Fußballer Michael Spies:Umzugsmeister der Bundesliga

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Kopfballtor gegen den ruhmreichen FC Barcelona: Michael Spies (links) trifft 1991 im Landesmeister-Europacup für Hansa Rostock im Hinspiel zum 1:0. (Foto: Schulz/imago)

Stuttgart, KSC, Gladbach, HSV, Rostock, Dresden, Wolfsburg: Als einziger Fußballer spielte Michael Spies für sieben Bundesligisten. Seinen größten Moment erlebte er im Europapokal gegen den FC Barcelona.

Von Matthias Schmid

Für einen Menschen aus dem niedersächsischen Meine, Landkreis Gifhorn, redet Michael Spies recht merkwürdig. Wenn er Montag sagt, klingt das wie "Mondag", auch rutschen ihm hin und wieder die typischen Sch-Laute heraus. Spies, 49, kann seine schwäbische Herkunft nicht leugnen, der gebürtige Stuttgarter hat in den Jahren der Wanderschaft die Eigenarten des Dialekts beibehalten.

Dabei liegt es lange zurück, dass er in Württemberg kickte und lebte. Als Fünfjähriger war er dem VfB Stuttgart beigetreten, in der B-Jugend wechselte er zum Stadtrivalen Kickers, um als 18-Jähriger wieder zurückzukehren zum damals hippen VfB. Spies war Mittelfeldspieler, "ein echter Zehner", sagt er. Schnell, trickreich, mit Drang zum Tor. Nachdem er 1985 seinen ersten Profitvertrag signiert hatte, konnte er sich nicht vorstellen, Stuttgart jemals zu verlassen.

"Dabei bin ich ein bodenständiger Typ"

Dass er eines Tages als Wandervogel in den Annalen der Fußball-Bundesliga eingehen würde, hatte er für so unwahrscheinlich gehalten wie im konservativen Ländle einen Ministerpräsidenten der Grünen. Sechsmal wechselte Spies nach seiner Zeit beim VfB innerhalb der Bundesliga. Bei sieben verschiedenen Erstligavereinen spielte sonst bislang seit 1963 niemand.

"Dabei bin ich ein bodenständiger Typ", sagt Spies von sich selbst, "zurückhaltend, vorsichtig." Er ist alles andere als das, was man sich unter einem Wandervogel vorstellt, einem Söldner, wie es viele gibt im Profifußball - unstete Menschen, die es sich und den anderen nicht immer einfach machen, Beständigkeit nur beim Gehaltspoker zeigen. Spies war nie ein widerspenstiger Spieler.

Er hat auch nie das neue Trikot provokativ in die Kamera gehalten, obwohl er noch beim alten Verein angestellt war. Srdjan Lakic hatte sich 2011 in seiner Zeit beim 1. FC Kaiserslautern zu einem verhängnisvollen Schnappschuss im Wolfsburger Dress verführen lassen - jener Lakic, der Spies in der Ligastatistik seit Januar am nächsten kommt, denn der SC Paderborn ist der sechste Klub des kroatischen Stürmers in der ersten Liga.

"Bei mir hat es immer nachvollziehbare Gründe für einen Wechsel gegeben", sagt Spies. In Stuttgart kam er nicht am filigranen Asgeir Sigurvinsson vorbei und am wuchtigen Karl Allgöwer, es waren außergewöhnliche Spieler, die dem VfB 1984 den Meistertitel bescherten. Bei seinem Lieblingsverein hat Spies nie auf seiner Lieblingsposition spielen dürfen.

Dabei hatte alles begonnen, wie man es sich als Kind in Träumen ausmalt: In seinem ersten Bundesligaspiel erzielte Spies sofort sein erstes Tor, zur Führung in Düsseldorf, Endstand: 7:0. Hätte er damals im März 1986 wie Jürgen Klinsmann in jenem Spiel fünf Tore gemacht, vielleicht wäre seine Karriere anders verlaufen: "Vielleicht hätte ich bis zu meinem Karriere-Ende stolz den roten Brustring getragen", sagt er.

Nach einem Jahr ging Spies als Leihspieler zum Zweitligisten SSV Ulm, er spielte so auffällig, dass Winnie Schäfer ihn unbedingt haben wollte. Der Trainer des Karlsruher SC hatte, damals noch in Diensten Borussia Mönchengladbachs, schon dem 18-jährigen Spies ein Angebot gemacht: "Ich hatte mich aber für den VfB entschieden", das war eine Herzensangelegenheit. Spies war ein Romantiker, bis er zum KSC wechselte, "weil ich weiter in der ersten Liga spielen wollte".

In Baden hob er sein Spiel mit vielen Toren und Vorlagen auf ein neues Niveau, bis sogar Franz Beckenbauer darüber nachdachte, ihn zum Nationalspieler zu weihen: "Aber dafür musste man damals für einen großen Klub spielen", sagt Spies. Also zog er weiter nach Mönchengladbach, weil er hoffte, sich dort im Europapokal tatsächlich eine Einladung Beckenbauers zu erspielen. Aufsehen erregte international dann allerdings nicht die Borussia, sondern der KSC, als er im Uefa-Cup beim legendären 7:0 im Achtelfinale Valencia mit Gottes Hilfe und Edgar Schmitts Toren rauswarf.

Gegen den FC Barcelona erzielt er das einzige Tor des Spiels

Für die Nationalmannschaft reichte es nie, aber Spies war seine Karriere lang in der angenehmen Situation, von Erstligaklubs umworben zu sein. Nach zwei Jahren in Gladbach schloss er sich 1991 Hansa Rostock an, das nach der Wiedervereinigung in der Bundesliga mitmischte. Nach drei Spieltagen führten die Rostocker die Tabelle an, nach Siegen beim FC Bayern und gegen Dortmund. "Wir hatten eine tolle Mannschaft, aber es stimmte in der Vereinsführung nicht", erinnert sich Spies.

Es gab Zank und Unruhe. Es reichte aber noch zu einem 1:0-Sieg gegen den großen FC Barcelona, 1991 in der ersten Runde im Europapokal der Landesmeister. Das einzige Tor gegen die Mannschaft von Johan Cruyff erzielte: Michael Spies. "Darauf werde ich heute noch angesprochen", sagt er. Barcelona kam nach einem 3:0 im Hinspiel weiter und gewann die Königsklasse, Rostock stieg ab. Spies wechselte zum HSV, wo er gute Zeiten erlebte, bis Benno Möhlmann Trainer wurde. Danach spielte er kaum noch, verließ den Klub und zog sich 1994 das Trikot von Dynamo Dresden über - seine sechste Station in der Liga.

Irgendwann hatte er akzeptiert, dass Umzüge zu seinem Beruf dazugehören. Er wollte auf die erste Liga nicht mehr verzichten, auf die Annehmlichkeiten, den Ruhm und auch das Geld. Nach dem Abstieg Dresdens ging er dennoch in die zweite Liga zum VfL Wolfsburg, der Großes plante. Im zweiten Jahr gelang der Aufstieg, Spies spielte noch eine Saison in der Bundesliga, ehe er beim Regionalligisten VfB Lübeck 2001 aufhörte - nach 219 Erstligaspielen.

Seitdem wohnt er in Meine, zwischen Wolfsburg und Braunschweig, er hat dort ein Haus gebaut, ist sesshaft geworden. Er führt das Leben, das er immer ersehnt hatte. Er ist jetzt Spielerberater, auch wenn er sich lieber "Sportmanager" nennt.

Sein prominentester Klient ist Wolfsburgs Innenverteidiger Robin Knoche. In ihm findet er sich selbst wieder, Knoche ist ein Junge aus der eigenen Jugend, aus der Region, der bei seinem Lieblingsklub einen Profivertrag unterschrieb. Spies sagt: "Ich hoffe, dass er beim VfL bis zum Karriereende glücklich isch."

© SZ vom 25.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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