Doch so schnell dürften diese Wunschträume nicht wahr werden.

Kaymer, der bald auf einer Stufe mit Becker, Graf oder Schumacher stehen könnte, wird als nationaler Held nicht taugen, solange sein Sport quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Denn einzig im Bezahlfernsehen ist seine Kunst zu bestaunen; oft nachts, wenn in Übersee gespielt wird. Im US-Fernsehen wurde Kaymer "surrealer Champion" genannt, weil die Kommentatoren den "German from Dusseldorf" nicht auf der Rechnung hatten; diese Einschätzung gilt auch in seiner Heimat. Manches erinnert an 1985, als ein Blonder namens Langer erstmals das Masters gewann: Ein Deutscher spielte groß auf, nur zu Hause kriegte es keiner mit.

Wie sehr der hiesige Golfsport das öffentliche Interesse aber braucht, wird anhand der Ryder-Cup-Bewerbung sichtbar. 2018 soll in Deutschland das Duell zwischen den USA und Europa stattfinden. Dass die Bundesregierung, wie sie zuletzt der entsetzten Golfgemeinde mitgeteilt hat, keinen Druck spürt, die deutsche Bewerbung finanziell zu unterstützen, leuchtet bislang ein: Warum sollen für eine dreitägige Veranstaltung Millionen fließen, die selbst Millionen abschöpft und nur im Pay-TV läuft? Das deutsche Golf benötigt offenbar strukturelle Veränderungen, es bedarf einer größeren Aufmerksamkeit. Martin Kaymers Erfolg kommt immerhin zur rechten Zeit.

© SZ vom 17.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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