Fußball-Weltverband gegen FC Sion:Schweizer Bückling vor der Fifa

Lesezeit: 3 min

Auf Druck des Fußball-Weltverbands zieht der Schweizer Verband dem aufmüpfigen FC Sion 36 Punkte ab und erweist sich unterwürfig. Doch der bizarre Streit geht weiter: Sions Präsident könnte nun die ordentlichen Gerichte anrufen und die Sportverbände arg in Bedrängnis bringen. Das Schweizer Rechtsempfinden ist irritiert.

Robert Breiter, der Chefjurist des Schweizer Fußball-Verbands (SFV), hatte die Forderung des Weltverbands vor zwei Wochen noch "unrechtmäßig" genannt. Diktatorisch gar? "Ja, so kann man das sagen", erklärte er der Schweizer Sonntagszeitung. Die Fifa hatte verlangt, den aufmüpfigen FC Sion hart zu bestrafen, sonst schließe sie den Schweizer Fußball von allen internationalen Wettbewerben aus. Also auch den FC Basel aus der Champions League, die Nationalmannschaft dürfe keine Länderspiele mehr bestreiten und so weiter.

Kämpft er weiter gegen die Herren des Fußballs?  Christian Constantin, Präsident des FC Sion.  (Foto: dpa)

Nun, der SFV hat am Freitag entschieden: 36 Punkte Abzug für den FC Sion, das nun mit bizarren minus fünf Punkten am Tabellenende der Super League liegt. Der SFV verhängt damit eine Strafe historischen Ausmaßes und macht den Bückling vor den Herren der Fifa. Das war den Funktionären des Schweizer Verbands aber offenbar so peinlich, dass sie den Entscheid nicht selbst, sondern von ihrem Medienchef überbringen ließen. Weder Breiter, noch der SFV-Chef Peter Gilliéron noch Heinrich Schifferle, Präsident der Swiss Football League äußerten sich zu der vielleicht weitreichendsten Entscheidung im Schweizer Fußball.

Vielleicht lag es daran, dass sie sich schlicht erpresst fühlten von der Fifa. Der FC Sion und allen voran sein Präsident Christian Constantin spricht von Nötigung und hat gegen die Mitglieder der Fifa-Exekutive deshalb Strafanzeige erstattet. Der Vorgang empört auch die Schweizer Öffentlichkeit: "Warum sollen die Nationalmannschaft oder gar der FCB dafür bluten, wenn ein Fußballklub die Regeln und Statuten des Verbandes infrage stellt? Seit wann stellen sich die Grundsätze einer Organisation über die Verfassung und das menschliche Recht", kommentiert die Zeitung Tagesanzeiger.

Der Streit zwischen den Fußballverbänden Uefa und Fifa mit dem FC Sion und dem kantigen Präsidenten Constantin hat klein begonnen und nun ein riesiges Ausmaß angenommen. Es begann damit, dass der ägyptische Torwart Essam Al Hadary Anfang 2008 ohne Einwilligung seines Klubs Al-Ahly nach Sion wechselte. Die Walliser schalten die Fifa ein und diese erteilte Al Hadary eine provisorische Spielbewilligung. Um eineinhalb Jahre später den FC Sion zu verurteilen: 900.000 Euro Ablöse und ein Transferverbot. Dabei war Al Hadary da nach vielen schwachen Leistungen schon wieder in Ägypten und über die Länge des Transferverbots für Sion gibt es noch heute Unstimmigkeiten.

Sion-Chef Constantin begann mit seinem Widerstand gegen die Verbände. Er verpflichtet Spieler, bekam Verbote, focht diese erfolgreich an. Die Spieler Pascal Feindouno, Gabri, Stefan Glarner, José Gonçalves, Billy Ketkeophomphone und Mario Mutsch werden dennoch gesperrt, von einem Zivilgericht wird die Sperre für nichtig erklärt, von einem anderen nicht. Sion wird aus der Europa League ausgeschlossen. Die laut Satzung unabhängige Disziplinarkommission des Schweizer Verbands spricht Sion frei und nun entscheidet der SFV gegen die eigenen Statuten und zieht dem Klub auf Druck der Fifa doch 36 Punkte ab.

Ein Ende ist nicht in Sicht. Constantin hat angekündigt, weiter zu kämpfen. "Diese Entscheidung ist eine untragbare Schädigung für jegliches juristisches Empfinden", schreibt der Klub Sion auf seiner Internetseite, Und:"Der FC Sion möchte betonen, dass er vom SFV selbstverständlich nicht angehört wurde und der SFV gegen seine eigenen Statuten vorgeht, da nur maximal 12 Punkte gegen eine Mannschaft abgezogen werden können." Der Präsident selbst schickte der Zeitung Blick eine SMS: "Es ist sinnlos, diesen unverantwortlichen Entscheid weiter zu kommentieren."

Erfolgreiche Transfers in der Bundesliga
:Ausgegraben und aufgeblüht

Sie kamen aus der Provinz, sie waren abgehalfterte Ersatzspieler, sie wurden von anderen Vereinen davongejagt. Im neuen Klub wurden diese Profis zu Helden. Vor dem Winter-Transferfenster: Eine Erinnerung an die Transfercoups der Bundesliga.

Die Fifa reagierte trocken und scheinbar machtbewusst: In einem Communiqué teilte der Weltverband mit, er habe den Entscheid des SFV zur Kenntnis genommen. "Die Fifa wird nun die Unterlagen analysieren und diese Anfang Januar ihrem Dringlichkeitskomitee zur Entscheidung vorlegen."

Erfolgreiche Transfers in der Bundesliga
:Ausgegraben und aufgeblüht

Sie kamen aus der Provinz, sie waren abgehalfterte Ersatzspieler, sie wurden von anderen Vereinen davongejagt. Im neuen Klub wurden diese Profis zu Helden. Vor dem Winter-Transferfenster: Eine Erinnerung an die Transfercoups der Bundesliga.

Inzwischen erinnert der Fall Sion viele an den Fall Bosman 1995. Damals entschied der Europäische Gerichtshof, Ablösezahlungen für Spieler, deren Verträge ausgelaufen sind, zu verbieten. Der belgische Profi Jean-Marc Bosman hatte geklagt, nachdem ihm der RFC Lüttich die Freigabe für einen Wechsel nach Dünkirchen in Frankreich verweigert hatte.

Es wird spannend sein, ob sich Constantin der geballten Macht der Verbände beugt, oder ob er tatsächlich die zivilen Gerichte anruft: das Schweizer Bundesgericht oder den Europäischen Gerichtshof. Sollten diese Gerichte zu seinen Gunsten entscheiden, wäre das vermutlich das Ende der autonomen Gerichtsbarkeit der Sportverbände und würde die Tragweite des Bosman-Urteils weit übertreffen. Sportler wie Vereine könnten sich dann nach Entscheidungen der Sportgerichte (Doping, Strafen) ermutigt fühlen, sich in zivilen Gerichten ihr Recht zu holen.

Auf der Homepage des FC Sion heißt es: "Natürlich werden die Dirigenten des SFV - allen voran sein Präsident - die an diesem Werk teilgenommen haben, daran Antwort geben müssen. Der FC Sion ist zuversichtlich, dass sich sein Recht erweisen wird und er seinen sportlichen Platz wieder einnimmt."

Constantin hatte nach der Androhung der Fifa, den Schweizer Fußball auszuschließen, die Fifa mit Muammar al-Gadafi verglichen. Und zudem seinen Kampfgeit angedeutet: "Wenn es niemand wagt, sich gegen die Diktatur der beiden bedeutenden Fußballverbände aufzulehnen, dann mache ich es halt. Es wird Zeit, dass die verantwortlichen Herren um Blatter und Platini endlich verschwinden."

In der Schweiz ist die Unruhe groß. Denn Constantin hat schon mal bewiesen, dass er streitet, bis er zu seinem Recht kommt. Als er 2003 gegen den Zwangsabstieg Sions wegen Überschuldung klagte, siegte er am Ende. Die zweithöchste Klasse musste auf 17 Teams aufgestockt werden, der FC Sion startete mit rund drei Monaten Verspätung in die Meisterschaft.

© sueddeutsche.de/dpa/hum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: