Fußball-WM:Russland ist stolz auf seine Helden

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  • Russland unterliegt Kroatien im Viertelfinale der Fußball-WM erst im Elfmeterschießen.
  • Für den WM-Gastgeber platz damit der Traum vom Finale - doch der Stolz auf die Leistung der Mannschaft überwiegt.
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Von Johannes Aumüller, Sotschi

Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie sehr sich diese Örtlichkeiten für eine große Feier geeignet hätten. Direkt am Schwarzen Meer liegt das Fußballstadion von Sotschi, wer es verlässt, steht auf der Promenade, die sich ein paar Kilometer am Kieselstrand entlangzieht. In dieser besonderen Atmosphäre Russlands Halbfinal-Einzug zu bejubeln, das war der Plan so vieler russischer Fans gewesen. Nun ist es an diesem Samstagabend nichts geworden mit dem erhofften Triumph, stattdessen stand da ein bitteres Aus nach einem Elfmeterschießen gegen Kroatien. Aber eine große Trauerstimmung wollte deswegen auch nicht aufkommen - und das hing nicht nur damit zusammen, dass sich diese Promenade mit ihren vielen Restaurants für Trauerstimmung eigentlich gar nicht eignet.

Aus diversen Ecken ertönte laute Musik, die Fans zogen mit ihren Trikots und Schals und Fahnen recht aufgeräumt von dannen. Und ein paar hundert Meter vom Stadion entfernt sammelte sich im Schein einer Laterne - richtig, das gleiche Modell wie das, vor dem Joachim Löw posierte - eine stattliche Schar an Zuschauern, um die russische Nationalhymne mal nicht so schmetternd wie im Stadion darzubieten, sondern nur von einer Gitarre begleitet. Sehr schön klang das, und vielleicht hätte es noch einen Ticken schöner geklungen, wenn nicht der Initiator dieser Gesangsgruppe ein Herr vom staatlichen Fernsehen gewesen wäre, der noch ein paar Aufnahmen machen wollte.

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Russland ist ausgeschieden, aber Russland will seine Spieler und auch sich selbst trotzdem feiern. Das ist die Stimmung, die sich über das Land legt. "Unsere Mannschaft hat in einem ehrlichen und schönen Spiel verloren", sagte Kremlsprecher Dmitrij Peskow kurz nach dem Aus der Agentur Interfax. Man könne stolz auf die Fußballer sein, sie seien toll gewesen. "Sie sind Helden. Sie sind auf dem Feld gestorben." Und auch bei Trainer Stanislaw Tschertschessow mischte sich in die Trauer des Augenblicks auch ein gewisser Stolz über die vergangenen Wochen: "Jetzt weiß das ganze Land, was die Fußball-Nationalmannschaft ist."

Als Rakitic trifft, ist es ganz still im Stadion

Das Turnier ist aus russischer Sicht ja viel erfolgreicher gewesen als von vielen und zwar nicht zuletzt von der russischen Öffentlichkeit erwartet. Und es war ein großes Drama, das die Russen zum Abschied gegen Kroatien geliefert hatten. Sie waren wieder unglaublich viel gerannt, diesmal zehn Kilometer mehr als der Gegner, und sie hatten auch viel gefoult und dabei bisweilen Glück, wie der Schiedsrichter Ricci (Brasilien) die Zweikämpfe bewertete. 1:0 vorne dank eines Treffers von Dmitrij Tscheryschew nach einer halben Stunde, 1:1 durch den Hoffenheimer Angreifer Andrej Kramaric nur acht Minuten später. 1:2 zurück in der Verlängerung nach einem Kopfball-Tor von Domagoj Vida, 2:2 kurz vor dem Ende der Verlängerung durch ein Kopfball-Tor von Mario Fernandes.

Also Elfmeterschießen, wie schon gegen Spanien im Achtelfinale, aber diesmal mit dem schlechteren Ende für die Sbornaja. Weil Angreifer Fjodor Smolow und Rechtsverteidiger Mario Fernandes verschießen. Und weil Ivan Rakitic die Nerven behält und den entscheidenden Versuch für Kroatien verwandelt zum 4:3-Sieg nach Elfmeterschießen.

Als Rakitic trifft, ist es ganz still im Stadion, ganz so, als könnten die Zuschauer gar nicht glauben, dass dieser Moment des Ausscheidens nun wirklich eingetreten ist, ehe ein warmer Applaus einsetzt. Ein paar Spieler verschwinden schnell in der Kabine, Innenverteidiger Kutepow klatscht noch lange den Fans zu und der wegen seines zu lässigen Elfmeter-Versuches nun vielkritisierte Fehlschütze Smolow ist der letzte, der noch im Mittelkreis trauert. Mario Fernandes, der andere Fehlschütze, bittet seine Mitspieler um Vergebung, berichten hinterher Kabinenbesucher. Riesengroß sei die Niedergeschlagenheit. Der Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew kommt noch kurz in der Kabine vorbei, ehe er mit einer zwölf Wagen umfassenden Kolonne das Stadion verlässt. Und Wladimir Putin meldet sich telefonisch beim Betreuerstab, um für das gute Spiel zu danken.

Aber als die Spieler eineinhalb Stunden später das Stadion verlassen, da wirken sie schon deutlich aufgeräumter. Es habe nicht viel gefehlt, man habe mit den Weltbesten mithalten können, das ist der Tenor ihrer Beiträge. Und Trainer Tschertschessow ist sogar schon wieder in der Lage, ein paar seiner Sprüche in die Pressekonferenz einzubauen. Als sich etwa ein chinesischer Reporter erkundigt, ob Russland in vier Jahren nochmal so gut mitspielen könne, da meint er: "Oh, in China gibt es noch Fünfjahrespläne", also jene ökonomischen Mittelfrist-Konzepte, die früher in der Sowjetunion zum Standardrepertoire des Politbüros gehörten. Er aber könne nicht mal vier Tage nach vorne blicken.

Wobei er es in diesem Fall zumindest teilweise könnte: Auch in vier Tagen wird Russland seine unerwartet erfolgreiche Nationalmannschaft noch feiern.

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