Fußball: Nationen:Boateng gegen Boateng und andere WM-Treffen

Kevin-Prince Boateng will für Ghana spielen - und könnte bei der WM auf Halbbruder Jérôme treffen. Es ist nicht die erste heikle Geschichte des DFB.

J. Beckenkamp

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Die vielleicht kurioseste aller sportlichen Doppelpass-Geschichten könnte sich am 23. Juni in Johannesburg ereignen. Dann könnten die beiden Halbbrüder Kevin-Prince (l.) und Jérôme Boateng (r., ein Bild aus gemeinsamen Hertha-Zeiten) gemeinsam ins Soccer-City-Stadion einlaufen - allerdings nicht in einer Nationalmannschaft, sondern als Gegner. Kevin-Prince wird wohl das Trikot von Ghana, Jérôme das der deutschen Elf überziehen.Denn während der jüngere Jérôme sowohl beim Hamburger SV wie auch bei Bundestrainer Löw als herausragendes Abwehrtalent gepriesen wird, wandelte sich Kevin-Prince vom größten Versprechen zum größten Schrecken des deutschen Fußballs. Er galt als Anführer einer Gruppe aus Berliner Problembezirken, die ihre Kiezkickermanieren in die Kabine mitbrachten. Und weil der DFB deshalb auf den hochveranlagten Kevin-Prince verzichtete, entschied er sich nun für das Land seines Vaters zu spielen.Das mögliche Duell der Brüder ist nicht die erste heikle Pass-Geschichte des DFB.Foto: imago

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Dass Schalkes Senkrechtstarter Joël Matip ein reflektierter junger Mann ist, konnten die Zuschauer bei seinem Auftritt im ZDF-Sportstudio beobachten. Der 18-jährige Deutsch-Kameruner kam zwar in Bochum zur Welt, entschied sich aber gegen den DFB. "Ich habe mir diesen Entschluss nicht leicht gemacht, sondern gründlich darüber nachgedacht. Letztendlich war es ein Bauchgefühl, das den Ausschlag gegeben hat", sagte Matip.Wie Kevin-Prince Boateng will nun auch Joël Matip für das Heimatland seines Vaters bei der WM in Südafrika spielen.Foto: dpa

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Als die Degradierung von Torsten Frings in der DFB-Elf begann, sollte der Aufstieg von Jermaine Jones beginnen. Der Schalker hatte zuvor schon eine Enttäuschung erlebt, weil er als einer der Letzten aus dem EM-Kader 2008 gestrichen wurde. Beim Heimspiel gegen England in Berlin kam er dann zu seinem dritten Freundschaftsspiel beim DFB, doch der Auftritt beim 1:2 war derart erschreckend schwach, dass sich Bundestrainer Joachim von ihm abwandte. Als Jones später nicht zur Asien-Reise des DFB eingeladen wurde, entschloss er sich, die Nation zu wechseln.Der in Frankfurt geborene Sohn eines in Deutschland stationierten US-amerikanischen Soldaten und einer deutschen Mutter beantragte den Wechsel in den US-Verband, der auch genehmigt wurde. Der Abschied vom DFB geriet allerdings verbal daneben: "In Deutschland sind Menschen wie ich unbeliebt. Man muss mich nur anschauen, ich bin nicht der perfekte Deutsche. Ich habe Tattoos, das mögen die Deutschen nicht. Die Menschen in den Staaten sehen eher aus wie ich. Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht blond bin und keine blauen Auge habe", wurde Jones in der New York Times zitiert. Es folgte mehrere Tage lang ein aufgeregtes Hin und Her, bis sich die Wogen wieder glätteten.Foto: dpa

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Weitere in Deutschland geborene Profis mit ausländischen Eltern haben sich gegen den DFB entschieden: Bei Dortmunds Nuri Sahin etwa kam der deutsche Verband zu spät, als er im Alter von 16 Jahren 2005 zum jüngsten Bundesliga-Debütanten aller Zeiten avancierte. Der gebürtigen Sauerländer wollte nicht für die deutsche U-17 spielen, sondern hatte sich bereits für die Türkei entschieden.Obwohl er Sauerländisch auf Müntefering-Niveau spricht, läuft Sahin seither für die Heimat seiner Eltern auf. In seinem ersten Länderspiel im Oktober 2005 erzielte er prompt ein Tor als Einwechselspieler - und das ausgerechnet beim 2:0-Sieg gegen Deutschland.Foto: Getty

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Der Dortmunder Abwehrspieler Neven Subotic (re.) wandelte sogar zwischen drei Nationen, bevor er sich schließlich für die Nationalmannschaft Serbiens entschloss. Geboren in Banja Luka, einer Stadt im serbischen Norden von Bosnien-Herzegowina, siedelte er mit seiner Familie in den 1990er Jahren erst nach Deutschland über und dann in die USA. Dort spielte Subotic von der U-17 bis zur U20 in den nationalen Auswahlteams, bis er schließlich 2007 nach Mainz wechselte.Subotic besitzt sowohl die serbische, bosnisch-herzegowinische als auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft und bevor er sich endgültig auf Serbien festlegte, äußerte sogar der DFB kurzes Interesse an dem kopfballstarken Defensivmann. Doch daraus wurde nichts und so trifft die deutsche Nationalmannschaft bei der WM in Südafrika auf eine starke serbische Innenverteidigung mit Manchesters Vidic, Chelseas Ivanovic und Subotic.Foto: imago

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Einer der ersten Bundesliga-Kicker, der per Eilverfahren eingebürgert wurde, um für die deutsche Nationalelf zu spielen, war der gebürtige Südfrikaner Sean Dundee. Nachdem er in Diensten des KSC 1995/96 16 Tore (im darauffolgenden Jahr sogar 17) schoss, nahm der DFB von dem jungen Angreifer Notiz und holte "das Krokodil" unter dem damaligen Trainer Berti Vogts in die Nationalmannschaft.Zu einem Einsatz in der DFB-Elf reichte es aber nie, weshalb man sich fragen mag, was Dundees Einbürgerung überhaupt gebracht hat. Nach unzähligen Stationen in Liverpool, Stuttgart, Offenbach oder bei Austria Wien ließ er seine Karriere 2008 in seiner Heimat beim Ama Zulu FC ausklingen. Zugebissen hat das Krokodil auf großer Bühne nach seinem DFB-Intermezzo kaum noch.Foto: imago

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Paolo Rink wird gerne als Symbol für eine sportlich düstere Phase der deutschen Nationalmannschaft genommen. Der gebürtige Brasilianer kam 1997 zu Bayer Leverkusen und zeigte in dieser teilweise brillant besetzten Mannschaft anständige Leistungen im Angriff. So anständig, dass Bundestrainer Erich Ribbeck ihn gerne als Stürmer im DFB-Trikot sah.Das war möglich, weil Rinks Urgroßvater 1904 von Heidelberg nach Brasilien ausgewandert war und der Urenkel nun einen deutschen Pass beantragen konnte. Und weil die Lage im deutschen Angriff zu jener Zeit immer prekärer wurde, ging das mit der Einbürgerung ziemlich schnell. Rink machte dann 13 Länderspiele, schoss aber kein Tor und gehörte dem mitleiderregenden Kader an, der im Jahr 2000 bei der EM in den Niederlanden und Belgien als Vorrundenletzter ausschied.Foto: Getty

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Weitaus erfolgreicher verlief die DFB-Karriere von Gerald Asamoah. In Ghana geboren und in Hannover aufgewachsen, wurde er 2001 zum ersten "Afrikaner", den der DFB für die Nationalmannschaft mit einem deutschen Pass austattete.Immerhin 43 Länderspiele absolvierte der Schalker Stürmer bis zum Sommer 2006, bevor er sowohl auf Schalke als auch unter Joachim Löw beim DFB seinen Platz im Team verlor. Zu seinen persönlichen Höhepunkten zählt das WM-Finale 2002 (im Bild gegen Ronaldo) sowie die Teilnahme an der WM 2006 im eigenen Land, wo er als "DJ Asa" in der Kabine Xavier Naidoo auflegte.Foto: imago

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Ende 2008 preschte der türkische Nationaltrainer Fatih Terim vor: Er lud Mesut Özil kurzerhand zum WM-Qualifikationsspiel gegen Bosnien-Herzegowina ein. Wäre Özil gekommen und hätte gespielt, der geborene Gelsenkirchner türkischer Einwanderer hätte für immer ein türkisches Trikot übergezogen.Doch Özil tat das, was er immer tat: Er lehnte die türkische Einladung ab und bekannte sich, für Deutschland spielen zu wollen. Er führte daraufhin die deutsche U21 zum EM-Titel 2009 und soll in Südafrika das offensive Mittelfeld der DFB-Elf besetzen.Foto: AP

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Cacau ist einer der wenigen, die nicht aufgrund der fußballerischen Perspektiven die Staatsbürgerschaft wechseln. Deutscher zu werden, das sei eine rein private Entscheidung gewesen und keine Karriereplanung, sagt Cacau. Er hat für den Einbürgerungstest gelernt, ihn problemlos bestanden, und ihn interessiert es tatsächlich, wer der erste Bundeskanzler war. Am 2. Februar 2009 erhielt er seine Einbürgerungsurkunde, einen Monat später bekam er bei der Bürgermeisterwahl im württembergischen Korb sechs Stimmen - obwohl er gar nicht kandidierte.Foto: AP

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Der Fall des Wolfsburgers Ashkan Dejagah zeigte die politische Dimension doppelter Fußball-Staatsbürgerschaften. Geboren in Teheran siedelte er im Kindesalter mit seiner Familie nach Berlin über. Bei Hertha BSC schaffte Dejagah den Sprung in die DFB-Jugend-Nationalteams. Für Aufsehen sorgte im Oktober 2007 seine Weigerung, für die U21 im EM-Quali-Spiel gegen Israel zu spielen. Aus Gründen "sehr persönlicher Natur", wie Dejagah damals mitteilte.Weil Iran die Einreise seiner Staatsbürger nach Israel und sportliche Kontakte mit dem Land unter Strafe stellt, befürchtete er Probleme für seine Familie. Daraufhin erhob der Zentralrat der Juden in Deutschland die Forderung nach einem Ausschluss aus dem DFB-Team wegen des "privaten Judenboykotts". Seine Motive hätten "keinen antisemitischen Hintergrund", sagte Dejagah nach einem klärenden Gespräch mit DFB-Chef Theo Zwanziger. Im Rückspiel gegen die Israelis fehlte Dejagah dann wegen einer "Zerrung", er wurde aber bereits einen Tag später wieder auf dem Traingsplatz gesichtet.Foto: imago

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Weitaus unpolitischer ist die Situation bei den deutschen Nationalstürmern Lukas Podolski und Miroslav Klose. Beide kamen in Polen zur Welt, zogen jedoch mit ihren Familien bald nach Deutschland. Während Podolski im Alter von zwei Jahren vom Polen zum Kölner wurde, zog es Familie Klose und den damals achtjährigen Sohn nach einem Frankreich-Aufenthalt direkt in die Pfalz.Beide Stürmer sehen aber Deutschland als ihre Heimat an und geben Interviews in den jeweiligen Dialekten ihrer Herkunftsorte (Kölsch, Pfälzisch). Als Podolski seine beiden Tore gegen Polen im Auftaktspiel der Euro 2008 nicht ausgiebig bejubelte, begründete er dies mit Respekt vor seinem Geburtsland. Ein Tor gegen seinen 1. FC Köln würde Podolski vermutlich gar nicht erst übers Herz bringen.Foto: ddp

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Der berühmteste Sohn des Örtchens Bedburg-Hau im Kreis Kleve am Niederrhein ist Willi "Ente" Lippens, der seine Glanzzeit in den 1970er Jahren bei Rot-Weiss Essen hatte. Der wieselflinke Linksaußen spielte einmal für die Nationalmannschaft der Niederlande, da sein Vater in Heerlen (Nähe Maastricht) geboren wurde und er somit auch einen holländischen Pass besaß. Versuche des damaligen Bundestrainers Helmut Schön, Lippens für den DFB zu gewinnen, scheiterten am Veto von Lippens' Vater."Ich hätte nie mehr nach Hause kommen dürfen", sagt Lippens zurückblickend. Lippens Senior war im Krieg von deutschen Soldaten zusammengeschlagen worden und hatte seinen Sohn daraufhin untersagt, für Deutschland zu spielen. Im Oranje-Team aber fühlte sich wiederrum Lippens links liegen gelassen. "Ich bin rauf und runter gerannt, aber die anderen Spieler ignorierten mich. Ich hatte wenig Bälle. Ich fand es sehr schlimm, dass ich nicht als Niederländer akzeptiert wurde." So blieb es bei einem Länderspiel für einen der besten deutschen Fußballer der siebziger Jahre.Foto: imago

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